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Ausgabe:

1897 Nr. 7

Spalte:

203

Autor/Hrsg.:

Fallot, T.

Titel/Untertitel:

Qu‘est-ce qu‘une Eglise? 1897

Rezensent:

Lobstein, Paul

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203

Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. 7.

204

1. Fallot, T. Qu'est-ce qu'une Eglise? Paris, Fifchbacher,
1896. (IX, 218 S. 8.) M. 1.60

2. Westphal, A. Qu'est-ce qu'une Eglise? Paris, Fifchbacher,

1896. (XV, 144 S. 8.) M. 1.60

Zwei preisgekrönte Schriften, welche dem in Mon-
tauban tagenden Comite pour l'' encour agement des
Etudes vorgelegt wurden, und die beide der ihnen zu
Theil gewordenen Auszeichnung durchaus würdig find.
Qu'est-ce qu'une Eglise? Sa nature, ses elements
constitutifs: fo lautete die den Bewerbern geftellte
Frage; es galt in allgemein fafslicher Darfteilung das
Wefen und die Merkmale der Kirche darzulegen.

Die erfte der zur Anzeige gebrachten Schriften, deren
Verfaffer fich um das Studium der focialen Frage hohe
Verdienfte erworben hat, will als ein Capitel der ,prak-
tifchen Theologie' betrachtet werden; fie giebt fich als
un traite de pathologie et de therapeutique
ecclesiastiques. Indem fie in ihren Erörterungen von
dem Beftande der Einzelgemeinden ausgeht, gelangt fie
in der auf echt evangelifchem Wege durchgeführten
Analyfe der Merkmale der Kirche zu Ergebniffen, die in
manchen Punkten mit Sulze's Gedanken fich berühren.
Die gegenwärtig immer noch umftrittenen Probleme,
Kirche und Staat, Kirche und Secte, Volkskirche, Freikirche
, Separation, behandelt der Verf. mit einer die
verfchiedenen Elemente des Gegenftandes forgfältig
prüfenden und abwägenden Umficht. Das ftete Zurückgehen
auf die Eglise locale hat für ihn nicht die Folge,
dafser fich in den Banneines atomiltifchen zerfplitternden
Congregationalismus gefangen gibt. Der Individualismus,
dem er huldigt, ift durch den in den Mittelpunkt des
Ganzen geftellten und mit grofser Wärme vertretenen
Gedanken der Solidarität beherrfcht. Indem F. diefes
Grundgefetz der menfchheitlichen Entwickelung in feinen
durch das Evangelium geforderten und geleifteten Be-
thätigungen nach allen Seiten zur Darfteilung und zur
Geltung bringt, drückt er allen feinen Ausführungen den
Stempel einer lebensvollen Fünheit auf, und giebt er
zugleich feinen praktifchen Vorfchlägen eine fefte und
breite Grundlage.

Die zweite Schrift hat den auch unter uns durch feine
Forfchungen auf dem Gebiete der Pentateuchkritik bekannten
Dozenten der theologifchen Facultät zu Mon-
tauban, A. Weftphal, zum Verfaffer. Sie unterfcheidet fich
von der erften zunächft durch reichere Verwerthung des
biblifch-theologifchen Materials. Zum Anderen geht W.
nicht von der Localgemeinde aus, um den Kirchenbegriff
zu gewinnen und zu begründen. Ihm ift die Kirche die
Familie Gottes auf Erden, die Einzelgemeinde ift ein
Glied diefer Familie. In gefchickter und geiftvoller
Weife verfteht es der Verf. aus diefem allerdings in feiner
Bildlichkeit etwas unbeftimmten Grundgedanken die einzelnen
Elemente und Merkmale abzuleiten, welche für
die Bildung der Kirche von conftitutiver Bedeutung find:
heritage,traditions,societe, maternite. Eine Kirche
hat ein Familienerbtheil und Familientraditionen; als Ge-
meinfchaft der Gläubigen mufs fie einen Glauben befitzen
und bekennen; als Mutter der Gläubigen mufs fie eine
Botfchaft befitzen und verkündigen. Der Werth diefes
Effay's liegt m. E. nicht in der zuweilen etwas künft-
lichen Gruppirung des Stoffes, fondern in den einzelnen
Ausführungen, welche trotz der theilweife fchillernden
Ueberfchriften (vgl. bef. S. 79 fg: maternite) eine Fülle
anregender Gedanken und werthvoller Beobachtungen
enthalten.

Formell verdienen beide Schriften alles Lob. Das
Pathos, das fie gelegentlich üben, artet niemals in
Phrafe aus, fondern ift der angemeffene Ausdruck des
Gedankens oder des religiöfen Gefühls, und wirkt im beften
Sinne des Wortes erbauend.

Strafsburg i. E. P. Lobftein.

Rost, Paft. Waith., Ist die Berücksichtigung der wichtigsten
Ergebnisse der Hallischen Bibelrevision für das sächsische
Perikopenbuch wünschenswerth und nothwendig? Ein

Wort zur Klärung und Verftändigung in Sachen der
,durchgefehenen Bibel' und der Bibelrevifion überhaupt
. Leipzig, Hinrichs, 1896. (III, 48 S. gr. 8.)

M. —.80

Diefe Blätter haben zunächft ein rein locales Intereffe.
Sie möchten jedem, der in Sachfen in Sachen der Re-
vifton der Lutherbibel ein Wort mitzureden hat oder
fich unterrichten will, es leicht machen, fich ein klares
Bild über die wichtigeren Abweichungen der betr. Ab-
fchnitte der durchgefehenen Bibel von den fächfifchen
Perikopen, wie fie das Perikopenbuch vom Jahre 1892
bietet, zu verfchaffen, und möchten auffordern zu eingehender
Vergleichung beider Textgeftaltungen und zu
ruhiger Abwägung der Vortheile oder Nachtheile, die die
Gottesdienfte in Sachfen von der Annahme oder Ablehnung
der wichtigeren Ergebniffe der Hallifchen Bibelrevifion
haben würden. Nach forgfältiger und genauer
Zufammenftellung und Prüfung der in Betracht kommenden
Texte, erklärt der Verf., dafs er faft allen fachlichen und
fprachlichen Aenderungen zuftimmen mufs, fowohl den
Aenderungen nach dem Grundtext, durch welche ein
einzelner Ausdruck berichtigt, als denjenigen, durch
welche eine ganze Stelle umgeftaltet worden ift. Bei
diefen Aenderungen hat der Offenbarungsinhalt der h.
S. nie gelitten, im Gegentheil, kommen an manchen
Stellen die Schriftgedanken und Schriftwahrheiten erft in
der durchgefehenen Bibel zu richtigem und erfchöpfendem
Ausdruck. Darum ift auch trotz der zahlreichen
Aenderungen die durchgefehene Bibel in vollem Sinne
des Wortes die Lutherbibel geblieben, ja erft recht wieder
geworden. Denn jene Aenderungen find nicht nur im
Sinn und Geift Luthers, fondern thunlichft auch in deffen
Sprache vorgenommen worden. Leider ift der am Schluffe
feiner Schrift geäufserte Wunfeh, es möchte die fechfte
fächfifche Landesfynode fich freudig, einmüthig und rückhaltlos
zu den wichtigften Errungenfchaften der
Hallifchen Bibelrevifion bekennen, nicht in Erfüllung
i gegangen.

Strafsburg i. E. P. Lobftein.

Funcke, Otto, Du und deine Seele. Nebft Anhang: Nor-
wegifche Skizzen. Bremen, C. E. Müller, 1896. (VIII
344 S. 8.). M, 3.—, geb. M. 4.—, m. Goldfehn. M. 4.20

Das vorliegende Buch Funcke's ift auf ähnliche Weife
entftanden, wie das im vorigen Jahr erfchienene, das den
Titel führt: „Wie man glücklich wird." Der Verfaffer
hat einige Ausfchnitte aus Predigten und aus anderen
Anfprachen, die er gelegentlich gehalten, zufammenge-
ftellt. Sie haben, wie er felbft fagt, untereinander keinen
logifchen Zufammenhang, und es fiel ihm deshalb fchwer,
! einen gemeinfamen Titel zu finden. Es ift ihm aber
doch, wie man fieht, zuletzt gelungen, und er hofft, dafs
der gefundene den Lefern als nicht ganz fchlecht gewählt
erfcheinen werde. Darüber werden nun freilich die
Meinungen getheilt fein. Was mich betrifft, fo kann ich
ihn nicht fehr glücklich finden, und wenn Funcke mit der
Verfertigung von Büchern in der bisherigen Weife fortfährt
, würde es fich vielleicht empfehlen, diefelben einfach
zu numeriren. Doch ift der Titel eines Buches
nicht die Hauptfache, fondern fein Inhalt, und wer für des
Verfaffers Art, die chriftliche Wahrheit zu verkündigen,
empfänglich ift, wird auch in feiner neueften Schrift
manches finden, was ihn anfpricht und erbaut. — In
einem Anhang (S. 258-344) fchildert er feine norwegifche
Reife, die er im letzten Sommer mit feiner Familie gemacht
hat. Er erzählt, wie immer, kurzweilig und an-
fchaulich. Man bekommt grofse Luft, auch einmal nach