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Ausgabe:

1896 Nr. 22

Spalte:

573-574

Autor/Hrsg.:

Führer, Joseph

Titel/Untertitel:

Eine wichtige Grabstätte der Katakombe von S. Giovanni bei Syrakus 1896

Rezensent:

Achelis, Hans

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 22.

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durch das Abendmahl herein: fo I. Cor. 5, I. Pe. I und etwa 70 kleineren Katakomben und Familiengrabkam-
fonft. Uebrigens erklärt er beide Petrus-, den Jacobus- , mern in Oftficilien, die erft neuerdings, und theilweife
und fämmtliche paulinifche Briefe für echt, wenngleich von ihm felbft, entdeckt wurden, und ftellt zunächft ein
den an die Koloffer nur zögernd; der Zeit nach fei der i Werk über die Syrakufanifchen Katakomben in Ausficht.
Philipperbrief der erfte unter den Gefangenfchaftsbriefen, Wer die allfeitige Sachkenntnifs und die mühfame Sorgwährend
die Paftoralbriefe zwifchen 65 und 66 in der ! falt Führer's kennt, wird fich freuen, in feinen Händen
Reihenfolge: I. Tim., Tit., II. Tim. entftanden fein diefe Arbeiten zu wiffen, die der chriftlichen Archäolo-
follen. ! gie eine fo bedeutende Bereicherung des Materials in

Indefs all das find ja nur Einzelheiten, die, fo inter- Ausficht zu ftellen fcheinen. In der vorliegenden Studie
effant auch für die Stellung des Mannes, doch über den i behandelt er ein einzelnes Grab von S. Giovanni bei
Werth feiner Bücher nicht entfcheiden können. Wie J Syrakus, das durch feine Anlage, feine Decoration und
fleht es alfo um ihre Ergebnifse im Grofsen und Ganzen? feine Umgebung zeigt, dafs es die Grabftätte einer Hei-
Da ift denn zunächft zu bedauern, dafs in diefen beiden , ligen war. 1895 ift auch die umfangreiche, griechifche
Bänden trotz ihrer 899 Seiten manche der wichtigften Infchrift der Frontfeite des Grabes zu Tage gekommen
einfchlägigen Fragen kaum aufgeworfen oder nur eben ; und von Paolo Orfi, dem Director des Museo Nazionale
angefchnitten werden. Dafs die ßaadsia &sov bei Jefu in Syrakus, in der Römifchen Cjuartalfchrift 1896 S. 57
möglicherweife immer efchatologifch gemeint ift, erfährt ! publicirt worden. Während aber Orfi den Namen der
man nirgends; auch von der Verbindung der beiden j Heiligen nicht zu ermitteln vermochte, ftellt Führer auf
Meffiasideale, des prophetifchen und apocalyptifchen, j Grund äufserft forgfältiger Unterfuchung der Infchrift
fchon im Judenthum und dem Verhältnifs Jefu zu ihnen j feft, dafs von dem vorn verftümmelten Namen J E l JD i_ I
fpricht Br. nur ganz gelegentlich einmal, ohne diefen i zu lefen ift, die Heilige alfo wohl Deodata oder Adeo-
wichtigen Fragen weiter nachzugehen. Recht äufserlich data hiefs. Ihr Bruder Syrakofios rühmt auf der (ftark
ift auch die Zufammenftellung der apoftolifchen Aus- ' verletzten) Infchrift, dafs fie fich die gröfsten Verdienfte
fagen über Chriftus am Ende des zweiten hier vorliegen- I — wie es fcheint, um die Ausbreitung des Chriftenthums
den Bandes; wenn der Verf. damit zugleich ein Glaubens- — erworben habe, und hofft, dafs fie feiner Pietät ein-
bekenntnifs ablegen will (IV), fo bleibt dasfelbe ziemlich gedenk fei.

unklar. Nur betreffs der Lehre von der jungfräulichen Ift fchon hierbei Manches nicht ohne Intereffe, fo

Geburt wird ein (verwerfendes)Urtheil gefällt, imUebrigen : erhält doch Alles ein anderes Gewicht, fobald man weifs
werden die verfchiedenen Anfchauungen des neuen (was dem Herrn Verfaffer entgangen ift), dafs Deodata
Teftamentes friedlich neben einander gehellt oder auch eine bekannte ficilifche Heilige ift, dafs fich um die Ehre,
mit einander ausgeglichen. So entdeckt Br. namentlich fie hervorgebracht zu haben, drei Städte ftritten, dafs
für die Hadesfahrt nicht nur im I. Petrus- Ephefer- und aber Alles, was man bisher von ihr wufste, unglaub-
Römer-, fondern auch im II. Petrus-, Judas- und Hebräer- | würdige Legende ift, während man jetzt durch die InBrief
, fowie namentlich in der Apocalypfe mancherlei | fchrift fichere Kunde über ihre Lebensumftände erhält.
Beweisftellen, dabei offenbar weniger vom Text des ! In den Acten des Fantinus wird fie erwähnt als Gattin
neuen Teftamentes, als feiner bereits oben erwähnten ] des Fantius und Mutter des Fantinus; aus vornehmem
Neigung zur Annahme einer Entwicklung nach dem | und reichem Syrakufanifchen Gefchlecht geboren, wird
Tode geleitet, der er auch fonft hier wieder Ausdruck j fie mit ihrem Gatten erft durch den Sohn zum Chriften-
verleiht (Gofp. 265, 1. 266, I. Ap. 35, 1. 492, 2). Da- f thum geführt und erleidet deshalb das Martyrium (Acta
gegen wird nirgends unterfucht, wie all jene verfchiedenen , Sanctomm 31. Juli VII 187 f.). Vergleicht man die ver-
chriftologifchen Anfchauungen fich bildeten; denn auch fchiedenen Traditionen, die aber beide von der Syraku-
die Entftehung der paulinifchen Theologie aus der fanifchen Deodata reden, fo wird zunächft Führer's Con-
Chriftophanie vor Damascus wird eben nur wieder ein- jectur, die aus dem verftümmelten Deadota der In-
mal behauptet, aber nicht wirklich erklärt. Deffen hätte fchrift ein durch Metathefis verändertes Deodata errieth,
es aber bei Br.'s Stellung zur Infpirationslehre allerdings glänzend beftätigt; fein zweiter Vorfchlag, Adeodata zu'
bedurft; dafs es nicht gefchah, bedeutet m. M. n. den , lefen, fällt weg. Sodann ift der Streit um die Herkunft
Hauptmangel der beiden Werke. Sie bieten ja nament- der Deodata zu fchlichten; wenn fchon die Bollandiften
lieh denen, die fich noch nicht weiter mit diefen Fragen die Anfprüche Lentini's zurückweifen, aber zwifchen den
befchäftigt haben, eine bequeme Zufammenftellung und Anrechten von Syrakus und des fchon von den Sara-
leicht verftändliche Erklärung aller etwa in Betracht zenen zerftörten Taurianum in Calabrien nicht zu entkommenden
Beweisftellen; aber einen Fortfehritt nament- 1 fcheiden wagten, fo ift jetzt Syrakus alleinberechtigt,
lieh über die entfprechenden deutfehen Werke hinaus [ Vor Allem aber fieht man wieder einmal, wie die Hei-
bezeichnen fie kaum. ligenlegende gemacht wurde. Nach der Infchrift war

Der Druck ift meift mufterhaft; nur die deutfehen Deodata eine Jungfrau (nao&evos), die, wie ihre Grab-
und franzöiifchen Namen und Büchertitel werden, wie ftätte zeigt, etwa in der erften Hälfte des fünften Jahr-
herkömmlich, auch hier mehrfach entftellt, fo Gofp. hunderts ftarb. Von dem Actenfchreiber wird fie zur
16, I. 133, 1, Ap. 108, 1. 136, 1. 171, 1. 454, I. Ein : Mutter des Fantinus und zur Märtyrin gemacht; ebenfo
lapsus calatni oder fehr ungenauer Ausdruck liegt wohl wie der Verfaffer der Felicitasacten fieben bekannte rö-
Ap. 176 vor, wenn danach der erfte Theffalonicher- vom mifche Märtyrer zu Söhnen der Felicitas machte, oder
Römerbrief durch a few months getrennt fein foll; nach der Autor der Acten des Nereus und Achilleus die bei-
S. 84 und 142 waren es doch vielmehr fünf Jahre. den Prätorianer Kammerdiener der Domitilla werden

TT 1, c Tarl rif-men läfst Und die Dewul"ste Legendenfchreibung verdrängt

Halle a" S- die echte Ueberlieferung und prägt die volkstümliche

Führer, Gymnafiallehrer Dr. Jofeph, Eine wichtige Grabstätte
der Katakombe von S. Giovanni bei Syrakus. München
, Lindauer, 1896. (11 S. m. 1 Taf. gr. 8.) M. —. 60.

Umfallenden Arbeiten über die Sicilia sotterraiiea
fchickt der durch feinen ,Beitrag zur Löfung der Felicitasfrage
' (Leipzig 1890; vgl. diefe Zeitung 1890 Col.

40,8_50/2) bekannte Münchener Archäologe Jofeph Führer

diefe Probe voraus. Er fpricht von nicht weniger als

Verehrung um. Wie die fpäteren Zeugniffe bei den
Bollandiften beweifen, kannte Syrakus im Mittelalter
Deodata nur noch in Begleitung des Fantius und Fantinus
.

Göttingen. Hans Achelis.