Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1896 Nr. 21

Spalte:

555-557

Autor/Hrsg.:

Oettli, Sam.

Titel/Untertitel:

Der gegenwärtige Kampf um das Alte Testament 1896

Rezensent:

Lobstein, Paul

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

555

Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 21.

556

Nr. 197), Damit ift der wackere Mann, welchen wir bis- I nicht als fpontanes Aufftreben des menfchlichen Geiftes
her nur als politifchen Gefandten kannten, als ein energifch j aus rohen Irrthümern zu gereinigteren Gedankenformen,
evangelifcher Charakter offenbar geworden, neben Polenz, fondern als fortfchreitende Selbftenthüllung Gottes im
Queifs, Heideck, Gattenhofen u. a. eine kräftige Stütze | Offenbarungsbereich, als göttliche Bildungsarbeit an

Albrecht's. Einen zweiten mir unbekannt gebliebenen Brief
bringt Joachim III, Nr. 177; er flammt vom Kanzler
Michael Spielberger und enthält deffen Bekenntnifs: ,Man
mufs beiweilen nach dem Wind fegein'. Das ift charakte-
riftifch für den Mann, der Preufsen 1526 verliefs, als es
— energifch evangelifch wurde. Ein drittes Schreiben
(Hochmeifter an Johann Albrecht, feinen Bruder, vom
c. 5. Auguft 1524) findet fich bei Joachim III., Nr. 184,
worauf hin die von mir in meinem Urkundenbuche II,
Nr. 277 in den November gelegte Vertheidigungsfchrift
Albrecht's in den April 1524 gehört. Endlich enthält
Joachim III, Nr. 192 eine Correctur meines Urkunden-
buches II, Nr. 252: der Adreffat des Schreibens ift
Markgraf Kafimir, nicht Albrecht. — Möchte Joachim mit
derartigen Gaben fortfahren!

Göttingen. Paul Tfchackert.

1. Oettli, Prof. D. Sam., Der gegenwärtige Kampf um das
Alte Testament. Vortrag, gehalten in Berlin den 13. Jan.
1896. Gütersloh, Bertelsmann, 1896. (23 S. 8.) M. —.40

2. Valeton, Prof. D. J. J. P., Christus und das Alte Testament.

Berlin, Reuther & Reichard, 1896. (VIII, 59 S. gr. 8.)

M. 1. —

3- Dalman, Prof. Dr. Guftaf, Das alte Testament ein Wort

Gottes. Ein Vortrag, gehalten zu Eifenach auf dem

Cartelltag der academifch-theologifchen Vereine der ftellung bewegt, mit den Worten einleitet: ,Das Stu

einem meift fpröden und widerftrebenden Stoffe betrachtet
, fo bezeichnet er eben damit einen Standpunkt, der
nicht lediglich auf dem Boden der hiftorifchen Forfchung
zur Entfcheidung gebracht werden kann; was er hier
als Ergebnifs der gefchichtlichen Unterfuchung hinftellt,
ift nämlich eine Glaubensausfage, ein religiöfesWerthurtheil,
zu welchem ihn in letzter Inftanz nicht die Quellenkritik,
fondern religiöfe Motive, praktifche Intereffen des Ge-
müthes nöthigen. Referent ift weit entfernt, dem Ver-
faffer daraus einen Vorwurf zu machen, er ift vielmehr
der Anficht, dafs diefer Thatbeftand klar und unumwunden
anerkannt werden mufs; nur dürfen wir die zwifchen
beiden Gebieten beftehende Grenze nicht ignoriren noch
verrücken; hüten wir uns vor Allem, die religiöfe Wahrheit
, die aus dem Glauben ftammt, durch Erklärungen
zu trüben oder zu kompromittiren, die fie angeblich ftützen
oder begründen follen. Statuiren wir, dafs der hiftorifche
Entwickelungsgang der Religion Ifraels ,fich uns im
Lichte der Offenbarung als Erziehung darfteilt' (S. 19),
fo thun wir dies auf Grund einer Gewifsheit, die uns
durch das Evangelium geworden ift, in welchem wir
den Schlüffel zum religiöfen Verftändnifs des alten Tefta-
mentes gefunden haben. Irre ich nicht, fo werden fich
in diefer Ueberzeugung manche Theologen die Hand
reichen können, die fonft in den hiftorifch-kritifchen
Fragen weit auseinander gehen.

2. Diefe Anficht beherrfcht den Vortrag Valeton's,
welcher die Stellung der Frage, um die fich feine Dar-

deutfchen Univerf.täten am 26. Mai 1896. Leipzig, i dium d« Alten1 Teftaments hat für uns zwei Seiten: dn^

0, */r rem wiffenfchafthche, die fich auf die aufseren Erfcnei-

Hinnchs, 1896. (20 S. gr. 8.) M. —.50 | nungsformen befchränkt, und eine religiös-theologifche,

der es vor allem darauf ankommt, ein Glaubensurtheil

Drei Schriften, die nicht nur zu den grundlegenden
Problemen der altteftamentlichen Religion und Literatur
Stellung nehmen, fondern in letzter Inftanz zur Lehre
von der Autorität der heiligen Schrift und von dem
Wefen und Charakter der göttlichen Offenbarung einen
Beitrag liefern wollen.

1. Dies tritt zunächft in dem Vortrag Oettli's klar
und fcharf hervor. Bei dem gegenwärtigen Kampf um
das Alte Teftament handelt es fich weder um die auf
das Alte Teftament angewendete Lehre von der göttlichen
Eingebung der heiligen Schrift, noch um die
literarifchen Fragen, welche das Alte Teftament der gefchichtlichen
Forfchung aufgiebt, fondern um die Wahrheit
der ganzen altteftamentlichen Religion und um ihren
Zufammenhang mit dem Chriftenthum. Dies fucht Oettli
zuvörderft darzuthun, indem er in gedrängten Zügen den

zu gewinnen. Unfere perfönliche religiöfe Stellungnahme
ift natürlich abhängig von unferm Glauben an Chriftus.
Dagegen legt unfer Glaube der wiffenfchaftlichen Forfchung
kein Hindernifs in den Weg und übt auf fie keinen
andern als einen ethifchen Einflufs aus' . . . ,Was von
Gott offenbar geworden ift, bleibt doch unberührt, und
für den Chriftusgläubigen fleht doch immer unerfchütter-
lich feft die Perfon des Herrn als End- und Zielpunkt
all der Werke Gottes. Nur unfere Anfchauung von dem
Gang und — vielleicht — auch von dem Wefen der
Offenbarung wird eine Umbildung erfahren'. Nach Anerkennung
diefer Thatfache formulirt derVerfaffer den Kern
der Frage dahin, ,ob auch auf Gebieten, die im Uebri-
gen omnium consensu der freien wiffenfchaftlichen Forfchung
offen flehen, ein Ausfpruch Jefu, der uns in den

Entwickelungsgang fchildert, den nach den Hauptver- j Evangelien mitgetheilt wird, fchlechthin alle weitere
tretern der neuen Schule (Kuenen, Wellhaufen, Smend) ! Debatte abfchneidet'. Wenn Jefus Pfalm HO dem Da

die Religion Ifraels genommen hat. Nicht gegen den
Entwickelungsgedanken an fich, fondern gegen die Art
und Weife, wie die Anwendung diefes Gedankens ftatt-
gefunden hat, richtet fich die Kritik des Verfaffers,
welcher die von ihm dargeftellte Conftruction an drei

vid zuweift, das Reinigungsopfer für den Ausfätzigen
und die Benimmungen über den Scheidebrief auf Mofes
zurückführt, die Gefchichtlichkeit der Jonas- und Danielbücher
ftillfchweigend oder ausdrücklich vorausfetzt, fo
entfteht die Frage, ob mit folchen und ähnlichen

entfcheidenden Punkten prüft, der religiöfen Gründung ! Aeufserungen nicht eine Entfcheidung gegeben ift, deren
Ifraels zur Zeit Mofe's, der behaupteten Ethifirung des objective Normativität unter keinen Umftänden eine

Gottesbegriffs durch die Propheten und der Fortdauer,
ja Vollendung des Jahveglaubens im Exil. Ueber diefe
zwifchen den Vertretern der altteftamentlichen Wiffen-
fchaft verhandelten Fragen erlaube ich mir kein Urtheil,
nur über ,die Hauptpofition, welcher in unfern Tagen
der Kampf um das alte Teftament gilt', fei mir eine
Bemerkung geftattet. Wenn Oettli äufsert, dafs auch
vom Standpunkte des kräftigften Offenbarungsglaubens
aus wir nicht das gerinfte Intereffe haben, die natürlichen,
d. h. die in den Gefetzen des geiftigen Lebens begründe

Modification erleidet. Diefe Frage ftellt uns vor das
Problem: ,Wie fteht Jefus zur jüdifchen Bibel?' Ihrem
Inhalte nach waren die Schriften des Alten Teftamentes
allerdings für ihn das Wort Gottes und als folches
Spiegel und Prüfftein feines eigenen Seins, aber fie
ftanden ihm nicht als äufsere Autorität gegenüber, fondern
als eine Geiflesmacht, der er fich verwandt fühlte.
,Es ift Einer, — er felbff —, mit dem Jefus alles in Zufammenhang
bringt ... ja es ift in den Reden des
Herrn nichts Neues als er felbft'. Fragen wir weiter,

ten Vermittelungen und Anknüpfungen zu leugnen, wenn ' was das Alte Teftament in formaler Beziehung, als ge
er andererfeits die Entwickclung der Religion Ifraels j fchichtlich literarifche Erfcheinung für Jefus gewefen ift,