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Ausgabe:

1896

Spalte:

153-156

Titel/Untertitel:

The book of the secrets of Enoch 1896

Rezensent:

Bonwetsch, Gottlieb Nathanael

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Göttingen.

Erfcheint

Preis

alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 18 Mark,

N£= 6. 14. März 1896. 21. Jahrgang.

The book of the secrets of Enoch, translated
from the Slavonic by Morfill and edited
by Charles (Bonwetfch).

Das Neue Teftament nebft den Pfalmen, revidierte
Ueberfetzung (Joh. Weifs).

Grafs, Das Verhalten zu Jefus nach den Forderungen
der ,Herrnworte' der drei erden
Evangelien (Joh. Weifs).

Hort, Judaistic Christianity (Loofs).

Beiträge zur Gefchichte der Philofophie des

Mittelalters hrsg. von Baeumker I, 3—4,

II, I—2 (Siebeck).
Beiträge zur bayerifchen Kirchengefchichte hrsg.

von Kol de, I. Bd. (Kawerau).
Keller, Comenius und die Akademien der Natur-

philofophen des 17. Jahrhunderts (Knoke).
Harnack, Das Chriftentum und die Gefchichte

(Scholz).

Kaftan, Das Chriftenthum und die Philofophie
(Scholz).

Melzer, Der Beweis für das Dafein Gottes und
feine Perfönlichkeit (Ritfehl).

B o u g a u d, Chriftenthum und Gegenwart, deutfehe
Ausg., 3. Bd. Die Dogmen des Credo (Ritfehl).

Wilde, Die Gottes weit, Verfuch einer Dar-
ftellung der biblifchen Schöpfungs- und Naturlehre
im Grundrifs (Thieme).

bei der Erde noch bei einer andern Creatur, welche Gott
gemacht hat . . Wenn unter den Menfchen keine Wahrheit
ift, fo mögen fie fchwören mit dem Wort: Ja, ja,
oder Nein, nein', mit Mt 5, 34 fr. macht noch keine Abhängigkeit
von der letzteren Stelle nothwendig (vgl. Sir.
11, 19 mit Lc 12, 19), ebenfo wie Cap. 61, 2 ,in der grofsen
Ewigkeit . . find viele Wohnungen den Menfchen bereitet'
mit Joh. 14, 2. An fpäteren Interpolationen fehlt es
freilich nicht, wie denn die Bemerkung ,Ebenfo umfafst
der grofse Kreis 532 Jahre' den Cyklus vorausfetzt, der
auf Victorin von Aquitanien im 5. Jahrh. zurückgeht;
doch ift Charles geneigt, nur fehr geringfügige Interpolationen
anzunehmen. Ueberzeugend ift der Nachweis
des Herausgebers für die griechifche Sprache des Originals
aus der Erklärung des Namens Adam's Cap. 30, 13
durch die vier Himmelsgegenden und aus der Benutzung
der Septuaginta, des griechifchen Sirach und wohl auch
des Buches der Weisheit; auch der Name Gaidal I, 10,
welcher, wie Charles dort richtig bemerkt, aus der
Septuaginta flammt, beweift hierfür, Dagegen beruht
Charles'Annahme einer hebräifchen Urfchrift eines Theils
des Buches auf der noch unbewiefenen Vorausfetzung,
dafs die Teftamente der zwölf Patriarchen urfprünglich
hebräifch gefchrieben fein müfsten. — Die Beziehungen
zum ,äthiopifchen' Henochbuch find geringere, als man
erwarten dürfte. Von den Bilderreden findet fich im
.flavifchen' Henochbuche nichts, überhaupt nichts Meffia-
nifches. Am weiteften geht die Uebereinftimmung in den
Ausführungen naturwiffenfehaftlicher Art, wie fie Cap. 72 ff.
des ,äthiop.' Henochbuchs als aus dem ,Buch über den
Umlauf der Lichter des Himmels' gegeben find. Bleiben
aber auch hier die Darlegungen des ,flav.' Henochbuches
interefiant, fo noch mehr in dem, was dasfelbe über
das Paradies, die Engel, Phönixe und Chalkidren, über
die abgewichenen Geifter, über die Stätte Gottes erzählt,
was es über die Schöpfung der Welt und des Menfchen
berichtet u. f. w. Die Stellung des Buches in der apoka-
lyptifchen Literatur ift ebenfo beachtenswerth, wie die
Beziehungen zu gnoftifchen Anfchauungen, und nicht
zum Minderten dürften die fittlichen Vorfchriften die
Aufmerkfamkeit verdienen. Charles erinnert wiederholt
daran, wie hier die ältefte Urkunde für jene Annahme
von fiebentaufend Jahren des Weltbeftandes auf Grund
der fieben Schöpfungstage und für die Erwartung des
Millenniums vorliegt, welchem mit dem achten Jahrtaufend
die zeitlofe Ewigkeit folgen will. Im Zufammenhang mit
dem im Henochbuch gefchilderten Auffteigen in die fieben
Himmel fucht Charles einen Ueberblick über die ent-
fprechenden jüdifchen und altchriftlichen Vorftellungen
zu geben: auf die verlorene Baruchapokalypfe, welche
hierfür befonders in Betracht kommt (die Beziehung von

153 154

The book of the secrets of Enoch. Translated from the
Slavonic by Reader W. R. Morfill, M. A., and edited,
with introduetion, notes and indices by R.H.Charles,
M. A. Oxford, at the Clarendon Press, 1896. (XLVII,
100 S. gr. 8.) Geb. 7 s. 6 d.

Mit einer fehr werthvollen Gabe befchenken Charles-
Morfill die abendländifche Theologie. Haben fie diefer
doch durch ihre Veröffentlichung des ,Buches der Ge-
heimnifse Henoch's' eine Schrift zum erften Mal zugänglich
gemacht, deren Origenes gedenkt, und auf welche
die ,Teftamente der zwölf Patriarchen' Bezug nehmen.
Wenn nämlich Origenes de prineipiis I, 3, 2, nachdem er
Hermas Mand. 1 als Beleg für die Schöpfung der Welt
aus dem Nichtfein angeführt, bemerkt: Sed et in Enoch
libro Iiis similia describnntur, fo kann er damit nicht das
äthiopifch erhaltene Henochbuch im Auge haben, wo
fich nichts dergleichen findet, fondern nur dies jetzt von
Charles-Morfill aus einer altflavifchen Ueberfetzung herausgegebene
, in dem es Cap. 24, 2 (vgl. 47, 4) heifst: ,fo viel
ich gefchaffen aus dem Nichtfein und dem Unfichtbaren
das Sichtbare'. Die Worte im Testam. Dan. 5 twv
nveifidcctav riyc nXdvrtg. aveyvwv yag ev Sißlip 'Evioy tov
di Y.iäov, oti 6 ctgyiov vficZv (1. avxwv) soriv o Sazaväg
gehen auf Cap. 18," 3 des flavifchen Henochbuchs ,Dies
find die Gregoroi, welche abgefallen find von dem
heiligen Herrn mit ihrem FürftenSatanael' zurück; ebenfo
Testam. Xaplith. 4 ävtyviov iv ygagpfj ayla Eviby, oti xru
ye y.al viislg anooTiqoeotre etno yvglov, nogevotievoi %a%a
naoav novr^iav sitvwv y.al novqaete x«za rräoav avofiiav
Sodouotv. y.al inajiei vidv y.vgiog alyiialowlav . . . hoc av
ävaldiofj y.vgiog ndvrag viiäg, auf Cap. 34, 2. 3 des flav.
Henochbuchs: ,Sie haben angefangen eitle Götter anzubeten
und haben verlaffen meine Einzigkeit, und fie
haben die ganze Erde angefüllt (?) mit Ungerechtigkeiten
und Thaten des Unrechts und fchlimmer Unzucht fodomi-
tifch . . . Und deshalb führe ich die Sintflut auf die Erde
und bringe alle um und die ganze Erde wird . . zerftört
werden' (vgl. hierzu auch im Testam. Beni. 9). Durch
diefe unzweideutigen Hinweife auf das flavifch erhaltene
Henochbuch ergiebt fich die Berechtigung, auch bei den
Berührungen namentlich mit der apokalyptifchen Literatur
, die Abhängigkeit auf der Seite der letzteren zu
fuchen. Der jüdifche Charakter des Buches wird durch
Vorfchriften über zu bringende Opfer Cap. 45 und 59, 2
(,wenn fie darbringen zum Opfer und von reinen Thieren
und Vögeln') deutlich, nicht minder durch das Fehlen
von fpeeififeh chriftlichen Zügen. An Beziehungen zu
Neuteflamentlichem fehlt es natürlich nicht; aber felbft
fo Verwandtes wie Cap. 49, 1. 2 ,ich fchwöre nicht mit
einem einzigen Schwur, weder bei dem Himmel noch