Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1896 Nr. 6

Spalte:

156

Titel/Untertitel:

Das Neue Testament nebst den Psalmen. Nach dem Grundtext rev. Uebersetzung 1896

Rezensent:

Weiß, Johannes

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

155

Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 6.

156

31,2 zu der bekannten Baruchapokalypfe ift febr fraglich), I
konnte er nur nach dem Zeugnifs des OrigenesZV prin-
cip. II, 3, 6 hinvveifen; ich hoffe den Text diefes Buches,
wie er flavifch überliefert ift, demnächft mitzutheilen. —
Die Ueberfetzung der flavifchen Verfion in das Englifche
ift von Morfill, Lector der ruffifchen und andern flavifchen
Sprachen in Oxford, verfafst. Morfill hat den Text
der Ausgabe einer füdruffifchen Handfchrift v. J. 1675
durch A. Popov (A) und einer ferbifchen des 16. Jahrh.'s
von St. Novakovic (B) wiedergegeben, unter gleichzeitiger
Orientirung über die Textgeftalt, welche Prof. Sokolov
auf Grund jener Ausgaben und zweier die Recenfion
von B bietenden Handfchriften (freilich ohne über feine
Quellen ftets genau zu unterrichten) hergeftellt hat; dafs
die eine der beiden letzteren Handfchriften, die der
Wiener kaiferl. Bibliothek, mit B faft durchaus identifch
ift, kann ich nach eigener Collation beftätigen. Gedacht
wird von Morfill auch der Bruchftücke, welche Tichoravov
und Pypin veröffentlicht haben, doch werden diefelben
nicht herangezogen; auch fie, wie ich bemerken kann,
vertreten die Recenfion von B, doch greift das eine
Fragment mit einigen Worten hinüber in die Legende
über das Priefterthum Methufalah's und Nir's, welche
Sokolov in einer Belgrader flavifchen Handfchrift entdeckt
hat, und Charles-Morfill in englifcher Ueberfetzung
ihrer Ausgabe als Anhang beigegeben haben. Die Frage,
ob die Recenfionen A und B fchon der griechifchen
Vorlage angehören, wird nicht erörtert, aber die Unabhängigkeit
beider R.ecenfionen von einander vorausgefetzt
. Darf ich als Dilettant auf flavifchem Gebiete mir
über die Arbeit eines Fachmannes wie Morfill ein Urtheil
auszufprechen erlauben, fo kann es nur ein feine Ueberfetzung
fehr anerkennendes fein. Morfill hebt nachdrücklich
hervor, dafs er nur den Zweck verfolge, der Unter-
fuchung diefes Denkmals der biblifchen apokryphen
Literatur durch Charles Handreichung zu thun, daher
er alle philologifchen Fragen grundfätzlich bei Seite laffe.
Diefe Selbftbefchränkung des Sprachforfchers wird von
faft allen Lefern feines Buches nur dankbar empfunden
werden, und ift daher zu billigen, wenn fchon nunmehr
der Nachprüfende nicht fofort zu erkennen vermag,
warum diefes oder jenes gerade fo und nicht anders
überfetzt ift. Einen Widerfpruch möchte ich mir gleich
in Bezug auf die Wiedergabe des erften Satzes erlauben:
very vor wise man lieft keine Handfchrift, auch nicht A,
vielmehr ift mudr mudr offenbar nur Druck- oder Schreibfehler
für mudr muz, und ftatt ,and a worker of great
things: God loved him' wird zu überfetzen fein ,und der
grofse Werkmeifter (seil. Gott) liebte ihn und der Herr'.
In der Uebeifchrift von Cap. 9 mufs, wie der Abfchnitt
felbft zeigt, ftatt ,of the Righteons, and the Place of
Praycrs' gelefen werden ,dieOrte der Gerechten undBarm-

herzigen' (mltivych für mltvaeh); ebenfo ift 20, 1 in A
ftatt ,of John1 ,der Ophanim1 zu lefen, d. h. ioanitskoe
ebenfo wie ostanim in B (von Charles-Morfill übergangen)
ift aus ophanimskoe (vgl. Cap. 29, 3 und im äth. Henoch
Cap. 61, 10. 71,7, und die eigene Erwartung Charles', dafs
hier der Ofihanim gedacht fei [im Index fehlen fie]) cor-
rumpirt. Cap. 25, 1 kann erüvety nicht Iiis colour was red
bedeuten, fondern ift durch ,er im Leib' v creve f zu
erfetzen. 39, 4 fcheint es mir unmöglich, die Worte tuciia
znameniem mit laden witk a sign wiederzugeben; da
aber die Ueberfetzung .eines .. durch ein Zeichen gleichen'
keinen Sinn giebt, fo dürfte wie kurz zuvor 39, 2 fo auch
hier tuena zdanna ,eines . . gleich gefchaffenen' zu lefen
fein. Dagegen erfcheint mir nicht nöthig, Cap. 31, 5 für
bezai in A unter ftillfchweigender Correctur in besovaja
devilish things zu fagen, da beiai ,der Fliehende' vom
Satan gebraucht Theoph. ad Autol. II, 28 daiiuov de v.ai
dqa%tx>y y.al.elzat diu rn unodeÖQa/.evai avxbv und Ueno
entfpricht. Oefters wird das Fehlen einer Begründung
für die gegebene Ueberfetzung recht vermifst, fo bei der |

Wiedergabe von vozvodjat durch on the extinetion (35, 2),
von vlagajai ölka v nekii sosud (wörtlich .werfend einen
Menfchen in ein Gefäfs') mit who prepares a weapon
against a man (60, 4), von nacertanij nego klanjaj tesja
(wörtlich ,vor feinem Gepräge fallet nieder') mit pay attention
to His command(66,2). Von einzelnen Unrichtigkeiten
erwähne ich, dafs 33, 5 ,zu mir' ko mne in A nicht aus-
gelaffen, fondern in knigy verfchrieben ift, 33, 8 auch A
,Gib' dazd lieft, 39,1 ,meine Geliebten' hinter ,m. Kinder',
52, 9 bei ,Gründungen' .welche . . feftgeftellt find', 65, 10
der Zufatz in B weggelaffen ift, dafs 66, 5 the Lord of all
creation nicht — wie angemerkt wird — in A fehlt.
Doch laffen dergleichen Verfehen fich nicht vermeiden,
und ich kann nur meine Anerkennung der Sorgfalt und
Tüchtigkeit der Ueberfetzung wiederholen. Dagegen
weifs ich nicht, ob das Unternehmen, aus einer Ineins-
arbeitung der beiden divergirenden Recenfionen den ur-
fprünglichen Text zu gewinnen, nicht ein zu kühnes
gewefen ift; eine Unficherheit bleibt eben doch in nicht
wenigen Fällen beliehen. Mit Recht aber haben die
Herausgeber von Emendationen nur einen fehr geringen
Gebrauch gemacht; mufste es fich doch zunächft darum
handeln, den überlieferten Text vorzulegen. In den Indices
find mir einige Lücken, z. B. die Nichterwähnung der
Petrusapokalypfe, der log. Didache aufgefallen. Aber
folche Verfehen dürfen den Dank dafür nicht mindern, dafs
hier eine fo intereffante Schrift durch Ueberfetzung in
eine moderne Sprache zugänglich gemacht und ihre Bedeutung
zur Geltung gebracht worden ift.

Göttingen. N. Bonwetfch.

Das Neue Testament nebst den Psalmen. Nach dem Grundtext
revidierte Ueberfetzung. Frauenfeld, J. Huber,
1893. (IV, 494 u. 122 S. 8.) M. 2. — ; geb. in Halbldr.

M. 2. 40; in Ldr. m. Goldfehn. M. 5. —

Diefe Schweizerifche Bibelüberfetzung giebt fich als
eine Revifion der deutfehen Bibelüberfetzung, auf Ver-
anlaffung der Kirchenbehörden der deutfeh-evangelifchen
Schweiz von einer Commiffion in den Jahren 1877—92
hergeftellt. Sie behält, was fehr zu loben ift, den Luther'-
fchen Text in weiteftgehendem Mafse bei und weicht
nur da ab, wo der Ausdruck desfelben direct falfch,
ungenau, undeutlich oder ganz veraltet ift. Nicht immer
kann man diefe Abweichungen billigen, da manchmal
der Wortlaut Luther's frifcher, farbenreicher, kräftiger ift.
Aber es giebt auch viele Stellen, wo man ohne Schaden
hätte weiter gehen können mit der Aenderung. Luther's
Text würde ich z. B. vorziehen Mtth n12 I23;j. Abweichen
würde ich z. B. 2 Cor 3, : ftatt Klarheit — Glanz
oder Herrlichkeit, 4,6: ftatt verweit — aufgerieben wird.
Sehr Hörend wirkt die Wiedergabe der vielen dt durch
,aber', z. B. Mtth 25]__n. An unendlich vielen Stellen
kann man über die Exegefe ftreiten, aber dazu ift hier
nicht der Ort. Wichtiger ift die Frage nach dem zu
Grunde gelegten Text. Meines Erachtens ilt man hier
zu confervativ verfahren. Ich will ja nicht von Varianten
reden, die einen pofitiv andern Text bieten. Aber warum
die eckigen Klammern, die doch hier und da angewandt
find, nicht auch Mtth l62 f. Lc 24,2. 52 und an anderen
Stellen, wo die Sache unzweifelhaft ilt, liehen, begreife
ich nicht.

Marburg. J. Weifs.

Grass, Karl Konr., Das Verhalten zu Jesus nach den Forderungen
der .Herrnworte' der drei erften Evangelien.
Unterfucht und dargeftellt. Leipzig, Deichert Nachfi,
1895. (IV, 156 S. gr. 8.) M. 2. 50

Diefe Schrift erfchien während des Druckes der
meinigen über die ,Nachfolge Chrifti' und konnte daher