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Ausgabe:

1896 Nr. 21

Spalte:

553-555

Autor/Hrsg.:

Joachim, Erich

Titel/Untertitel:

Die Politik des letzten Hochmeisters in Preussen Albrecht von Brandeburg. 3. T.: 1521-1525 1896

Rezensent:

Tschackert, Paul

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Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 21.

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werden, eine Gefchichte der Verarbeitung und Ergänzung
der evangelifchen Gefchichte durch die Phantafie des
chriftlichen Volkes der verfchiedenen Länder und Zeiten
zu fchreiben: ein Werk, das vielleicht in nicht fehr erfreulicher
Weife, aber beffer als alle Dogmengefchichte
zeigen dürfte, was für den Durchfchnittschriften das
religiös Werthvolle gewefen ift; zugleich aber auch, wie
wenig das Evangelium felbft damit verftanden worden
ift, wie unendlich hoch es über der Menfchen Gedanken
fleht.

Jena. v. Dobfchütz.

Joachim, Erich, Die Politik des letzten Hochmeisters in
Preussen Albrecht von Brandenburg. 3. Thl. 1521—1525.
Veranlafst und unterftützt durch die K. Archiv-Verwaltung
. [Publicationen aus den K. Preufs. Staatsarchiven
, 61. Bd.] Leipzig, Hirzel, 1895. (V, 456 S.
gr. 8.) M. 14. —

Im 50. und 58. Bande der Publicationon aus den K.
Preufsifchen Staatsarchiven hatte der Vorfteher des K.
Preufs. Staatsarchivs zu Königsberg, Archivar Dr. Erich
Joachim, die Politik des letzten Hochmeifters in Preufsen,
Albrechts von Brandenburg, in den Jahren 1510—1517
und 1518—1521 dargeftellt; der vorliegende dritte Band,
mit welchem die Arbeit abgefchloffen ift, bringt die Urkunden
der Jahre 1521 bis 1525, ihrer 236 an der Zahl,
dazu eine Einleitung und die Regifter zum ganzen Werke.
Dem Wortlaute nach liegt das Thema zwar abfeits der
Theologie, aber der Sache nach berührt fich die Politik
des letzten Hochmeifters in Preufsen fo eng mit der
Reformation diefes Landes, dafs eins nicht ohne das
andere erkannt und dargeftellt werden kann. Ift es doch
kein Geringerer als Luther felbft gewefen, welcher im
Herbfte des Jahres 1523 dem Hochmeifter auf deffen
Anfrage, was mit dem Orden gefchehen folle, den Rath
gegeben hat, die tolle Regel fahren zu laffen, zu heirathen
und aus dem Ordenslande ein erbliches Fürftenthum zu
machen. In der Seele des politifch bedrängten geift-
lichen Fürften fiel das Wort des Reformators auf fruchtbaren
Boden, und fchon etwa ein und ein halbes Jahr
fpäter (1525) legte er den Orden nieder, ftellte fich, da
das Deutfche Reich ihn im Stich liefs, unter die Lehns-
oberheit des Königs von Polen und übernahm mit Zu-
ftimmung der Stände des preufsifchen Landes die erbliche
Herrfchaft desfelben unter dem Titel eines Herzogs
in Preufsen. Dafs diefer politifche Vorgang nicht möglich
geworden wäre ohne die evangelifche Umwandlung des
F'ürften, auch nicht ohne die evangelifche Umftimmung
der öffentlichen Meinung des Landes, liegt auf der Hand;
mit Rückficht darauf darf man behaupten, dafs die Reformation
die Säcularifation des Ordenslandes möglich gemacht
hat. Umgekehrt ift erfl nach vollzogener Säcularifation
die entfchiedene Reformation des Landes,
die Einrichtung der evangelifchen Gottesdienftord-
nung, die Dotation der Landeskirche und die Stiftung
der evangelifchen Landesuniverfität möglich geworden
. So erfcheinen Reformation und Säcularifation
in Preufsen aufs engfte verbunden, weil fie fich gegen-
feitig bedingten und förderten. Pfychologifch bleibt dabei
am intereffanteften der erfte Werdeprocefs diefer Umwandlung
, die Jahre 1522 bis 1525, wo die Wege einer
verfchlungenen Politik den Hochmeifter, ohne dafs er es
beabfichtigte, in die kirchliche Reformation hineinführten.
Da nun die oftpreufsifche Reformation an innerem Gehalt
im Bereiche des lutherifchen Proteftantismus unmittelbar
hinter die fächfifche gefiellt werden darf, fo
ergiebt fich für das vorliegende Werk, dafs es von den
Freunden der Reformationsgefchichte entfprechend beachtet
werden follte. Man wird es fchon um des Themas
willen mit Freude begrüfsen. Diefes günfiige Vor-
urtheil wird durch feinen Inhalt aufs glänzendfte beftätigt.

Es zeichnet fich aus durch methodifche Auffuchung und
erfchöpfende Darbietung der Quellen, von denen zahlreiche
bisher unbekannt waren. Die meiden derfelben
entflammen dem an reformationsgefchichtlichen Beftänden
reichen K. Staatsarchiv zu Königsberg; doch hat der
Verfaffer auch die zur Ergänzung dienenden anderen
Archive und Bibliotheken herangezogen. Eine grofse
Anzahl reformatorifcher Perfönlichkeiten, ftaatliche und
kirchliche, werden hier urkundlich vorgeführt und neu
beleuchtet, fo dafs gerade in die dunkelfte Periode jener
Jahre Licht fällt. Dietrich v. Schönberg, Michael v.
Drahe, Georg Klingenbeck, Friedrich v. Heideck, Chriftoph
v. Taubenheim; Kanzler Spielberger, Chriftoph Gattenhofen
, Dr. jur. Friedrich Fifcher, Procurator Dr. Bufch,
Chriftian Entfelder u. a. m. mögen befonders genannt
werden abgefehen von der Correfpondenz des Hochmeifters
mit den hohen politifchen Perfönlichkeiten von
faft ganz Europa, Karl V, Hadrian VI, Erzherzog Ferdinand,
Kurfürft Joachim I von Brandenburg, Cardinal Albrecht
von Mainz, König Sigismund von Polen, Ludwig von
Ungarn, den Königen von Frankreich, England, Schottland
, Dänemark u. f. w. Die Art der Wiedergabe der
Urkunden wüfste ich nicht zu beanftanden; die wichtigen
Stücke werden ausführlich, nach den für archivalifche
Publicationen üblichen Normen, die minder wichtigen
in Regeftform edirt. Zu wünfchen wären aber doch
reichlichere hiftorifche Erklärungen; fie fehlen faft ganz;
die fehr dankenswerthe ,liinleitung', welche ja allerdings
der Commentar zu allen Urkunden ift, bietet doch ihrem
Wefen nach nicht zugleich die bei den einzelnen Urkunden
wünfchenswerthe Erläuterung. Woher kommt
zum Beifpiel der in der letzten Urkunde unvermittelt in
der Gefchichte Preufsens auftretende Chriftian Entfelder
1525 (Nr. 236)? Ift er identifch mit dem fpäter, in den
vierziger Jahren in Königsberg auftauchenden ,Rath' des
Herzogs Albrecht, worüber in meinem ,Urkundenbuche'
III (1890) die weiteren Quellen gedruckt find? Dann
enthält diefe Nummer Joachim's (III, Nr. 236) die erfte
urkundliche Feftlegung diefes in der Gefchichte des
Täuferthums hervorragenden Mannes, welcher eine Bedeutung
hat, die weit über Preufsen hinausliegt (vgl.
Keller, L., die Reformation u. f. w. 1885 sub voce im
Index). Gern möchte ich, da ich mich gerade mit den
Lehren der Täufer befchäftige, über ihn mehr erfahren. —
Die geiftige Durchdringung des hier vorliegenden Quellen-
ftoffes liegt in der S. 1—136 vorangefchickten ,Einleitung'
vor; fie enthält eine ftreng wiffenfchaftliche, objective
Gefchichte der Politik Albrecht's von 1521 —1525. Ich
freue mich, berichten zu dürfen, dafs der Verfaffer S. 91
auf Grund feiner ausgezeichneten Kenntnifs der ein-
fchlagenden Quellen fein Einverftändnifs mit meiner Auf-
faffung und Darftellung der preufsifchen Reformationsgefchichte
(,Urkundenbuch zur Reformationsgefchichte
des Herzogthums Preufsen. 3 Bände 1890 = Publicationen
aus den K. Pr. Staatsarchiven Bd. 43—45) hat ausfprechen
können.

Dafs er auf feiner archivalifchen Warte meiner Darfteilung
,leicht hier und dort ein helleres Licht auffetzen
könnte', glaube ich ihm gern, und ich bitte ihn nur, feine
Forfchungen im Königsberger Archiv auch dem kirchlichen
Leben des Reformationszeitalters zuwenden zu
wollen. Es ift fchon aus der vorliegenden ,Politik' die
preufsifche Reformationsgefchichte an einigen Stellen
recht charakteriftifch aufgehellt worden; die fchönfte
Gabe aus diefer Sammlung ift der Brief des Rathes
Georg Klingenbeck an den Hochmeifter Albrecht vom
9. Oct. 1524 aus Onolzbach, in welchem er feinen Herrn
vor Lockungen des Papftes und der Cardinäle warnt,
welche ihn ,von Chrifto und dem gebahnten rechten
Wege' ab und ,zu dem höllifchen Reiche' hinbringen
wollen. ,Hätte auch Luther ihrem Gift, dafs fie ihm in
Honig einftreichen wollen, nachgegangen, er wäre vielleicht
auf die Zeit ein hoher Hans bei ihnen' (Joachim III.,