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Ausgabe:

1896 Nr. 23

Spalte:

604-605

Autor/Hrsg.:

Monrad, M. J.

Titel/Untertitel:

Die Mysterien des Christenthums vom Gesichtspunkte der Vernunft betrachtet 1896

Rezensent:

Wendt, Hans Hinrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 23.

604

Kanzeln vorgebrachte Fündlein hat ein fo frifches Aus- | Manche Urtheile U.'s, die in ihrer Beziehung auf den

fehen, wie eine eben geprägte Münze, die eben in Umlauf
kommt. Das Wahrfcheinlichfte ift doch, dafs gerade
der frifch entbrannte Kampf gegen die Meffe, den Luther
mit feiner Schrift De abroganda missa privata Ende 1521

Evangelieninhalt im Allgemeinen übertrieben und unhaltbar
find, gewinnen dann eine richtige Begrenzung
und einen feften Halt, wenn man zwifchen
primären Quellen und fecundärer Ueberlieferung in den

begann, auf gegnerifcher Seite den für das alte Syftem ! Evangelien zu unterfcheiden gelernt hat. U. kennt diefe

Unterfcheidung nicht. Für ihn kommt nur der Gegen-
fatz hiftorifch oder mythifch in Betracht.

Jena. H. H. Wen dt.

keineswegs ungefchickten Satz hervorrief. Es ift ein
einzelner Punct, an dem fich die Nothwendigkeit ergab,
die mittelalterliche Theologie in der Genalt ihrer unmittelbar
der Reformation vorausgehenden Entwicklungs-
ftufe kennen zu lernen.

Sehr intereffant find die Bemerkungen Kolde's am Monrad, Prof. M. J., Die Mysterien des Christenthums vom

Schlufs feiner Einleitung über die Entftehung der Gefichtspunkte der Vernunft betrachtet. Eine Studie.
Variata, bei der alle mala fides Melanchthon's ausge- Autorifirte Ueberfetzung aus dem Norwegifchen von
fchloffen ift und das Anfehen derfelben neben der In- Q y Harling. Leipzig, Janssen, 1896. (VIII, 172 S.
variata. Ueberhaupt wird von den Leitern der Seminare,
wie von den Theilnehmern an denfelben, dankbar be

gr. 8.) M. 2. —

grüfst werden, was Kolde aus dem reichen Schatz feines I Der Verfaffer möchte in diefer .Vernunftbetrachtung

Wiffens zur Vorbereitung auf die Befprechungen in
feinem Buch bietet. Aber vielleicht überzeugt er fich,
dafs für die zweite Auflage der fchlichte Text fammt
der Apologie fich empfehlen wird

der Myfterien' den Gegenfatz zwifchen den chriftlichen
Glaubensmyfterien und der Vernunft, den fowohl die
Gläubigen als auch die Ungläubigen als feftftehend zu
betrachten pflegen, auflöfen. Es giebt nach feiner Ueber-

Nabern (Württb.). G. Boffert. 1 ^ugung eine wahre vernünftige Myftik, in der fowohl

1 das Myftenum, wie die Vernunft zu ihrem Rechte kom-

üllmann, Dr. C., Zwei wichtige theologische Abhandlungen. me!}.' (S- ^ ™?SJ™ ""Jf^

endlichen, menfehuchen Vernuntt und dem an lieh Vernünftigen
, der abfoluten, göttlichen Vernunft (S. 5 f.).

(Zur Charakteriftik des Kanonifchen und Apokry-
phifchen in Beziehung auf die evangelifche Gefchichte.
— Was fetzt die Stiftung der chriftlichen Kirche
durch einen Gekreuzigten voraus?) (Reuter's theolog.
Klaffikerbibliothek, 1. Bd.] Braunfchweig, G. Reuter,
(1896). (VIII, 125 S. 8.) M. 1.—

Welches das weitere Programm diefer ,theologifchen
Klaffikerbibliothek' ift, wird nicht mitgetheilt. Ift Th. v.

Was der endlichen Vernunft vernunftwidrig, myfteriös
erfcheint, kann doch in Einklang flehen mit der göttlichen
Vernunft. Dem menfehlichen Geift ift ein Keim
der göttlichen Vernunft eingepflanzt. Geweckt und entwickelt
mufs er werden durch die von aufsen an den
Menfchen kommende göttliche Offenbarung. Das Wefen
und die Beftimmung der menfehlichen Vernunft ift, fich
durch diefe göttliche Vernunft ergreifen und entwickeln

Hanffftengel, der diefes erfte Bändchen kurz bevorwortet ' zu laffen und das an fich Vernünftige, die wirklich gött-
hat, der Herausgeber der ganzen beabfichtigten Samm- | liehe Wahrheit, zu erforfchen (S. 24). Der Verfaffer will
lung? Er hat bei dem jetzigen Abdrucke der zwei Ab- 1 ,eine Andeutung davon geben, wie die Vernunft daran

handlungen Ullmann's, die er durch das Prädicat .wichtig
' auf dem Titel doch etwas zu allgemein charakteri-
firt, fich nicht einmal bewogen gefühlt, Zeit und Ort
der urfprünglichen Publication anzugeben. Das wäre
doch um fo mehr angezeigt gewefen, als die beiden Auf-
fätze weder von U. felbft unter dem jetzigen zufammen-
faffenden Titel publicirt find, noch auch da zu finden
find, wo man fie zuerft fucht, in den Studien und Kritiken. Sie
find erfchienen in der Schrift ,Hiftorifch oder mythifch?
Beiträge zur Beantwortung der gegenwärtigen Lebens-

zu arbeiten hat, fich einige von den am meinen myfti-
fchen Lehren des Chriftenthums anzueignen' (S. 26).
Seinen Standpunkt bezeichnet er felbft als einen myftifch-
pantheiftifchen (S. 167). Er fucht den engen Zufammen-
hang der natürlichen und der übernatürlichen Seite
des Dafeins, feines Endlichkeits- und Unendlichkeitsmoments
hervorzuheben, aber fo, dafs dabei Gott nicht
in der Welt verfchwindet, fondern als die an und für
fich beftehende abfolute Perfönlichkeit aufgefafst wird
(S. 168). Von diefem Standpunkte aus beleuchtet er die

frage der Theologie, Hamburg 1838'. Von den vier | chriftlichen Lehren von der Dreieinigkeit, von Gottes
Auffätzen, die U. hier zufammengeftellt hat, ift der erfte I Menfchwerdung, von der Erbfünde und Verföhnung

der über die Stiftung der chriftlichen Kirche durch einen
Gekreuzigten. Eine Grundlage zu ihm war unter dem-
felben Titel als .apologetifche Skizze' in den Studien und
Kritiken 1832 erfchienen. Diefe frühere Skizze hatte U. nun

und von der Kirche und den Sacramenten. Er begreift
diefe Lehren nicht im engen Sinne des kirchlichen Dogmas
, fondern fucht ein religiöfes Verftändnifs ihres wefent-
lichen Kernes. Im Gegenfatz zu einem abftracten Monovöllig
umgearbeitet und erweitert. Nächft zwei weiteren j theismus betont er die Nothwendigkeit, Gott als die ab-
gegen Straufs gerichteten Auffätzen folgte dann als folut vernünftige, fich in Gedanken und Wort offen-
vierter, ganz neu gearbeiteter Auffatz die Abhandlung j barende Perfönlichkeit zu denken. Er redet dann von
.Kanonifch und Apokryphifch'. Gerichtet find auch die | Chriftus als ,dem Göttlichen, von Gott Ausgehenden und
beiden jetzt wieder abgedruckten Abhandlungen gegen [ zu Gott Führenden fowohl in der Menfchheit als im ein-
Straufs. Die eine ftellt die unhiftorifche Art der apo- j zelnen Menfchen' (S. 101). Diefer Chriftus fei .beftändig
kryphifchen Legenden in Contraft zu dem hiftorifchen I als einigendes, heiligendes und verklärendes Princip in
Berichte unferer Evangelien. Die zweite führt aus, dafs der Menfchheit gewefen' (S. 108), als Princip auch alles
die blofse Thatfache der Gründung der Kirche im An- 1 freiwilligen fühnenden Leidens für die Sünde des Ge-
fchlufs an den Kreuzestod Chrifti folche Voraus- : fchlechts. Schliefslich habe diefe göttliche Idee der
fetzungen mit Bezug auf die Perfönlichkeit, die Thaten, ] Menfchheit als Perfönlichkeit offenbart werden müffen,
die Auferftehung Chrifti poftuliren laffe, wie fie durch | um der Menfchheit recht bewufst zu werden. Aber von
unfere Evangelien berichtet werden. Beide Abhand- ! diefer individuell - perfönlichen Offenbarung für die
lungen find fo gedankenreich und zugleich fo charakte- I Menfchheit müffe der Chriftus wieder in die Menfchheit
riftifch für den feinfinnigen Verfaffer, dafs fie es wohl ver- i eingehen, als ihr nun mit Bewufstfein angeeigneter lei-
dienen, noch jetzt gelefen zu werden. Aber freilich darf tender Geift (S. Iii). Der Geift der Selbftaufopferung
fich der gegenwärtige Lefer auch dankbar deffen be- ! müffe fich auf alle Nachfolger Chrifti erftrecken, fo dafs
wufst werden, dafs die wiffenfehaftliche Arbeit an den ; Jeder nicht für und in fich, fondern für und in Chriftus
Evangelien feit U.'s Zeit doch auch fortgefchritten ift. | (oder für die Idee der Menfchheit) lebe' (S. 119). Die