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Ausgabe:

1896 Nr. 22

Spalte:

579-580

Autor/Hrsg.:

Kögel, Rudolf

Titel/Untertitel:

Neue Christoterpe. Ein Jahrbuch. 18. Jahrg. 1897 1896

Rezensent:

Kühn, Bernhard

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579

Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 22.

580

folche Theologen, welche im Allgemeinen den dogma-
tifchen Standpunkt des Verf.'s theilen, die von mir hervorgehobenen
Mängel empfinden werden; dafs es auch
ihnen fchwer fallen wird, diefes Buch als ,Handbuch' zu
gebrauchen. Man kann in ihm manches Intereffante
lefen, aber fchwer aus ihm etwas Zufammenhängendes
lernen. Wenn fich der Verf. nur mit der Publication
der weiteren Theile Zeit laffen möchte!

Jena H. H. Wen dt.

Christoterpe, neue. Ein Jahrbuch, herausgegeben von
Rud. Kögel, Emil Frommel und Wilh. Baur. Bremen
, C. E. Müller, 1897. (VIII, 359 S. 8.) M. 4.— ;
geb. M. 5.—; m. Goldfehn. M. 5.20; Liebhaber-Ausg.
in Halbfrzbd. M. 8.—

Der Tod des zuerfl genannten Mitherausgebers Rudolf
Kögel ift zu einem Zeitpunkt eingetreten, der eine

Berückfichtigung diefes für das Unternehmen fo bedeu- geflochten, das heifst, die befruchtende und verfchönende

andere, wo die Verfafferin die Neigung zum Confeffions-
wechfel in einem Frauengemüth pfychologifch zu begründen
fucht, ohne der Aufgabe irgend gewachfen zu
fein. Aber Vorberg hat feinem Dichten eine Art Schul-
meifler-Tagebuch aus einem Archiv zu Grunde gelegt,
deffen treuherzige Aufzeichnungen neben manchem Be-
merkenswerthen über Sitten und Zuftände des Volkes
auch in kirchlicher Beziehung ein Verzeichnis von Pre-
digtdispofitionen des Ortspfarrers zu. bieten fcheinen.
Was wir fonft nur vereinzelt aus Anekdoten kennen, wie
jene alternde Orthodoxie doch auch fchon der platten
Alltäglichkeit des Rationalismus vorgearbeitet hat, das
wird uns hier wie unkundlich an einem Gefammtbeifpiel
nachgewiefen: der Pfarrer hat in einem Jahre 64 Predigten
über 69 Glieder des menfehlichen Leibes gehalten
und, wie aus den zahlreichen Beifpielen fich fchliefsen
läfst, nicht ohne volksthümliche Kraft. Wilhelm Baur
hat in einer Meditation, die fich nicht an ftrengen Ge-
dankenfortfehritt bindet, ,grüne Ranken um Chrifti Kreuz'

tungsvollen Ereigniffes noch möglich machte. Der be- : Wirkung, die eine finnige Naturbetrachtung auf die wer
rühmte Prediger war der Begründer der Neuen Chrifto- j dende und die gewordene Predigt des Evangeliums aus

terpe und das jährlich fich erneuernde Werk lag ihm
befonders am Herzen. So hat fein Freund Emil Frommel
in geiftvoller Anknüpfung an eines feiner fchönften
Gedichte, das von den Bäumen auf feiner zukünftigen
Grabftätte handelt, ihm einen Nekrolog gefchrieben, dem
bei aller Anpaffung an das Verftändnis und die Bedürf-
niffe eines weiteren Leferkreifes eine gewiffe kirchenge-
fchichtliche Bedeutung nicht abzufprechen ift. Denn er
enthält eine treffende Characteriftik des Theologen, der
nicht nur als einer der hervorragendften Prediger diefer

übt, aus eigener und aus anderer Erfahrung nachgewiefen
. Emil Frommel ftellt als .Kohlen auf den Herd'
eine Serie von Gedanken und Bildern zu den Feften in
Haus, Familie und Gemeinde in Ausficht und bietet für
diesmal nach ausführlicher Begründung diefes Planes und
feiner Bedeutung fechs Skizzen zu Taufreden, bei denen
vor Allem die Wahl nicht gewöhlich dazu verwendeter
Schriftworte und ihre kräftig und herzlich anfaffende
Auslegung hervorzuheben find. Einen ganz vortrefflichen
Beitrag hat Max Reichard mit feinem Auffatz: Etliches

unferer Zeit, fondern auch als der erfte Schlofspfarrer . über Mufik, insbefondere über Hausmufik geliefert, deffen
des proteftantifchen Kaiferthums mit feinem aufserhalb j beherzigenswerthen Mahnungen wir einen befonders ge-
der Kanzel ftill verborgenen, aber weittragenden Einflufs fegneten Erfolg wünfehen möchten. Doch ift feine Beziehung
zu Kirche und Theologie fchon fern genug.
Daffelbe gilt von den höchft beachtenswerthen Abhandlungen
Leopold Witte's, .Carlyle's religiöfe Stellung',
Karl Kinzel's ,Eine fuchende Dichterfeele', die ebenfo-
gut ,Rofeggers religiöfe Stellung' heifsen könnte, und
Wilhelm Thiele's ,Albrecht Dürer', deren Werth wir
alfo nicht etwa damit herabfetzen wollen, dafs wir fie
blofs namhaft machen.

Dresden. Dr. phil. B. Kühn.

feinen Platz in der Gefchichte der deutfehen Refor
mationskirche behaupten wird. Neben dem chriftlichen
Hofprediger unferer Tage erfcheint der Hofhifforiograph
des Königs Herodes, Nikolaus von Damascus, deffen
Bild auf ganz eigene, hochintereffante Art von Franklin
Arnold entworfen worden ift. Bei aller Bedeutung feines
Gefchichtswerkes für die Kenntnis feiner Zeit wüfste
man doch nicht recht, wie der Gefchichtsfchreiber und
Höfling des Herodes zu der Ehre einer nicht kurzen
Darfteilung in diefem Buche käme, zumal, fo viel wir
fehen, neue Forfchungen über ihn nicht vorliegen. Aber

diefe Darfteilung ift auch nur als Untergrund zu be- Erklärung,
trachten für eine Hauptfigur, an deren Zeichnung dem 1 T XT , rr... T., „. ._, „ „. „..„„, n.

T^.e~rr~ cc u j fr ■%. , 1 t,stt In Nr. 19 der Iheol. Literaturzeitung zeigt Herr Privatdocent Dr.

Vertaller Offenbar das Meifte gelegen war: das ift HerO- Kraetzfchmar meine Beiträge zur ifraelitifchen und jüdifchen Religions-

des felber. War es nicht wohl angänglich, den ganzen gefchichte Heft I an. Was er dabei Sachliches gegen meine Argumen-

Artikel ihm zu widmen, ohne die hiftorifchen Einzel- tationen und Refultate etwa geltend macht, wird in Heft II der Beiträge

heiten in viel ausführlicherer Weife zu behandeln fo er- i Berückfichtigung und Erwiderung finden. Dagegen zwingt mich der

reicht der Verfaffer fein Ziel den Lefern eine eindrucks- ™ ^^^t^t^ protefiiren,

VOlle Vorltellung VOn dem Wefen des feinem Namen dafs er (Sellin) ihnen (den Gegnern) bewufste Unehrlichkeit und unlautere

nach fo wohlbekannten Tyrannen zu fchaffen, auf die ! Motive bei ihren Aufhellungen unterfchiebt, wie er S. 42, 78 thut. Das

glücklichfte Art, indem er diefe beiden grundverfchiede- 1 ift der Ton> der bei gewiffen Zeitungs- und Brofchürenfchreibern Mode

nen Menfchen, die immer einer den anderen brauchten. I v°n derm aber d^ Gebiet der w^enfchaftlichen Forfchung bisher in

der Hauptfache wenigftens freigebheben ift. Wir wollen es auch in Zukunft
davon rein halten.'

Die erde Stelle, auf die fich diefe fchwere Anklage jedenfalls gründet
(S. 42), lautet: ,Nun aber hegen wir einmal begründete Bedenken, ob
auf jener Seite, die hier eine folche faft von aller menfehlichen Vermitt-

ihre gefchichtlichen Rollen neben einander abfpielen
läfst. Das Gebiet der Schriftforfchung berührt D. A.
Schlatter mit feiner Skizze über den Evangeliften
Matthäus. Enthält fie auch fchwerlich etwas, das nicht

iro-endwte und ircrpnrlu/n fob/^n -,,,0^rr.r-.-„^l, - • ■ „ r lung losgenffene Offenbarung, immer atomiftifch lieh wiederholend, an-
Kriel, £ "1 r fCl°n t"^6^"00116" Ya,re' f° nehmen müfste, der Glaube an die Möglichkeit derfelben wirklich vor-
Dietet lie dOCÜ dem Leier den heutzutage fo feltenen iiegt.< Arf0, wenn ich die Confequenzen einer von einem Gegner aus-

Genufs, die Geitalt eines begeifterten Erzählers heiliger
Gefchichte ohne jede kritifche Beigabe fich vor Augen
geführt zu fehen, fo wie fie aus feinem Gefchichtswerk,
fo zu fagen, von felber hervorwächft. Wie es des Buches
Art fo mit fich bringt, haben die meiften Beiträge ihre
nähere oder fernere Beziehung zur practifchen Theologie,
dafern überhaupt von einer folchen die Rede fein kann.
Eine Novelle von Max Vorberg, die eines Schulmei-
iters Erlebnifse am Ende des fiebzehnten Jahrhunderts
erzählt, würde uns hier fo wenig befchäftigen, wie eine

gefprochenen Anficht ziehe (denn ich fchreibe ja: annehmen müfste,
nicht: annimmt), dann zeige, dafs diefelben in Widcrfpruch flehen zu
irgend welchen Grundanfchauungen deffelben (oder glaubt K., dafs Wellhaufen
, Smend u. a. eine folche Form der Offenbarung für möglich halten
würden?) und ihn fo ad absurdum zu führen fuche, fo fchiebe ich dem-
felben damit bewufste Unehrlichkeit und unlautere Motive unter?!

Die zweite Belegftelle K.'s lautet bei mir (S. 78): ,Ohne nun den
tieferen Motiven, die zweifelsohne der Aufftellung diefer ganzen Theorie
bald bewufst, bald unbewufst zu Grunde liegen, nachzuforfchen, wie insbefondere
das unferm Jahrhundert charakteriflifche Beflreben, bei hifto-
rifcher Forfchung von unten nach oben führende Entwicklungsftufen
unter allen Umftäuden herzuftellen, gehen wir fofort auf die Sache felbft