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Ausgabe:

1896 Nr. 5

Spalte:

137-140

Autor/Hrsg.:

Servet, Mich.

Titel/Untertitel:

Servets‘s Wiederherstellung des Christentums. 2. u. 3. Bd 1896

Rezensent:

Kawerau, Gustav

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"37

Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 5.

13«

(lammen. Novatian ift der Verfaffer der Schrift, und fie
ift in der Anfangszeit der decianifchen Verfolgung vor
dem Märtyrertode des Bifchofs Fabian um 249/50 ge-
fchrieben. Der Beweis diefer Thefe wird geführt durch

ift unbeftritten; dagegen ift doch der Murr'fche Abdruck
nicht fo feiten als Spiefs meint; in gröfseren Bibliotheken
wird man ihn nach meinen Erfahrungen nur ausnahms-
weife nicht finden, wenn auch nur recht feiten in Privat-

die allgemeine Betrachtung, dafs auch andere Schriften | bibliotheken. Dafs gröfsere lat. Werke nur wenig Lefer
Novatian's unter die Werke Cyprian's gerathen find, dafs J finden, ift leider richtig — find doch Luther's lat. Schriften
die in der Schrift erwähnte Peft auch nach anderen ! weit weniger unter Theologen bekannt als feine deutfchen.
Angaben in Rom um 250 herrfchte, dafs die vom Ver- Dafs ferner Servet's Exegefe, weil in der Chriftologie vom
faffer gegebenen Bibel-u. Vergilcitate frappante Parallelen j Bann der Tradition fich löfend, häufig im Einzelnen un-
in den übrigen Werken Novatian's haben, überhaupt der befangener ift und mehr die gefchichtlichen Stufen der
Sprachgebrauch der Schrift der Novatian's ift, dafs auch ; Offenbarung beachtet, als die feiner Gegner, wird man
der Inhalt der Schrift mit dem, was wir über den Cha- zwar anerkennen, aber doch ift das rühmende Gefammt-
rakter Novatian's wiffen, zufammenftimmt. Nach 250 urtheil, das Sp. fällt, entfchieden eine Uebertreibung —
kann fie nicht verfafst fein, da fonft eine Erwähnung der ich glaube nicht, dafs von fleifsigerer Leetüre Servet's
Lapsi unumgänglich gewefen wäre. Im Excurs I find j unferer Exegefe ein fonderlicher Gewinn zufliefsen würde,
die Citate der römifchen Bibel in der Zeit von 250—60 Aber gewifs, das ift unbeftreitbar, dafs eine gute Ueber-
zufammengeftellt, in Excurs II werden Beiträge zur Ueber- fetzung ins Verftändnifs eines theilweife fo fchwer ver

lieferungsgefchichte der pfeudoeyprianifchen Schriften
gegeben. —

Die Beweisführung H.'s ift durchaus überzeugend, wenn
auch Einzelheiten wie z.B. die Beziehung der Stelle Sixtus
ad Novatianum c. 13 auf unfere Schrift und die Art, wie
H. den Schlufsfatz unferer Schrift mit der Anklage des

ftändlichen Autors wie Servet uns wirkfam einführen
könnte. Ift die Sp.'fche Ueberfetzung, deren 2. Band
(= p. 287—576 der Murr'fchen Ausg.) uns vorliegt, eine
folche? Er überfetzt im Ganzen fehr genau und wörtlich
— er hofft, auf diefe Weife einen Pirfatz für den
lat. Text zu bieten —; aber fo brauchbar feine Ueber-

Cornelius gegen N. zu verbinden fucht, nicht ficher ! fetzung auch in vielen Abfchnitten ift, fo zeigt fie doch
erfcheinen. Die Schrift de laude martyrii bietet in mancher
Beziehung, worauf H. hinweift, eine Ausbeute, fie be-
ftätigt dogmengefchichtlich die römifche Chriftologie, fie
zeigt uns, dafs auch N. wie Pelagius salus aeterna und
regmim caeleste unterfcheidet, endlich dafs feine eschato-
logifchen Vorftellungen durch Vergil ftark beeinflufst

auch Mängel in fprachlicher wie in theologifcher Beziehung
. In fprachlicher, infofern zunächft ihr der Charakter
möglichfter Wörtlichkeit oft ftörend anhaftet und
fie daher an Latinismen reich ift (z. B. im Gebrauch von
.derjenige, welcher' und ,derfelbe' oder in der Schwerfälligkeit
, mit der die lat. Participialconftructionen behan-

find. Kanonsgefchichtlich ift nicht unwichtig, dafs N. die delt werden) und fie nach der Schule fchmeckt (z. B. in
Sapientia Salomonis alspropheta bezeichnet, alfo in feinem [ der gewiffenhaften Wiedergabe des Vocat. mit ,0'). Sie
altteftamentlichen Kanon las, nicht wie der Muratorifche | wird in ihrer Wörtlichkeit undeutfeh und unverständlich,
römifche Fragmentift im neuen Teftament, wenn nicht j wenn fie z. B. II 73 Christi restitutio integra überfetzt:

auch bei letzterem an der bekannten Stelle ut ftatt et zu
lefen ift. Auch für die Gefchichte der Latinität ift es
nicht ohne Bedeutung, dafs N., obwohl in diefer Schrift
fein Stil befonders reich an Vergilismen ift, fchon im
Vulgärlatein fchreibt, in dem inercis für viercedis, termi-
num, paradisum für terminus, paradisus, resistere für re-
surgere fleht.

Durch vielfeitige Anregungen und Auffchlüffe find
die beiden Abhandlungen des wärmften Dankes derer,
die auf dem Gebiete der älteften Kirchen- und chriftlichen
Literaturgeschichte arbeiten, gewifs.

Heidelberg. Grützmacher.

Servet's. Mich., Wiederherstellung des Christentums. 2. u.

3. Bd. Wiesbaden, Ch. Limbarth. (gr. 8.) M. 6.20.

2. 3 Bücher über den Glauben und die Gerechtigkeit des Reiches
Chrifti, welche die Gerechtigkeit des Gefetzes übertrifft, und über
die Liebe. 4 Bücher über die Wiedergeburt von oben und über das
Reich des Widerchrift, zum erftenmal überfetzt von Dr. Bernh. Spiefs.
(X, 304 S.) 1895. M. 5. —• — 3. (Ergänzungsbd.) Serveti De mysterio
trinitatis et veterum diseiplina ad Philippum Melanchthonem et eius
collegas apologia, im Orig.-Text hrsg. von Dr. Bernh. Spiefs. (60 S.)
1896. M. 1. 20.

B. Spiefs, bekannt bereits als Ueberfetzer der Insti-
tutio Calvin's, rechtfertigt fein Unternehmen, das letzte
abfchliefsende Werk Servet's, Cliristiauismi Restitutio, ins
Deutfche zu übertragen, mit dem Hinweis auf die aufser-
ordentliche Seltenheit nicht allein des latein. Originals
von 1553, fondern auch des Murr'fchen Neudrucks von
1790 und weiter mit der Thatfache, dafs gröfsere latei

,Chrifti unverfehrte Wiederherftellung', ohne zu bedenken,
dafs von der völligen Wiederherftellung die Rede ift,
die Chriftus derMenfchenwelt bringt. Sie verkennt mehrfach
den biblifch-kii ertlichen Sprachgebrauch, z. B. wenn
fie ministcria (II 74) mit ,Aemter' wiedergiebt, wo ,Dien-
fte' ,Functionen' gemeint find (predigen, taufen, Abendmahl
austheilen) oder wenn ,Christus propitiatur nobis'
(II 61) heifsen foll: .Chriftus wird uns verföhnt' ftatt: ,er
ift uns gnädig'. Es verwirrt den Ueberfetzer mitunter
die nur der Hervorhebung beltimmter Worte dienende
Kommatafetzung in Drucken des 16. Jhrhs. Daher überfetzt
und betont er II 75: Parvulis, non baptizatis, data
est a Christo benedictio: ,Den Kindlein, nicht den Getauften,
ift von Chriftus der Segen gegeben worden', während
Servet meint: ,Ungetauften Kindlein ift v. Chr. d. S.
g. w.' Er verkennt, dafs S. litiavnCiv mit resipiscere
wiedergiebt und überfetzt: .werdet verftändig'. Damit
berühre ich ein Zweites: der Ueberfetzer zeigt fich theo-
logifch feiner Aufgabe nicht durchweg gewachfen. Er
verfteht z. B. II 73 nicht, was S. meint, wenn er fagt,
Chriftus habe alle typos legis erfüllt, denn er überfetzt
,alle Grundzüge des Gefetzes'. Er erkennt nicht, dafs
Servet II 58 aus Hebr. 11, 1 argumentirt und tltyyoc
01 ßKinofiiviav mit index non apparentium wiedergiebt; der
Druckfehlerteufel hat bei Murr aus index einen iudex
gemacht, und fo überfetzt Sp.: der Apoftel nenne den
Glauben ,den Richter deffen, was nicht am Tage liegt'.
Ebenfo überhebt er II 59, dafs in der Wiedergabe von
Eph. 3, 19 tijv vnegßäklotaav zjje ynoosiog ayiarnv mit
illam omniscientiae [fo Murr] praeeminentem dilectionem
offenbar ,omni scientiae' getrennt gelefen werden mufs;
er überfetzt: .jene das All wiffen überragende Liebe'.

nifche theolog. Werke bekanntermafsen nur von den ; Auf derfelben Seite bringt ihn das Citat aus 1 Clem. 49
Wenigften noch gelefen würden; Servet aber verdiene beffer 1 zum Straucheln: in charitate consummati sunt omnes electt;

bekannt zu fein, denn, obgleich gnoftifcher Schwärmer,
überrage er doch fchon als Exeget an Belcfenheit wie an
Tiefe die Mehrzahl der Commentare der Gegenwart. Auch
habe eine gute Ueberfetzung den Werth eines Commen

was mag da wohl Subject fein, consummati oder elcctii
Konnte er's dem Lateinifchen nicht abfühlen, fo hätte er
nur nachzuschlagen brauchen: sv rij äyänij icelEidiD-i^av
7cdrieg öl exAexTo/l Er aber überfetzt: ,die in der Liebe

tars. Die Seltenheit und Unzugänglichkeit der ed. princ. ; vollendet find, find alle erwählet'. Wie leicht liefsen fich