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Ausgabe:

1896

Spalte:

585-588

Autor/Hrsg.:

Marti, karl

Titel/Untertitel:

Kurzgefasste Grammatik der biblisch-aramäischen Sprache 1896

Rezensent:

Rahlfs, Alfred

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Göttingen

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinricns'fche Buchhandlung. jährlich 18 Mark

NE= 23. 7. November 1896. 21. Jahrgang.

Marti, Kurzgefafste Grammatik der biblifch-
aramäifchea Sprache (Rahlfs).

Diehl, Das Pronomen personale suffixum 2. u.
3. pers. plur. des Hebräifchen in der alttefta-
mentlichen Ueberlieferung (Rahlfs).

Sanday and Headlam, A critical and exege-
tical commentary to the epistle to the Romans
(Clemen).

Meyer, Die Haupturkunden für die Geschichte
der Athosklöfter (Geizer).

Concilium Basileense, Studien und Quellen zur
Gefchichte des Concils von Bafel, i. Bd. Studien
und Documente zur Gefchichte der Jahre
1431 —1437, hrsg. von Haller (Brandi).

Kolde, Die Augsburgifche Konfeffion, latei-
nifch und deutfch, kurz erläutert (Boflerf).

Ullmann, Zwei wichtige theologifche Abhandlungen
(Wendt).

M 0 n r a d , Die Myfterien des Chriftenthums
vom Gefichtspunkte der Vernunft betrachtet
(Wendt).

Marti, Karl, Prof. D., Kurzgefasste Grammatik der biblischaramäischen
Sprache. Litteratur, Paradigmen, kritifch
berichtigte Texte und Gloffar. [Porta linguarum
orientalium, pars XVIII.] Berlin, Reuther & Reichard,
1896. (XIV, 134 u. 90 S. 8.) M. 3.60; geb. M. 4.40

Das Marti'fche Werk unterfcheidet fich von dem in
Nr. 10 diefes Jahrgangs befprochenen Strack'fchen Werke
über denfelben Gegenftand befonders dadurch, dafs es
nicht einen kurzen Abrifs der Formenlehre mit einigen
eingeftreuten Bemerkungen über die wichtigften Regeln
der Syntax, fondern ,eine vollftändige Grammatik' geben
will, ,die zwar alles Unnöthige (wie Sprachvergleichung
etc.) vermeide, aber fich darum bemühe, in den Geilt
der Sprache einzudringen und ihren eigenthümlichen
Charakter erkennen zu laffen' (S.VI). Im Allgemeinen hat
Marti dies Ziel erreicht; er hat eine recht überfichtliche
und lesbare Grammatik gefchaffen, mit der fich mancher
Lernende eher befreunden wird als mit der Strack'fchen,
die wegen ihrer gar zu abrifshaften Haltung fich mehr
zum Nachfchlagen für bereits Eingeführte, als zur erften
Einführung eignet. Aber im Einzelnen bleibt noch
manches zu beffern. Vor allen Dingen hat es fich an
Marti gerächt, dafs er die Sprachvergleichung als un-
nöthig ausgefchloffen hat. Es hätte m. E. gerade beim
biblifchen Aramäifch mit feiner minimalen Literatur
durchaus nichts gefchadet, wenn hie und da, namentlich
bei Fragen, auf die aus dem biblifchen Aramäifch allein
eine fichere Antwort nicht gegeben werden kann, die
verwandten Sprachen und Dialecte mit herangezogen
wären ; wenn der eine oder andere Lefer dann auch nicht
ganz zu folgen vermochte, fo war das kein zu grofses
Unglück, für manchen aber wäre es wohl ein Anfporn zu
tieferem Eindringen in das Aramäifche geworden. Wollte
aber Marti alle Sprachvergleichung aus der Darflellung
principiell ausfchliefsen, fo mufste er wenigftens für fich
bei der Ausarbeitung die verwandten Sprachen ftets im
Auge behalten. Er hätte fich dann manche Fehler er-
fparen können, z. B. dafs er § 30b.d 66a von Poal
ftatt Po ei, § 30 d 63 k von Hithpdlel ftatt Hithpd lal
fprach, dafs er V»n als unregelmäfsige Form des Imperativs
aufführte (§ 64 f 65 b), dafs er die in den älteren
Stücken (Jer. 10 u und Efra) vorkommenden Suffixformen
ah und ab als Hebraismen verftand (§ 24 b Anm. 1) und
aus den Texten ganz befeitigte >) u. dgl. m. (vgl. Nöldeke
im Lit. Centralbl. 1896, 702 ff.). Auch fonft, wo nicht
geradezu offenkundige Fehler vorliegen, hätte die Sprach-

1) Aufser in den Sindfchirli-Infchriften, dem Aegyptifch-Aramäifchen
und dem Nabatäifchen, worauf Nöldeke hingewiefen hat, kommen nh und
Dr auch in den jerufalemifchen Targumen vor, hier ebenfo wie bei Efra
mit den Nun-Formen abwechfelnd (Dalman, Gramm, des jüd.-paläft.
Aramäifch, S. 79 f.).

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vergleichung wenigftens zu einer vorfichtigeren Formu-
lirung der Behauptungen mahnen können. Wenn Marti
z. B. die Formen rnn ,hha etc. mit kurzem a zwar nicht,
wie Strack, ganz befeitigt, aber doch für falfch oder
fecundär verkürzt erklärt (§ 64 n), fo ift das, glaube ich,
durchaus nicht fo ficher; ich würde vielmehr, da auch
das Arabifche und Hebräifche hier kurzes a haben, das
in ni»y nur durch den Ton gedehnt, in hrri»y dagegen
fogar zum Halbvocal geworden ift, die Sache umdrehen
und die Dehnung des a, die allerdings im Syrifchen
überall durchgeführt ift, für fecundär halten '). Oder
wenn das Ketib beim Pronomen separatum und suffixum
(§ 24 a Anni. 2, b Anm. 2) für die 3. Perf. Plur. Fem.
durchgehends diefelbe Form gebraucht, wie für das Masc,
fo kann ich auch das gegen das Qere und gegen Strack
und Marti nur für urfprünglich halten, denn das biblifche
Aramäifch fteht hier auf genau derfelben Stufe, wie das
aramaifirende Hebräifch der Mifchna, und überdies findet
fich eine ganz parallele Erfcheinung beim Verbum, wo
das Ketib in der 3. Perf. Plur. Perf. die Gefchlechter
ebenfalls nicht unterfcheidet (§ 36 d); das Qere ändert
hier überall nach fpäterem Sprachgebrauch.

Dafs Marti fich nicht auf eine blofse Aufzählung der
Formen und Conftructionen befchränkt, fondern auch
ihre Entftehung darzulegen verfucht hat, kann ich nur
mit Freuden begrüfsen, da ich ftets die Erfahrung gemacht
habe, dafs durch eine folche Behandlung der
Grammatik Luft und Liebe zur Sache geweckt und das
Erlernen und Behalten wefentlich erleichtert wird.
Freilich würde fich gerade hier wohl manches anders
geftaltet haben, wenn Marti feinen Blick nicht zu fehr
auf das biblifche Aramäifch befchränkt hätte; feine Erklärungen
find fo oft zu fchematifch und abftract con-
ftruirend ausgefallen und haben manchmal auch nur
den Schein von Erklärungen, ohne in Wirklichkeit irgend
etwas zu erklären. Wenn er z. B. in § 64 c. g fagt,
dafs die Verba N"b in fämmtlichen Perfectformen aufser
Peal fowie im Imperativ Pail ein i aufweifen, mit dem
der letzte Radical Jöd'm izufammengefloffen ift, dagegen im
Imperfect und Participium aus a + Jod durch Con-
traction l geworden ift, fo wird fchon ein nachdenkender
Anfänger leicht auf die Frage kommen: Wie kommt
es denn, dafs diefe Verben überall im Perf. im Imperf.
a ,aufweifen', während das doch fonft bei keiner Verbal-
claffe fo ift? Nun zeigt aber auch das Arabifche hier

1) Dafür fprechen auch ähnliche Erfcheinungen beim Verbum und
Nomen mit Suffixen, wo wir öfter noch ein kurzes a finden, das im
Syrifchen lang geworden ift (z. B. rwnn, -snyiin [2. sg.], nry>:2 [1. Sg.j;
netei). Befonders wichtig ift, dafs alle diefe Schreibungen nicht nur vom
Syrifchen, fondern — mit Ausnahme von ItfsjUih — auch vom Hebräifchen
abweichen, alfo auch nicht als ,Hebraismen' aufgefafst werden
können.

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