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Ausgabe:

1896

Spalte:

104-105

Autor/Hrsg.:

Führer, Josef

Titel/Untertitel:

Zur Felicitas-Frage 1896

Rezensent:

Dobschütz, Ernst

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Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 4.

104

Laurent. U3 (L) s. XI. und der Abfchrift desfelben, Par.
S. Gr. 250 s. XVI., ift keine neue Hf. hinzugekommen;
vielleicht vertreten aber, was eine fpecielle Unterfuchung
nachweifen mufs, die Excerpten-Hff. eine felbftändige
Ueberlieferung. Verf. führt hier zuerft eine Gruppe von
4 Hff. auf: Ottobon. 98 (bisher noch unbekannt), Neap.
IIAA 14 (vgl. oben), Ottobon. 94 (vgl. oben) und Monac. 479
(identifch mit dem früher verloren geglaubten Cod. August.,
woraus Höfchel Varianten an Sylburg mittheilte), die
nah verwandt und vielleicht auf einen gemeinfamen
Archetypus zurückzuführen find. Diefe 4 Hff. enthalten
(allerdings nicht mehr in der urfprünglichen Ordnung)
aufser den Fragmenten aus den Stromata auch Frgm. aus
Pädagog. I II, aus den Excerpta ex Theodoto und den
Eclogae proph. Unbedeutend find die Excerpte in den
Codd. E/orent. Conv. Suppr. 164 und Appendix V Redi 130, 15
und Ambros. H. 22 Sup. s. XIV., werthlos die von Victorius
herrührenden Excerpte im Cod. Mon. 235; den Excerpten
des Bifchofs Arfenius von Monembalia (f 1535) liegt
wahrfcheinlich L zu Grunde. Eine Hauptaufgabe des
künftigen Herausgebers des Clemens befteht in der ge-
naueften Unterfuchung aller Excerpten-Hff.; denn gehen
diefe auf einen von L unabhängigen Archetypus (der
nach dem Verf. vielleicht die Schriften des Clemens
vereinigt enthalten hat) zurück, fo ift aus der Vergleichung
mit L reicher Gewinn für den Text zu hoffen.

Der II. Theil der .Beiträge' ift der Textüberlieferung
der Homilie ,Quis dives salvus' gewidmet. Diefe ift bekanntlich
zuerft von M. Ghisler (warum fchreibt der Verf.
confequent Ghisleri?) aus dem Cod. Vat. 623 s. XV. zugleich
mit den Homilien des Origenes zu Jerem , mit
denen fie in der Hf. verbunden ift, 1623 herausgegeben
worden. Alle fpäteren Ausgaben ruhen auf der editio
princeps. Der Verf. hat nun nicht nur durch eine neue
Collation des Vat. 623 conftatirt, dafs Ghisler fehr flüchtig
und fehlerhaft gearbeitet hat, fondern auch den Archetypus
des Vat. 623 in der Eskurial-Hf. £2-III-g s. XI.
entdeckt. Auf Grund diefer Hf. wird Herr Barnard die
Homilie in Robinfon's Texts and Studies herausgeben.
Um auf diefe neue Ausgabe hinzuweifen, giebt der Verf.
S. 24—29 aus feiner Collation des Vat. eine grofse Anzahl
Beifpiele von der Nachläffigkeit Ghisler's. Die eigenen
Aufftellungen des Verf.'s find meift überzeugend; Ref.
fügt folgende Bemerkungen hinzu: 1) S. 5, 21 und 20, 22
(ich citire wie der Verf. nach Seiten und Zeilen der
Köfter'fchen Ausgabe) fteckt in dem unverständlichen
tig 7tov refp. elg -uov (hinter öuoyuüv) vielleicht b ig qrj,
wovon beide Male l'yeiv abhängig fein würde. S. 10, 16
ift es unwahrfcheinlich, dafs int zwv als Variante zu
iwv in den Text gekommen fei, wahrfcheinlich ift vjib
Ttüv aus einem zu natrüv gehörigen Partie, oder Adject.
verderbt. S. 11, 18, wo Vat. äXld uijV avzng je hng~e-
vovtcti Zaxy.aui) v.tXevei v.ai MatHaiu) rdig rcXmaloig v.ai
zeXiuvaig lieft, will Verf. veXsvti ftreichen; ich Schreibe:
ZaxYctlq) vai stevei vai Mar&alq) u. f. w., die Richtigkeit
meiner Verbefferung unterliegt wohl keinem Zweifel,
vgl. Marc. 2, 13—17 und Luc. 5, 27—32. S. 17, 12 ift die
Vulgat-Lesart daacpOg der Vermuthung des Verf.'s aocpiog
(aatpwgVat.) vorzuziehen, vgl. z.B. Gregor.Thaum., Dankrede
II 18 (S. 5, 20 meiner Ausg.) ,töjv aivcyuaciodiöv v.ai
doaqxZv Xtg~£wv'. S. 20, 18 f. find die Veränderungen des
Verf.'s zu gewaltfam, dagegen ift Segaar's Einfügung («z£t
OLo&rjosTai) dem Sinn und dem Satzbau angemeffen.

Zum Schlufs befpricht der Verf. die Sonderüberlieferung
des letzten Capitels der genannten Homilie bei
Eufeb., Hist. eccl. III 23 (woraus fpätere Schriftlteller
fchöpfen), und in zahlreichen vonEufeb. unabhängigen Hff.
Aufser den 5 von Preufchen (a. a. O. S. 299) erwähnten
zählt der Verf. noch 13 Hff., wovon ihm 8 näher bekannt
find, auf und weift an mehreren Beifpielen nach, dafs
mit Hülfe diefer indirecten Ueberlieferung der lückenhafte
Text des Cap. 42 erheblich verbeffert werden kann.
Für eine künftige Ausgabe der Homilie genügt wohl die

Heranziehung der älteften und beften Vertreter der einzelnen
Gruppen diefer, zur Hälfte aus dem X.— XII. s.
(lammenden Hff.

Der Verf. hat fich durch feine .Beiträge' um den Text
des Clemens kein geringes Verdienft erworben, er hat
den Weg zu einer künftigen kritifchen Ausgabe des
Clemens gewiefen und die erften Vorarbeiten dazu geliefert
. Das Urtheil P. de Lagarde's über die Dindorf'fche
Ausgabe ift bekannt; die Hoffnung, dafs uns E. Hiller
und K. J. Neumann eine Clemens-Ausgabe fchenken
würden (vgl. Teubner's Mittheilungen 1885 Nr. 1), ift durch
den allzufrühen Tod Hiller's vernichtet; möge nun der
Verf. Zeit und Kraft zur Löfung diefer ebenfo wichtigen
wie dankenswerthen Aufgabe finden!

Jena. Paul Koetfchau.

Führer, Gymn.-Lehr. Dr. Jof., Zur Felicitas-Frage. Leipzig,
Fock, (1894). (36 S. gr. 8.) M. 1. —

In feinem 1890 als Programm des Freifinger Gymna-
fiums erfchienenen Buche ,Ein Beitrag zur Löfung der
Felicitas-Frage' hatte Führer den Nachweis verflicht, dafs
die Passio Felicitatis cum VII filiis, die durch de Roffi
zu fo grofser Bedeutung gelangt war, ein Werk des
6. Jahrhunderts fei, welches bereits die Verfchmelzung
zweier Traditionen, derjenigen von dem Martyrium der
Felicitas cum filiis am 23. Nov., welches man nach der
Makkabäerlegende ausmalte, und derjenigen der 7 Märtyrer
des 10. Juli vorausfetze. Von den berufenften
Seiten hatte er hierzu Zuftimmung erfahren (in diefer
Zeitung 1890 Nr. 20 Sp. 498—502 von Harnack), auch
von Seiten etlicher katholifcher Forfcher. Dafs der katho-
lifchen Hagiographie im Ganzen jedoch fein Refultat
höchft unbequem war, wird niemand wundern, und daher
auch nicht befremden, dafs fich ein Vertheidiger der
Pxhtheit diefer Passio fand. D. Karl Künftle hat in einer
Fr. X. Kraus gewidmeten Schrift ,Hagiographifche Studien
über die Passio Felicitatis cum VII Filiis' (Paderborn,
Schoeningh, 1894, 154 S.) [die übrigens von der Verlagshandlung
zur Befprechung in diefer Zeitung nicht zu
erlangen war, was auch diefe Anzeige leider fo fehr
verzögert hat] es unternommen, P'ührer zu widerlegen
und den Beweis zu erbringen, dafs die Passio Felicitatis
cum VII filiis fich mit Sicherheit auf eine griechifche
Arbeit des 4. Jahrhunderts zurückführen laffe, die ihrer-
feits, zwar nicht auf den Originalacten, wohl aber auf
ausgezeichneter Tradition ruhe. Der Beweis ift fehr eigenartig
. Künftle geht von einem Cod. Augiensis XXXII
Saec. IX aus, deffen erften Theil er auf Grund palaeo-
graphifcher Indicien und einer Analyfe des Inhaltes auf
ein fehr viel älteres Paffional, und diefes wiederum auf
die Arbeiten des Eufebius ,und feiner Schule' zurückführt
. Den Abdruck des von diefem Codex Aug. gebotenen
Textes begleitet Künftle mit Anmerkungen,
welche deffen Urfprünglichkeit und die Nöthigung, eine
griechifche Vorlage anzunehmen, erweifen follen. Von
diefem feiten Standpunkt aus rückt er dann auch die
anderen literarifchen, epigi aphifchen und archaeologifchen
Documente in die rechte Beleuchtung, wobei als Haupttrumpf
die Zurückführung der längeren log.vita apocrypka,
die Künftle nach dem Cod. Casinensis CXLII abdruckt,
in das 5. Jahrh. ausgefpielt wird. Die Plerophorie, mit
der diefe auch die fonftigen katholifch-confervativen
Aufftellungen hinter fich laffenden Refultate vorgetragen
werden, die Sicherheit, mit welcher der Verfaffer auch
in den fchwierigften Fällen argumentirt, die fouveräne
Art endlich, mit der er feinen Gegner für gänzlich be-
fiegt erklärt, wirken allerdings verblüffend, und man kann
es daher verftehen, dafs Führer es für nöthig befunden
hat, in einer eigenen Schrift diefe Art von Argumentation
näher zu beleuchten. Dafs er dabei einen etwas
ftark gereizten perfönlichen Ton angefchlagen hat, wird
man bedauern, aber begreifen dürfen. Die fcheinbar