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Ausgabe:

1896 Nr. 5

Spalte:

132-135

Autor/Hrsg.:

Gall, August Freiherr von

Titel/Untertitel:

Die Einheitlichkeit des Buches Daniel 1896

Rezensent:

Baentsch, Bruno

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131 Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 5. 132

Grunwald, M., Die Eigennamen des Alten Testamentes in

ihrer Bedeutung für die Kenntnis des hebräifchen
Volksglaubens. Breslau, Koebner, 1895. (77 S. gr. 8.)

M. 2. 50

Ein ungemein reichhaltiger Stoff ift hier auf wenige
Seiten zufammengedrängt, namentlich in den umfangreichen
Anmerkungen, aber in höchft unerquicklicher
Form. Die Arbeit gliedert fich in folgende Abfchnitte:
,Behandlung und Verwerthung der hebr. Eigennamen;
Allgemein-Religionsgefchichtliches; die Anfänge der femi-
tifchen Gottesdienfte; Dämonismus bei den Hebräern;
Naturcult, Fetifchismus; Ahnencult; Totemismus; Darftellungen
der Gottheit; Einrichtungen und Bräuche des
Cultus; die Urväter; die Gottesdienfte der einzelnen
Stämme'. Zwei fehr unklare Tafeln follen den religiöfen
Zufammenhang der hebräifchen Stämme unter einander
und das genealogifche Verhältnifs der hebräifchen Stämme
und Familien zu einander verdeutlichen. Einige Proben.
Allgemein-Religionsgefchichtliches S. 15: ,Die ungeftümen
Triebe der eigenen Seele, das Erwachen der Leidenfchaft,
die Furcht vor dem Tode, unverhoffte Rettung aus
grofser Gefahr, das find im grofsen Ganzen die Motive
zur Religion'.

Anfänge der femitifchen Gottesdienfte S. 19: ,Die
Nordaraber find in alter Zeit wenig über den animiftifchen
Polydämonismus hinausgekommen. Der Fetifchismus hat
fich bei ihnen fowohl als Geftirnverehrung, als auch in
einzelnen Stammesreligionen fpecialifirt'.

Dämonismus bei den Hebräern S. 26. Als hieher gehörige
Eigennamen find, nach Analogie des arabifchen
jin/i, des hebräifchen Db2 = DbtJ, TlBX u. ä. zu nennen:

tjib, inn:, -nno, 'nno, rb% nnn, yb* xambx u. a. Naturcult
S. 29: ,nach dem Donner (heifst:) fPblp, vgl.
Boavegyjg (fo!) = OJ1 iJS [cogu., von Chriftus den Söhnen
des Zebedäus beigelegt Marc. 3, 17) und rfö3>"i, eine
Stadt der Kufchiten [mihi. u. assyr.)'. ,Von einem Fatalismus
findet fich bei den Hebräern keine Spur. Die
Geftirne wandeln nicht unentwegbar ihr Geleife; fie
kämpfen mit ihrem Schützling gegen den Feind, aus
ihren Bahnen treten fie, ihren Lauf unterbrechen fie auf
des Menfchen Wunfeh. Der hebräifche Aftralcult ift
alfo(!) nichts weiter als einfacher Fetifchismus'. Ahnencult
S. 44. Das 3X u. f. w. in den nom. propr. comp, ift
allein aus dem Ahnencult als ,Vater' zu erklären . . . .
So findet fich IS in Beziehung zum Dämonenglauben
in den nom. propr.: b^VOK, JiabyOX (= bX-QX) etc. Auf
Naturcult deuten hin: "COS, DTOX etc. Auf Verbindung
mit der Stammheroenverehrung fcheint "jTOX hinzuweifen.

Die Urväter S.67: ,Der Name Rüben fcheint auf die
mefopotamifche Herkunft des mit ihm fich bezeichnenden
Stammes hinzudeuten. Seine Schreibung bei Jofephus,
beim Syrer und Araber läfst feine Identität mit bsiyi
oder biiXT vermuthen und diefes erinnert an den Prjye-
ßrKov im affyrifchen Regentenkanon des Ptolemäus (KAT2
490, i. Jahre 693 a), welcher in bab.-affyr. Schreibung als
Ri'u-Bi 1 erfcheint'.

Diefe Proben genügen, um die Mifchung von Gelehr-
famkeit und Unfinn zu zeigen, welche diefe Arbeit charak-
terifirt. Hätte fich der Verf. befchränkt, aus der von
ihm durchgearbeiteten Literatur Parallelen zu den bibli-
fchen Namen zufammenzutragen, hätte er eine fehr nützliche
Vorarbeit gefchaffen; fo aber ift es fehr fchwer,
die Spreu von dem Weizen zu fondern. Die Correctur ilt
nicht pünktlich; beifpielsweife ift S. 33' aus Layard
Lagarde, aus diefem S. 38 Largarde geworden.

Ulm. E. Neftle.

Minocchi, Sac. Dr. Salvatore, I Salmi tradotti dal testo
ebraico comparatto colle antiche versioni con intro-
duzione e note. Firenze, Tipografia Minort Corrigendi

(Umfchlagstitel: Bernardo Seeber libraio-editore),
1895. (C, 447 S. 8.) L. 4. —

Enrico Gismondi, Profeffor der h. Schrift und der
femitifchen Sprachen an der päpftlichen Universita Gre-
goriana erklärt nach aufmerkfamer Lefung diefes Buches,

I dafs es fich durch sicurezza della dottrina und copia dt
opportuna erudizione auszeichne, daher denen fehr nützlich
fein könne, welche die im Literalfinn des göttlichen Buchs
der Pfalmen enthaltenen stiblimi concetti e soavi sentimenti
geniefsen wollen. Demnach hat der Erzbifchof von Flo-

! renz das Imprimatur ertheilt. Auch der Cardinal-Vicar
Lucido Maria Parocchi meint in einem Schreiben an den
Herausgeber, es könne dienen facendo gustare tiel suo
dolce idioma, all' Italia, le caste dclizie dei libri santt, che
altri sovente interpreta, massimc nelle lingue settentrionali,
a profitto della licenza ribelle alla fedc.

Das Buch ift ein fehr wohlmeinender Verfuch, die
von Leo XIII. empfohlenen biblifchen Studien bei Laien
und Geiftlichen zu fördern. Die Einleitung enthält in
der That, wie Gismondi erklärt, allerlei nützliche Kennt-
nifse, giebt z. B. im Anhang zur Vergleichung eine
Ueberfetzung von 5 babylonifchen u. 5 ägyptifchen religiöfen
Gelängen, ebenfo eine Probe aus dem Diwan des

I Rabbi Juda Levita, auch den 151. Pfalm: Piccolo io era
in tra i mei frate Iii, handelt von der hebräifchen Poefie
überhaupt, von den Pfalmen im befonderen: Entftehung,
Zweck, Alter, Inhalt, Infpiration der Pfalmen (puramente
profelict, tipicamente messiauici), Text, Ueberfetzungen:
alles wie hergebracht. Hergebracht find auch beifpielsweife
die Angaben über das Vorkommen von Jahve und
Elohim im Pfalter. Im erften Pfalmbuch follen 272
Jahwe gegen 15 Elohim fich finden u. f. w. Seit jetzt
50 Jahren werden diefe Zahlen Franz Delitzfch nach-
gefchrieben und niemand, wenigftens unter den mir bekannten
deutfehen Theologen, fcheint fich die kleine
Mühe genommen zu haben, die Zahlen feiner Symbolae
von 1846 zu controlliren. Für eine Vorlefung über die
Pfalmen habe ich vor Jahren für das erfte und zweite
Buch die Probe gemacht und gleich die erfte Zahl falfch
gefunden. Delitzfch hat die Ueberfchriften von Pf. 7, 18
u. 36, ebenfo die Unterfchrift von xp 41 (abfichtlich) nicht
berückfichtigt (+ 6); in ifx 33 zählt er (aus Verfehen)
12 ftatt 13 (— 1), in tp 30 dafür 10 ftatt 9 (+ I, f. Bär
zu 30,9b); es find alfo 278, genau fo viel wie fchon Le
Fevre d'Etaples 1509 auf dem Rand feines Psalterium
quineuplex vermerkte. Doch dies nur gelegentlich. Zu
unferm Autor zurückkehrend wird zu fagen fein, dafs die
proteftantifch-wiffenfehaftliche Forfchung fein Buch ohne
Sciiaden unberückfichtigt laffen kann; für andere Zwecke
mag es förderlich fein; gute Abficht und tüchtige Kennt-
nifse verleugnen fich nicht. — Damit durch die auf dem
Titel betonte Vergleichung der alten Verfionen niemand
einen italienifchen Reinke oder gar Bachmann in dem
Buch erwarte, fei bemerkt, dafs die Verfionen nur fehr
gelegentlich beigezogen werden, im ganzen Buch keine
orientalifche oder auch nur griechifche Type fich findet.

Ulm. E. Neftle.

Gall. Lic.Aug.Frhr. v., Die Einheitlichkeit des Buches Daniel.

Eine Unterfuchung. Giefsen, Ricker, 1895. (126 S.
gr. 8.) M. 3. 60

Wie fehr im Laufe der Jahre fcheinbar unerfchütter-
lich feftftehende wiflenfehaftfiche Ueberzeugungen in ihr
Gegentheil umfchlagen können, läfst fich befonders deutlich
an der Literatur über das Danielbuch demonftriren.
Während noch vor wenigen Jahrzehnten der compilato-
rifche Charakter diefes Buches als eine ausgemachte
Sache feftftand, fcheint heute allgemein der Eindruck
zu überwiegen, dafs im Danielbuche eine organifche Einheit
vorliegt. So fagt z. B. Cornill in feiner für weite
Kreife mafsgebend gewordenen Einleitung S. 262, dafs