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Ausgabe:

1896

Spalte:

50-52

Titel/Untertitel:

Hefte zur „Christlichen Welt“. Nr. 18-20 1896

Rezensent:

Lobstein, Paul

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kann, fo wird man fich gewifs auch damit abfinden, dafs Hefte zur Christlichen Welt'. Nr. 18—20. Leipzig, F. W.
es ähnlich mit den beiden Sammlungen und mit der
Abfaffung und Herkunft ihrer einzelnen Bücher fteht.
Unter der forgfältigen Unterfuchung eines Bengel kamen
in dem Neuen Teftamente Schätze zu Tage, die man
vorher nicht erkannt hatte; er gewann zuerft den Blick
für die Gefchichte des Reiches Gottes. Die gefchicht-
lichen Unterfuchungen unfers Jahrhunderts haben durch
die Nöthigung, fich in die Vergangenheit zu verfetzen,
ebenfo ganz neue Einblicke in die neuteftamentlichen
Schriften erfchloffen; Aehnliches wird auf dem Gebiete des
Alten Teftamentes nicht ausbleiben'. Wie gegen die

fcholaftifche Orthodoxie, die den Glauben an Chriftus j infofern ein befonderes Intereffe in Anfpruch, als es
durch das Fefthalten der Infpirationstheorie bedingt fein ,Erlebnifse und Bekenntnifse eines Laien' enthält. ,Die
liefs, fo wendet fich auch K. gegen alle, welche in ab- 1 hier der Oeffentlichkeit übergebene Schrift ift vor mehr
gettüfter Weife die unvergleichliche Bedeutung der Bibel j als zehn Jahren begonnen und feitdem unausgefetzt vom

Grunow, 1895. (gr. 8.) M. —. 90

18. Vom alten neuen Glauben. Erlebnifse und Bekenntnifse eines
Laien. (58 S.) M. —. 50. — 19. Zur Verftändigung über den Glaubensbegriff
. Von Pfr. L. Clafen. (32 S.) M. —.40. — 20. Bedingungen
des chriftlichen Glaubens in der Gegenwart. Von Prof. Gafton
Frommel. (32 S.) M. —. 40.

Drei neue ,Hefte zur chriftlichen Welt', die füglich
zufammen befprochen werden können, da die in den-
felben behandelten Themata fich mannigfach berühren.
1) Das erfte Heft ,Vom alten neuen Glauben' nimmt

für unfern Glauben beeinträchtigen. ,Wir können nicht
dran geben 1) die Bibel als den Rechtsgrund unferes
evangelifchen Bekenntnifses wider die Prieflerkirchen, aber
auch&wider die Schwärmer; 2) die Bibel als Mafsftab und
Quell der öffentlichen Verkündigung; 3) die Unabhängigkeit
jedes Chriften in feinem Gebrauche der h. Schrift
als des Gnadenmittels; 4) die Bibel als That- und Sachbeweis
für die gefchichtliche Offenbarung Gottes'. Freilich
wird man bedauern dürfen, dafs der Verf. bei der
Ausführung und Begründung diefer Sätze abfichtlich
darauf verzichtet hat in die ,peinigenden Schwierigkeiten'
der concreten Einzelfragen einzugehen; dafs ,das Herausgreifen
einzelner Beifpiele einen Beweis nicht liefern,
fondern nur vorfpiegeln würde', wäre doch nur dann zu
befürchten, wenn es der Theologe nicht verftünde, feine
Grundfätze durch entfprechende Belege theils zu illuftriren

Verfaffer weiter entwickelt worden. Ihr Anlafs und die
fortdauernde Anregung zu ihrer Durchführung find rein
innerlicher Art; irgend ein Einflufs von aufsen her, fei
er wie er möge, hat bei Abfaffung und Durcharbeitung
diefer Bekenntnifse nicht ftattgefunden'. Doch ift fich
der Verf. bewufst, als Sprecher einer grofsen Zahl von
Gliedern der Kirche aufzutreten, welche in feinem ,Her-
zensbekenntnifs wohl die Stimme, die fchon in ihnen
felbft lebendig gefprochen hat, erkennen und begrüfsen
werden' (S. 58). Im Gefühl ,diefes engen Zufammenhangs
feines perfönlichen Standpunktes mit einer grofsen, edlen
Strömung der Zeit glaubte er, da es ihn nun einmal
zum Worte drängte, auch eine Pflicht zu haben fich aus-
zufprechen'. In einfacher edler Sprache erzählt ,der bekennende
Laie', durch welche Zweifel und Kämpfe das
kirchliche Chriftenthum, das fein religiöfes Bedürfnifs bis

theils zu begründen. Indem K. principiell jede Aus- zu feinem achtzehnten Jahre vollkommen befriedigt hatte,
einanderfetzung mit den umftrittenen Detailfragen ab- | in feiner Seele erfchüttert wurde. Seitdem ging fein Belehnt
, hat er es allerdings erreicht, dafs feine Darftellung in
erhabener Ruhe und vornehmer Sicherheit dahin fchreitet;
allein diefe Erleichterung und Vereinfachung des Streits
vermag es nicht, die gerade durch die Zurückhaltung des
Verf.'s angeregten Fragen verdummen zu machen. Wir
fehen daher auch mit um fo gröfserer Spannung dem in
Ausficht geftellten Beitrage entgegen, durch welchen der
Verf. das von ihm gebotene .Vorläufige' näher ausführen
und begründen wird; doch foll diefes Gefühl den Dank
nicht fchmälern für die Gabe, die er uns heute gefchenkt
und die uns aufs Neue an das treffende Wort Hafe's

ftreben nach einer .Befreiung der Lehre Jefu von ihren
Einkleidungen, Zufätzen, Weiterbildungen und Entftel-
lungen'. Er gelangt fchliefslich zu folgendem .Verfuch
eines neuen Glaubensbekenntnifses'. ,Ich glaube an Gott,
den allmächtigen Vater, Schöpfer Himmels und der Erden,
und an Jefum Chriftum, unfern Herrn, der geboren ift
ein Sohn Davids nach dem Fleifch und kräftiglich er-
wiefen ein Sohn Gottes nach dem Geifte, der uns aus
der Fülle göttlicher Offenbarung verkündigt hat das
Wort von der Liebe und deffen heiligende Wahrheit be-
fiegelt hat mit dem Tode am Kreuz. Ich glaube an den

erinnert hat: ,In der offenen Polemik, im ehrlich ange- heiligen Geiff, den Gott über uns ausgegoffen hat reich-
fagten Krieg, ift auch eine Irenik, nämlich als das eine lieh durch Jefum Chriftum, an die Gemeinfchaft im
Ziel, die Klarheit darüber, wie weit man fich anerkennen heiligen Geifte, die Vergebung der Sünden um der Liebe
und einander aufrichtig nähern dürfe'. willen, die Erlöfung von allem Uebel und die Unfterb-

3) Was wir an der Schrift Kaehler's vermifst haben, lichkeit der Seele in Gott'. Man würde die .Bekenntnifse'
das leiftet Köhler in reichem Mafse und mit einer Klarheit
, die nichts zu wünfehen übrig läfst. Mit Muth und
Entfchloffenheit vertritt er die hiftorifche Auffaffung des
Alten Teftamentes, behauptet aufs Beftimmtefte die

des Verfaffers verkehrt beurtheilen, wollte man an die-
felben einen Mafsftab anlegen, den fie nicht vertragen,
und fie in erfter Linie als theologifche Schrift gelten
laffen; nach diefer Seite würde das Urtheil in vielen
menfehliche Entftehung der altteftamentlichen Offen- j Punkten kein günftiges fein. Dagegen verdient das Büch-
barungsurkunden, und fcheut fich nicht, die Gefchicht- ! lein alle Achtung, fobald man dasfelbe nimmt wofür es

lichkeit der fogen. Urgefchichte preis zu geben. Die
glücklich gewählten Stellen aus Luther (30—37), Hofmann
(37—42), Delitzfch (42—44, und zwar bereits aus 1852,
alfo lange vor feinem Abfall), Frank (44—49), Volck
(49—52), werden wohl fchwerlich die von dem Verf.
erhoffte Wirkung erreichen; es ift aber gut, dafs man
folche Ausfagen höher hängt, und dadurch den halb
unbewufst fich bildenden, halb abfichtlich erdichteten
Mythus von einer aus gottlofer Willkür flammenden
Bibelkritik zerftören hilft. Den aufrichtigen aber und

um die Wahrheit beforgten Gemüthern mögen die Schlufs- j Theologen und Laien unferer Kirche auf, fich auf' den
worte des Verf.'s empfohlen werden: ,Die Ergebnisse j wahren evangelifchen Glaubensbegriff zu einigen. Der
einer irrenden Kritik werden nicht durch die Dogmatik, | Hauptunterfchied zwifchen den jetzt ftreitenden Rich-
fondern nur durch eine fchärfer eindringende und rieh- j tungen befteht nicht fo fehr in Anerkennung oder Nicht-
tigere Kritik widerlegt. Daher nicht Verwerfung der ( anerkennung einzelner Glaubenslehren, fondern vielmehr
Kritik, fondern Kritik wider Kritik!' I in der Auffaffung vom Wefen und Werden und von der

Strafsburg i. E. P. Lobftein. I Bedeutung des Glaubens felbft. Es handelt fich jetzt um

fich giebt, als Ausdruck ernften Suchens und Strebens,
als Kundgebung eines nach Wahrheit ringenden Geiftes,
der unbekümmert um wiffenfehaftliche Frageftellung und
Methode fich Rechenfchaft geben möchte über feinen
religiöfen Befitzftand und mit dem aus den Trümmern
der Ueberlieferung geretteten Pfunde gewiffenhaft und
treu zu wuchern fich bemüht.

2) Das ,zur Verftändigung über den Glaubensbegriff'
von L. Clafen herausgegebene ,Heft' ift eine irenifche
Schrift im beften Sinne des Wortes. Der Verf. fordert