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Ausgabe:

1896 Nr. 3

Spalte:

73-75

Autor/Hrsg.:

Ramsey, W.M.

Titel/Untertitel:

The cities and bishoprics of Phrygia 1896

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 3.

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dasfelbe ftets als ein wefentlicher Beftandteil gegolten wird, auf welchem dann das Chriflenthum (ich ausge-
und auch ferner zu gelten hat'. j breitet und feine eigenthümliche Entwickelung gefunden

Ich vermuthe, dafs alle Fachmänner dem Verfaffer hat. Ein näheres Eingehen auf die Chriftianifirung des
darin beiftimmen werden, dafs die vergleichende Reli- Landes und auf die Umgeftaltung, welche feine Cultur
gionswiffenfchaft, wie er fie treibt, nichts zu fördern , dadurch erfahren hat, unter Mittheilung reichen infchrift-
vermag als dilettantifche Schöpfungen. Weniger werden liehen Materiales, ift für die Fortfetzung des Werkes
fie ihrrTdarin beiftimmen, dafs eben deshalb ,das Paradies, vorbehalten.

der Garten Eden' nicht der Religionswiffenfchaft, fondern 1 Der vorliegende erfte Band behandelt in neun Cader
Religion felbft angehört und ein wefentlicher Beftand- piteln das Thal des Lycos und das füdweftliche Phrygien.
theil von diefer ift. Cap. I (S. I—31) giebt eine allgemeine Befchreibung

. c u r„r des Lycos-Thales und feiner Gefchichte. In feinem oberen

Laufe bildet der Lycos, von dem Hochplateau Klein-

%ir « in, /, T r-t ri r> * Tii« .»;» ..j i al"iens kommend, ein enges Gebirgsthal; in feinem unteren
Ramsay, W. M., D. C. L., LL. D., Prof., The eitles and durchläuft er eine breite Thal-Ebene. In jenem liegt
bishoprics of Phrygia, being an essay of the local Coloffae, in diefer Laodicea und Hierapolis. Von allen
history of Phrygia from the earliest times to the Flufsthälern, welche das Hochplateau Kleinafiens mit der
turkish conquest. Vol. I. The Lycos Valley and South- | Külte verbinden, bietet das Lycos-Thal den bequemften
,,r of • n> r 1 r n„„ p„Cc ,<!nr Zugang von der Kulte nach dem Innern. Während der

Western Phrygia. Oxford, Clarendon Press, 1895. gri|chjfch.römifchen Periode ging daher ein Haupt-Ver-
(XXII, 352 S. gr. 8.) 18 sh. kehrsweg durch diefes Thal. Die Gefchichte der Gegend

In The Critical Review of theological andphilosophical wird von Ramfay von den älteften Zeiten bis zur türki-
litemiure 1895, /. 369 leitet Prof. Salmond feine Be- fchen Eroberung in grofsen Zügen verfolgt,
fprechung diefes Buches mit folgenden Worten ein: Cap. II (S. 32—83) ift ausfchliefslich der Stadt Lao-

,Die Veröffentlichung des erften Bandes von Profeffor dicea gewidmet. Sie war in der griechifchen Zeit noch
Ramfay's Beitrag zur Gefchichte von Phrygien ift ein | eine kleine Stadt, in der römifchen gelangte fie zu grofser
Ereignifs von nicht gewöhnlicher Bedeutung. Er ift mit Blüthe und Bedeutung. Hervorragend war ihre Wollelebhaftem
Intereffe erwartet worden und wird die Er- 1 Induftrie. Von ihren öffentlichen Gebäuden (Theatern,
Wartungen, welche davon gehegt wurden, nicht ent- j Tempeln u. f. w.) find noch Refte erhalten. Unter den
täufchen. ' Es ift eine Lieblingsarbeit des Verfaffers. Culten nahm der Kaifercultus eine bedeutende Stelle ein.
Jahrelang ftand der Plan vor feinem Geifte und in feinem l Ueber die Organifation der ftädtifchen Aemter geben
Herzen: feine Begeifterung bei Tag und bei Nacht. Er ; die Infchriften mancherlei Andeutungen,
hat feine beften Kräfte daran gewendet und hat nichts 1 Cap. III (S. 84—121): Hierapolis ,die heilige Stadt',
unterlaffen, um feine erfolgreiche Vollendung zu fichern. ' ift nicht wie Laodicea eine Gründung der griechifchen
Er war im' Stande, wiederholt die Gegend zu befuchen. Zeit, fondern national-phrygifch, daher befonders ge-
Er hat jeden Zoll des Bodens erforfcht, welchen er zu eignet, zu zeigen, wie der phrygifche Geift unter dem
befchreiben unternimmt. Er hat wieder und wieder feine Einflufs der griechifchen Literatur und der römifchen
erften Eindrücke, feine vorläufigen Schlufsfolgerungen, , Organifation (Ich entwickelt hat. Sehr eingehend behan-
feine Lieblingsideen geprüft. Nicht nur ftand er in den , delt Ramfay hier die religiöfen Culte. Der Haupt-Cultus
vertrauteften Beziehungen zu den Eingeborenen und war der der Leto, einer localen Abart der in ganz
erhielt von ihnen alle Mittheilungen, welche fie liefern ■ Kleinafien verehrten grofsen Göttermutter,
konnten; er war fogar im Stande, fich unabhängig von Cap. IV (S. 122—158) und V(S. 159—207) befchreiben

ihnen zu machen, und hat fie zuweilen in Erftaunen ge- die Städte und Orte des mittleren und unteren Maeander-
fetzt, indem er felbft die Rolle des Führers übernahm Thaies, fowie diejenigen der phrygifch-karifchen und der
und fie zu Funden leitete, von welchen fie keine Ahnung phrygifch-lydifchen Grenze. Die meiften von ihnen find
hatten. Er hat mit aller Sorgfalt und Erfahrenheit eines nur von untergeordneter hiftorifcher Bedeutung. In ihrer

Fachmannes die Denkmäler unterfucht, welche er in den
von ihm durchforfchten Gegenden antraf. Er hat das
Glück gehabt, wichtige Infchriften aufzufinden. Er hat
alles gefammelt, was fich fagen läfst über Gewohnheiten,
Dialekte, Meinungen, Sagen, Aberglauben, Bildung und

Gefammtheit aber geben fie doch ein lebhaftes Bild von
der reichen und mannigfaltigen Cultur diefer Gegend.

Cap. VI (S. 208—234) führt uns wieder in das Thal
des Lycos zurück. Es behandelt Coloffae und die Strafsen
nach dem Offen. Coloffae war im fünften Jahrhundert

Einrichtungen des Volkes'. "or Chr. eine bedeutende Stadt, zur Zeit Strabo's nur

Diefe Worte fchildern in treffender Weife die Be- ein 7r6lio/.ia. Es hat alfo, während Laodicea empor-
deutung des Werkes im Allgemeinen, namentlich fofern blühte, in entsprechendem Mafse abgenommen. Die
es die genauefte Befchreibung der gegenwärtigen Be- Form Koloaaai, welche die befferen Schriftfteller ge-
fchaffenheit des Landes, feiner Städte und Dörfer und : brauchen, ift wahrfcheinlich dadurch entftanden, dafs man
feiner Alterthümer giebt. Aber Ramfay hat nicht nur j den Namen von v.oloaane, ableitete. Die vulgäre und
durch wiederholte Reifen fich die gründlichffe Kenntnifs fpäter gebräuchlicher gewordene Form KoXaooat ift wahr-
des jetzigen Zuftandes verfchafft, fondern auch die lite- ; fcheinhch eine treuere Wiedergabe des urfprünglichen
rarifchen Quellen aufs forgfältigfte durchforfcht. Was phrygifchen Namens. Was Strabo (p. 578) über den
die griechifchen und römifchen Schriftfteller zur Landes- untenrdifchen Lauf des Lycos bei Coloffae fagt, erweift
und Localgefchichte von Phrygien bieten, ift hier ge- fich noch durch den heutigen Thatbeftand als correct,
fammelt. Wenn auf dem Titel gefagt wird, dafs die wahrend Herodot's nur auf Hörenfagen beruhende Be-
Gefchichtc bis zur türkifchen Eroberung gegeben werde, merkungen ungenau find (vgl. auch Weber, Der unter-
fo mufs allerdings bemerkt werden, dafs die chriffhehe lrdl'che Lauf des Lykos bei Kolaffai, Mittheilungen des
Zeit in dem vorliegenden Bande nur in fummarifcher deutfehen archäol. Inftitutes, Athenilche Abtheilung XVI,
Weife berückfichtigt' wird. Aufs Eingehendfte wird da- 1891, S.194—1991. Ueber die Häufigkeit der Erdbeben
gegen die Gefchichte der einzelnen Städte und Orte bis im vorderen Kleinafien ift auch noch die von Ramfay
zur Chriftianifirung Phrygiens behandelt. Befondere Auf- nicht erwähnte Arbeit von Weismantel (Die Erdbeben
merkfamkeit wird dabei den ftädtifchen Verfaffungen und des vorderen Kleinafiens in gcfchichtlicher Zeit, Wies-
Aemtern, den religiöfen Culten und Priefterthümern ge- baden, l'rogr. 1891) zu vergleichen.

widmet. Der Hauptwerth des zunächft Gebotenen für. Cap. VII (b. 235— 249) behandelt die Städte am oberen
den Theologen liegt demnach darin, dafs hier aufs ge- Maeander, weltlich von Apamea (Lunda, Peltae, Atta-
nauefte der Boden des antiken Phrygiens befchrieben nallos), Cap. VIII (S. 250—274) das Thal des Kazanos