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Ausgabe:

1896 Nr. 22

Spalte:

565-567

Autor/Hrsg.:

Haupt, Paul (Ed.)

Titel/Untertitel:

The Sacred Books of the Old Testament. Part 20 1896

Rezensent:

Budde, Karl

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563

Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 22

566

The sacred Books of the Old Testament. A critical edition
of the Hebrew text, printed in colors, with notes,
prepared by eminent biblical scholars of Europe and
America under the editorial direction of Prof. Paul
Haupt. Part20. Leipzig,Hinrichs, 1895.(Lex.-8.)M.6.—

The books of the Chronicles, Exhibiting the composite structure
of the book, with notes by Prof. R. Kittel, D. D. English trans-
lation of the notes by B. W. Bacon, M. A., D. D. (82 S.)

Eine höchft verdienftliche und nützliche Arbeit. Der
farbige Ueberdruck hat hier eine urfprünglichere Bedeutung
, als in anderen Büchern. Müffen wir dort erft durch
kritifchen Procefs die Benutzung von Quellenfchriften er-
fchliefsen, fo liegen fie hier greifbar vor, und der farbige
Ueberdruck hat nur feftzuhalten, was ein forgfältiger
Vergleich der Paralleltexte mit Sicherheit ergiebt. In-
deffen hat fich Kittel mit Recht nicht damit begnügt,
die anderwärts im A. T. erhaltenen Stücke der Quellen
des Chroniften durch farbigen Druck hervorzuheben, fondern
er unterfcheidet auch die fonftigen Stücke, für die
dem Chroniften eine Quelle mufs zu Gebote geftanden
haben, die wir heute nicht mehr aufweifen können, nicht
minder auch die zu der urfprünglichen Arbeit des Chroniften
fpäter hinzugefügten Stücke, und zwar von diefen
letzteren eine frühere und eine fpätere Schicht. Zu fol-
chen Unterfcheidungen gehörten natürlich wieder kritifche
Schlufsfolgerungen, und auf deren Beurtheilung ift hier
zu verzichten, weil erft die Anmerkungen zur englifchen
Ueberfetzung die Gründe dafür beibringen werden. Die
Farben find nun fo vertheilt, dafs dunkelroth aufser-
biblifche Quellen des Chroniften, hellroth anderweit
im A. T. erhaltene Stücke, dunkelblau frühere, hellblau
fpätere Zufätze zu feinem Werke bezeichnet. Ohne
Ueberdruck, fchwarz auf weifs, bleibt dann des Chroniften
felbftändige Arbeit von felber übrig, Ich weifs
nicht, ob diefe Kennzeichnung glücklich gewählt ift;
jedenfalls fchneiden fich nun die Linien, die durch die
gewählten Bezeichnungen gezogen find. So find z. B.
I, 1, 10 = Gen. 10, 8 hellblau, v. Ii—23 = Gen. 10,
13—18a. 22—29 dunkelblau überdruckt und damit als
nachchroniftifche Zufätze gekennzeichnet, während fie

erwogener Anficht für die übrigen biblifchen Bücher abwirft
, fofort hätte überfehen können. Auch die Anmerkungen
liefern das Vermifste nicht nach, fchwerlich
haben wir es bei der Ueberfetzung zu erwarten. Das
ift umfomehr zu beklagen, da die ftillfchweigende Aus-
fage nicht immer ausreichend deutlich fein möchte. Vergleicht
man z. B. II, 7, 11 ff. mit dem Paralleltexte Reg.
I, 9, I ff., fo darf man gewifs annehmen, dafs Kittel das
nbüS nach v. 20, das rWl nöx bsb jT'bJ' nach v. 21 der
Chronik im Königsbuche einfetzen würde; aber dafs er
auch tronb, obsb bsnc b», 311», nvn nach v. 11. 18. 19. 22
der Chronik in der älteren Vorlage befeitigen will, ift
nicht ohne Weiteres ficher. Da er überall mit vollem
Bedacht verfahren ift, müffen wir es bedauern, dafs uns
fein pofitiver Ausfpruch nicht vorliegt. Noch an einer
anderen Stelle Rheinen die angewandten Mittel nicht
ganz auszureichen. Dafs Kittel Ruth 4, 19 ff. für die
Quelle des Chroniften in I, 2, 10—12 hält, wird man
annehmen müffen, fo wenig man damit einverftanden
fein mag, nicht minder, dafs er dort die Worte 133 551©:
mini nach v. 10 der Chronik ergänzen würde. Aber
gewifs will er nicht fagen, dafs der Chronift die beiden
letzten Verfe der Chronik aus Efr. 1, 1—3 gefchöpft
habe. So trifft dort der hellrothe Ueberdruck nicht zu.
Es wäre beffer gewefen, unter v. 21 ein Schlufszeichen
zu fetzen und v. 22 f. als zu Efra gehörig zu bezeichnen.
Endlich mag gefragt werden, wie es möglich ift, dafs
der durch hellblauen Ueberdruck als fpäterer Zufatz
gekennzeichnete Vers I, 1, 10 im Texte, die dunkelblau
= früherem Zufatz bezeichneten Verfe 11—23 ausge-
fchieden unter dem Texte flehen? Dasfelbe gilt von
I, 5, 36b, der dunkelblau unter dem Texte aus hellblauem
Texte herausgehoben ift. Steckt der Fehler
im Druck oder in der Farbenerklärung, oder hat diefe
Bezeichnung doch einen befonderen Sinn?

Mit allen diefen Fragezeichen foll nur darauf hin-
gewiefen werden, dafs fo grelle Unterfcheidungsmittel
wie der P'arbendruck in ihrerÄnvvendung allerlei Schwierigkeiten
mit fich bringen, und dafs das fcheinbar Verwickeitere
dabei oft deutlicher und einfacher fein kann, als
übergrofse Einfachheit. Aber um fo nachdrucklicher
mufs nun betont werden, dafs der Farbendruck auch in

doch als aus biblifcher Quelle gefchöpft, hellroth fein ; der Geftalt, in der er angewendet ift, den gröfsten Nutzen

müfsten. Das Mifsliche jener Bezeichnung fcheint Kittel
gefühlt zu haben, wenn er I, 6, 49 f. aus Jof. 21, 8 f.
unter dem Texte als Entlehnung aus biblifcher Quelle
hellroth überdruckt, ebenfo I, 21, 20 z. Th. und das Citat
aus Mich. 1, 2 in II, 18, 27. Und doch müfsten fie als
nachchroniftifche Zufätze blau fein. Es ift fchwer abzufeilen
, wie bei diefer Beftimmung der Farben ein folches
Dilemma zu vermeiden war. Deshalb hätte es fich wohl
mehr empfohlen, die rothe Farbe den biblifchen Ab-
fchnitten vorzubehalten, und durch dunklere und hellere
Schattirung chroniftifche und nachchroniftifche Entlehnungen
zu unterfcheiden; ebenfo dann die blaue Farbe
für aufserbiblifches Gut abzuftufen. Für frühere und
fpätere Zufätze blieb fo immer noch das Hülfszeichen

gewährt, da er ups geftattet, mit einem Blicke zu überfehen
, was die Ch.onikbücher für jede Zeit an Paralleltexten
, an neuem Stoffe und an chroniftifchen Zuthaten
in engerem Sinne zu bieten haben.

Nicht weniger Sorgfalt hat Kittel der Textkritik gewidmet
. Welchen befonderen Schwierigkeiten diefe bei
den Paralleltexten begegnet, läfst der Verfaffer gelegentlich
(vgl. S. 72 a. E. und S. 73 zu II, 3, 1) ahnen.0 Es
gilt ja nicht den Urtext der betreffenden Abfchnitte
herzuftellen, fondern denjenigen, den der Chronift aus
feiner Vorlage gemacht hatte, die felbft wiederum fich
fchon um ein Beträchtliches von dem Urtext der Samuel
- und Königsbücher unterfchieden haben wird. Die
Anmerkung zu II, 3, 1 erklärt es für höchft wahrfchein-

der fchwarzen Linie über den Worten zur Verfügung, lieh, dafs fchon der Text, der dem Chroniften für die
und auch der Verweifung unter den Text in verfchiede- I Bauten Salomo's vorlag, dem heutigen mafforetifchen
nen Farben ftand nichts im Wege. Jene fchwarze Linie Texte der Königsbücher weit näher ftand, als der Ur-
über dem Texte ift jetzt nur bei dem farblofen Druck text der Berichte, den wir aus den Königsbüchern zu
verwendet, um Aenderungen an den biblifchen Parallel- I gewinnen verfuchen müffen. Unter folchen Umftänden
texten durch den Chroniften oder feine midrafchifche läuft man bei der Reinigung des Gemäldes ftets Gefahr,
Quelle zu bezeichnen. ,Wo diefe Ueberftreichung fehlt, gerade diejenige Schicht der Uebermalung, die dem
obgleich der Text von dem der Parallelftelle abweicht, t Chroniften oder der von ihm benutzten Textgeftalt an-
mufs der letztere nach der Chronik verbeffert werden'. 1 gehört, mit zu entfernen. Kittel ift fich deffen ftets be-
So laufen denn diefe Abweichungen des Chroniktextes wufst gewefen und hat augenfeheinlich mit grofser Beeinfach
im hellrothen Druck durch, ohne durch irgend fonnenheit gearbeitet. Sehr viel und unerquickliche
etwas von dem mit den Paralleltexten völlig überein- Arbeit müffen ihm dabei die faft zahllofen Eigennamen
ftimmenden Wortlaut unterfchieden zu fein. Es ift fehr bereit haben, deren Ueberlieferung bekanntlich befonders
zu beklagen, dafs fie nicht bei rothem Ueberdruck eben- j im Argen liegt. Gerade davon giebt Kittel ungemein
falls fchwarz überftrichen find, fodafs man den text- I forgfältige Rechenfchaft in den Anmerkungen und bietet
kritifchen Gewinn, den die Chronik nach KitteTs wohl- aus den Verfionen und Denkmälern den Stoff zur Nach-