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Ausgabe:

1896

Spalte:

105-108

Autor/Hrsg.:

Müller, Ernst

Titel/Untertitel:

Geschichte der Bernischen Täufer. Nach den Urkunden dargestellt 1896

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 4. 106

hochwiffenfchaftliche Ruhe und Gelaffenheit des Gegners Diefe Fäden laffen fich in ihrer Kraft und Bedeutung
mufste gerade dies wirken, zumal es bei Künftle an faft i erft würdigen, wenn man die Gefchichte des Täuferthums
unmerklich zwifcheneingeftreuten fehr böfen Bemerkungen J in den betreffenden Gebieten actenmäfsig genau dar-
nicht fehlt. Führer's Entgegnung könnte man vielleicht geftellt erhält.

noch das zum Vorwurf machen, dafs fie, des Gegners Vieles ift in diefer Richtung feit der kräftigen An-

Pofitionen vereinzelnd, dem Lefer kein völlig deutliches j regung durch Cornelius gefchehen. Für die Schweiz hat
Bild von dem Gange der Beweisführung giebt; ein kurzes | befonders Em. Egli mit feinen Studien über die Züricher
Inhaltsreferat zu Anfang hätte das geleiftet; — aber und St. Gallener Täufer Tüchtiges geleiftet. Jetzt giebt
Führer fchreibt ja für folche, welche Künftle's Schrift ge- i Müller die Gefchichte der Täufer des Cantons Bern und
lefen haben und welchen er zur Aufdeckung all ihrer | zwar bis zur Gegenwart herab. Der eherne Fleifs und
Trugfchlüffe und zu einer richtigeren Würdigung feiner | die liebevolle Hingabe an den doch oft fehr fpröden
eigenen erften Schrift verhelfen will. Auf diefer wird ■ Stoff ift durchaus anzuerkennen. Es ift erftaunlich, wie
auch fernerhin der Nachdruck liegen bleiben, da die neue Vieles Müller, freilich im Verhältnifs weniger für die
Streitfchrift wefentlich neue Gefichtspunkte zur Beur- J erften Jahrzehnte der Reformation, als für das fiebzehnte
theilung des ganzen Problems kaum beibringt. Führer I und achtzehnte Jahrhundert aus den Acten erhoben hat.
behält in der Sache wohl völlig Recht. i Man fpürt auch überall den wohlmeinenden Sinn des

Das erfreulichfte ift die Ankündigung einer neuen ! Verf.'s durch, aber doch ift fein Buch nicht befriedigend.
Publication, welche über das complicirte Verhältnifs der j Es lieft fich fchwer. Der Verf. fcheint das auch felbft
Texte neue Auffchlüffe geben foll, eine fehr dankens- j gefühlt zu haben. Denn er fagt im Vorwort: ,Dafs dies
werthe Arbeit, die wir mit Freuden begrüfsen werden, j (die Darfteilung der Gefchichte des Berner Anabaptismus)
Ref. kann fich aber nicht verfagen, hierzu noch einem ! viel beffer durch einen Fachmann gefchehen wäre, braucht
Wunfche Ausdruck zu geben, der auch einem Gedanken j nicht befonders hervorgehoben zu werden'. Etwas fach-
Künftle's fein Recht widerfahren laffen möchte. Die ein- | männifche Schulung wäre ihm und feinem Buch aller-
zelnen Paffionserzählungen find uns zumeift nicht ifolirt, | dings fehr zu gute gekommen. Schon die Anordnung
fondern als Beftandtheile gröfserer Sammlungen über- J des Stoffes ift eine fehr zweifelhafte, man bekommt eine
liefert. So gewifs nun — ähnlich wie bei den neutefta- | ziemlich lofe Aneinanderreihung von Einzelbildern. Es

mentlichen Schriften — die einzelnen Beftandtheile fehr
verfchiedenen Werth in Hinficht des Textes wie der
hiftorifchen Bedeutung haben können, fo wünfchenswerth
wird es doch fein, dafs neben und vielleicht auch fchon

ift nicht einzuteilen, warum er z. B. das unglückliche Ca-
pitel 4 ,die altevangelifchen Gemeinden' nicht unmittelbar
an die allgemeine Ueberficht anfchlofs, und Cap. 20
die ,Täuferjäger', mitten zwifchen Capitel, die in andere

vor der Einzelunterfuchung eine Prüfung jener Paffions- i Zufammenhänge gehören, Hellte, während es fich doch
complexe hergeht. Freilich geht Künftle bei diefer nur um eine Polizeimafsregel der Berner Regierung
Methode fehr unkritifch zu Werke, indem er von ganz handelte, die fich leicht in Capitel 9 ,Mandate und Ververeinzelten
Fehlern einer einzigen Handfchrift gleich j Ordnungen', unterbringen liefs. Wie manches Capitel
mit apodiktifcher Sicherheit auf fo und fo viele ver- | führt weit über die Zeit zurück, in welche das voran-
fchiedenartige Vorlagen fchliefst und für jede derfelben gehende geführt hatte. Der Aufbau des Ganzen ift fo-

ein Jahrhundert mindeftens in Anfpruch nehmend im
Handumdrehen von dem 9. zu dem 4. Jahrb. zurückkommt
. Mögen andere dadurch fich nicht abfchrecken

mit verunglückt, der Pragmatismus der Darfteilung dürftig,
was bei dem reichen Inhalt des Buches zu beklagen ift.
Von vornherein hat fich der Verf. zu wenig Rechen-

laffen, einer fo discreditirten Methode zu folgen. Mit ; fchaft über die Art der Verwerthung feines werthvollen
vorfichtiger Kritik auf eine gröfsere Menge von Material | Materials gegeben. Statt das Actenmaterial und die fortangewendet
, kann diefelbe der hagiographifchen Forfchung
ficherlich noch fehr gute Dienfte leiften.
Jena. von Dobfchütz.

Müller, Pfr. Ernft, Geschichte der Bernischen Täufer. Nach
den Urkunden dargeftellt. Frauenfeld, Huber, 1S95.
(VII, 411 S. gr. 8.) M. 5. 60

Referent hat die Gefchichte der Bernifchen Täufer
mit Freuden begrüfst. Hat er doch auf feiner früheren
Pfarrei in Franken 19 Jahre lang Gelegenheit gehabt,
die Hillen, fleifsigen, friedlichen Mennoniten, unter ihnen
Familien, deren Urfprung aus dem Canton Bern Müller
nachweift, wie die Bär, Bühler, Schmutz, fchätzen zu
lernen, und ift auch in feinen Studien über ,Die Täuferbewegung
in der Herrfchaft Hohenberg' (Blätter für
württembergifche Kirchengefchichte 1889, Nr. 10—1892,
Nr. 11) dem Täuferthum der Reformationszeit nahegetreten
und darf auf die Müller unbekannt gebliebenen j gimpern, Ebingen = Eppingen, Krätzingen = Grötzingen,

laufende Darftellung, die glatt dahinfliefsen konnte, wie
bei Egli, reinlich aus einander zu halten, mengt er fie
durch einander. Eine fcharfe Scheidung hätte das Buch
viel lesbarer gemacht. Ebenfo wäre es dem Verf. fehr
zu wünfchen gewefen, wenn ihm einer der Fachmänner,
die ihm mit ihrem Rath zur Seite geftanden, über die
Art der Wiedergabe der Acten Anweifung gegeben.
Es heifst doch die Geduld der Lefer ftark in Anfpruch
nehmen, wenn die langathmigen Gutachten, Mandate und
Verordnungen des 16. und 17. Jahrh. in der vom Verf.
gewählten Ausdehnung mitgetheilt werden, z. B. S. 145
— 156, 168—179, 217 ff. Und was foll vollends die bar-
barifche Schreibweife jener Zeit in Wortformen und Namen
z. B. ,confentierind oder discrepirind' ftatt confentiren,
discrepiren S. 181 mitten in einem hochdeutfchen Satz,
S. 191 ,Wäber-Anti', S. 197 ,Rappersweyer', S. 204 ,Rafp-
wier' = Rappertsweiler, S. 204, 205 Darmftein, Dörmftein
ftatt Dirmftein, 209 ff. all die bis zur Unkenntlichkeit ent-
ftellten Ortsnamen der Pfalz, Unter Gampfer = Unter-

„:_----T?l_:___ TT •_____ TT" ... . 1 ^ ... .

Lebens- und Charakterbilder von Reiblin und Sattler
(Ebd. 1889, Nr. 10, 11, 12. 1890, i, 2. 1891, Nr.9.10, II, 12.
1892, 1, 2.), wie auf die kleine Schrift ,Das Blutgericht in
Rottenburg a. Neckar' (Barmen, H. Klein) verweilen.
Weiterhin hat Ref. das Material für eine Gefchichte der

abgefehen von Druckfehlern wie Wersloch für Wiesloch,
Logefeld für Lobenfeld.)? Offenbar war der Stoff für
den Verf. zu maffig, dafs er ihn nicht ganz beherrfchen
konnte.

Leider hat fich der Verf. feine Aufgabe noch er-

Tkufer in Württemberg bis zum Anfang des dreifsig- j fchwert, indem er über das Wefen des Anabaptismus

jährigen Krieges gefammelt. Bei diefen Studien ift ihm fich keine klare Rechenfchaft gab, fondern völlig dem

immer wieder entgegengetreten, dafs für jedes einzelne Zauber der kühnen Hypothefen L.Kellers von ,altevan-

Gebiet erft eine Monographie über die Täufer zu fchaffen gelifchen Gemeinden' erlag. Ref. ift der Letzte, der den

ift, ehe eine Gefammtdarftellung möglich ift. Denn z. B. Eifer und die Verdienfte des wackeren Staatsarchivars

in Württemberg finden fich Verbindungen der Täufer mit | in Münfter um die Gefchichte der Täufer verkennt. Aber

der Schweiz, Mähren, Baiern, der Pfalz, Strafsburg u. f. w. I bei felbftändiger Nachprüfung hat fich ihm ergeben, dafs