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Ausgabe:

1896

Spalte:

135-137

Autor/Hrsg.:

Harnack, Adolf

Titel/Untertitel:

Das Edict des Antoninus Pius. Eine bisher nicht erkannte Schrift Novatian‘s vom Jahre 249/50 1896

Rezensent:

Grützmacher, Georg

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denn in Wahrheit fiel die Tempelweihe (165) vor den
Tod des Antiochus (164). Diefe Ausheilungen Tollen
aber die Anerkennung des Scharffinns und der guten
Methode, die der Verf. vielfach bewährt, nicht hemmen.
Auch an Selbftändigkeit des Urtheils fehlt es ihm nicht.
Nur in der Frage nach der Einheitlichkeit der Conception
unferes Buches hat er fich mehr wie gut ift von der
Meinung Cornill's beftimmen laffen, die fich zwar fehr
gut aus dem Gegenfatze gegen die von Meinhold beliebte
Zerlegung des Danielbuches in zeitlich verfchiedene
Theile erklärt, aber doch eben fo wie diefe über das
Ziel hinausfchiefst.

Jena. B. Baentfch.

Harnack, Adf., Das Edict des Antoninus Pius. — Eine bisher
nicht erkannte Schrift Novatian's vom Jahre 249 50

[.Cyprian', de laude martyrii]. [Texte u. Unterfuch-
ungen zur Gefchichte der altchriftl. Literatur, hrsg.
von O. v. Gebhardt u. A. Harnack, 13. Bd., 4. Hft.]
Leipzig, Hinrichs, 1895 (64 u. 58 S. gr. 8.) M. 4. —

In der erden Abhandlung unterfucht H. zunächd
den Text des Edicts jiqoq zb xotvbv x7jg Aoiaq. Höch-
dens zwei felbdändige Zeugen für den Text können
in Betracht kommen a) Luf. h. e. IV, 13 ff., aus dem
Rufin, das Chronicon paschale, Zonaras und Nicephorus
Callidi gefchöpft haben, b) der Judin-Codex Paris.
Gr. 450, der das Edict hinter der Apologia maior
des Judin und vor dem Brief des M. Aurel über das
Regenwunder enthält. Die Textrecenfion B id nach H.
aus A genoffen, alle Abweichungen in B find theils ten-
denziöfe chridliche Interpolationen und Correcturen, theils
Varianten, wie fie lieh in einem verwahrloden Text bei
längerer Ueberlieferung eindellen. Der 2. Abfchnitt, ein
Commentar des Edicts, fuhrt zu dem Refultat, dafs es in der
älteden Textgedalt bei Eufebius mit Ausnahme von 2
Interpolationen und einem überarbeiteten Satz, Veränderungen
, die auf einen Chriden zurückgehen, den Eindruck
eines echten kaiferlichen Refcripts mache. Es id
die Antwort eines Kaifers auf die Petition des xoivov
zrjq Aoiaq, der Körperfchaft, die befonders den Staats-
cultus und mit ihm die Loyalität zu pfiegen hatte. Der
religiöfe Fanatismus der Heiden, der durch die häufigen
Erdbeben, die man als Strafe der von den Atheiden beleidigten
Götter deutet, geweckt id, fordert drenge Be-
drafung der Chriden. Der Kaifer lehnt dies ab unter
dem Hinweis auf die Götter, die fich felbd rächen
könnten, und auf die Folgen, die ein folches Vorgehen
für die Chriden hätte, indem diefe nur durch Anklagen
in ihrer Gefinnung gedärkt und zum Märtyrerthum ermuntert
würden. Er verbietet die Sacralproceffe gegen
die Chriden und droht dem Delator eines Chriden Be-
drafung. Im 3. Abfchnitt wird unter befonderer Berück-
fichtigung der Mommfen'fchen Aufdellungen (Hid. Z.
1890 S. 389 ff.) eine fehr werthvolle, alle einfehlägigen
Quellen bis M. Aurel berückfichtigende Erörterung über
die Stellung der römifchen Kaifer zu den Chriden und
die rechtliche Lage der letzteren im römifchen Reich gegeben
. Durch diefe allgemeinen Betrachtungen über die
kaiferliche Politik foll die in dem Edict vorliegende kai-
ferliche Entfcheidung, dafs der Criminalprocefs gegen
die Chriden als Atheiden den erregten Provincialen verbotenwird
, während die polizeiliche Coercition der Magistrate
unberührt bleibt, als möglich, und das Edict als
echt erwiefen werden. Zum Schlufs wird die Frage nach
dem Verfaffer zu beantworten gefucht. Eufebius nennt
M. Aurel, B Antoninus Pius als Verfaffer. H. hält letzteren
für den Verfaffer, die Ueberfchrift bei B geht aber
nach H. nicht auf richtigere Ueberlieferung, fondern auf
eine durch Eufebius nahe gelegte Correctur zurück. In
Epimetrum weid H. darauf hin, dafs gerade in Affen,
dem Lande, in dem die ürganifation des heidnifchen

I xoivöv die ausgebildede und die Stellung des Provincial-
I Oberprieders die entwickeltde war, auch die Verfaffung
der chridlichen Kirche fich am frühden und allfeitigden
vielleicht nicht ohne Beziehung zur heidnifchen Organi-
fation entwickelt hat. —

Der Nachweis H.'s, dafs die Textrecenfion des Edicts
bei Eufebius die bede, bei B eine chridlich überarbeitete
id, erfcheint abfolut ficher. Dafs aber B aus Eufebius
feinen Text hat, kann man bezweifeln. In einem Falle
id auch nach H. der Text von B der urfprünglichere,
der xoiovxovq für XQiOxua'ovq lied. H. erklärt dies damit,
dafs er X. eine früh in den Text des Eufebius gekommene
Gloffe fein läfst. Aber dagegen fpricht, dafs nicht nur Rufin,
fondern auch der Syrer und Armenier diefe Lesart haben.
Die Herubcrnahme des Edicts in den Judincodex macht H.
damit wahrfcheinlich, dafs der Schreiber des Codex auch
die griechifche Ueberfetzung des Hadrianrefcripts der
Kirchengefchichte des Eufebius entlehnt hat. Merkwürdig
bleibt es aber, dafs er, der nach H. S. 10 fo zahlreiche
Aenderungen an dem Text der Apologien Judin's
vornahm, diefe nicht auch in Anlehnung an die Judin-
citate bei Eufebius machte. Die wahrfcheinlichere Annahme
id doch wohl, dafs beiden Textrecenfionen ein
Archetypus zu Grunde liegt, der bei Eufebius beffer als
bei B erhalten id. Dann müfste man aber auch an der
Ueberfchrift des M. Aurel als Verfaffers fedhalten. Der
fcharffinnige Nachweis der Echtheit des Ifdicts durch
H. hat nicht alle Bedenken zerdreuen können. Gewiffe
Sätze müflen abgefehen von der Unficherheit der Ueberfchrift
als Interpolationen ausgefchieden werden. Vielleicht
id es doch nur eine Fälfchung eines gefchickten
chridlichen Falfarius, der nach Vorlagen wie z. B. das
Hadrian-Refcript arbeitete. Dafs der Fälfcher den Ton
fo gut getroffen hat, erklärt fich daraus, dafs er noch
im zweiten Jahrhundert gefchrieben hat. Denn auf unfer
Refcript bezieht fich wohl, was H. nicht in Erwägung
gezogen hat, die Stelle Tertullian Apol. 5: M. Aurelius
sicut non palam ab eiusmodi hominibus poenam dimovit,
ita alio modo palam dispersit, adiecta etiam accusatoribus
datnnatione et quidem tetriore. Id hier unfer Refcript
gemeint, fo id die Ueberfchrift des Eufebius, die M.
Aurel als Verfaffer nennt, urfprünglich, wichtig id auch,
dafs Tertullian kein Edict des Antoninus Pius kennt.
Für die frühe Fälfchung kaiferlicher Edicte id aber Tertullian
Apol. S ebenfalls ein Zeuge, indem er von einem
ficher gefälfehten Edict des Tiberius gegen die Ankläger
der Chriden redet. Die Ausführungen H.'s über die kaiferliche
Politik feit Hadrian, die den Criminalprocefs
gegen die Chriden zurückzudrängen drebte, fcheinen m.
E. durchaus einleuchtend und die älteren Anfchauungen
berichtigend, wenngleich fie fich bei der Spärlichkeit
des Quellenmaterials im Einzelnen nicht belegen laffen,
zumal da die Märtyreracten in diefer Beziehung noch
einer eingehenden Unterfuchung bedürfen.

In der 2. Abhandlung wird die Ueberlieferung der
pfeudoeyprianifchen Schrift de laude martyrii unterfucht.
Das Refultat id, dafs die Schrift wahrfcheinlich nicht dem
Cyprian angehört, fondern wie die übrigen pfeudoeyprianifchen
Schriften adversus aleatores, de rebaptismate, de
montibus Sina et Sion, de pascha computus und die dem
Novatian angehörigen Schriften de spectaculis, de bo/10
pudicitiae, quod idola dii non sint römifchen Urfprungs
id. Die Schrift id der F'orm nach eine Predigt über das
Martyrium, fie richtet fich an die Märtyrer, die im Ge-
fängnifs fchmachten und in der nächden Zeit den Rich-
terfpruch erwarten; ihr Inhalt id eine weitfehweifige Verherrlichung
des Martyrium, an dem der Verfaffer keinen
Antheil zu haben aufs lebhaftede bedauert. Es find in
ihr benutzt die heilige Schrift, die nach einer von Cyprian
abweichenden lateinifchen Bibelüberfetzung citirt
wird, daneben vor allen die Petrusapocalypfe und Ver-
gil's Georgica und Aeneis, aus der auch gröfstentheils
feine Schilderungen der Gehenna nnd des Paradiefes