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Ausgabe:

1896 Nr. 21

Spalte:

541-544

Autor/Hrsg.:

Schwartzkopff, Paul

Titel/Untertitel:

Die Weissagungen Jesu Christi von seinem Tode, seiner Auferstehung und Wiederkunft und ihre Erfüllung 1896

Rezensent:

Baldensperger, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 21.

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Oft ift die Erklärung recht oberflächlich, fo z. B. an der

Stelle 653_56, wo ein exegetifches Problem fteckt, das

mit der ° Evangelienfrage in Zufammenhang fteht. Der
Ausdruck öiuusgdaavxtg i/il yr)v ift nicht erläutert, das
negitogauoi1 und neßicpSQSiV bleibt unerklärt, ebenfo das
o/roi ly/.'ovor oxi saxiv. Was gefagt werden mufste, fteht
bei Meyer-Weifs. Zu I 4 y.rjgvGGOJV ßccnxioiia vgl. Joel
215: Ktjöv^eas SeQU-weiav, zu i6 war die LA. von D
doch wenigltens zu erwähnen (ötggiv ftatt xgiyag und
xai tfävnv — oawvv avxnv om). — Die Kloftermann'fche
Erklärung von dgyr] siayyellov könnte nachgerade ver-
fchwinden; um dem Lefer aber ein freies Urtheil zu
ermöglichen, mufste wenigftens zum Verftändnifs anderer
Auffaffungen die Stelle Hof. I2: dgxj] Myov y.vgiov hv
'Qöfjt erwähnt werden. — Um i10 eu&ig dvaßaiviov zu
erklären, mufsten verfchiedene Möglichkeiten erwogen
werden; die Entfcheidung kann freilich nur auf Grund
einer forgfältigen Unterfuchung des Sprachgebrauchs
gegeben werden cf. 7,5. Obwohl der Verfaffer es fonft
nicht an Seitenblicken auf Matth, und Luc. fehlen läfst,
fehlt ein folcher bei der Verfuchungsgefchichte, bei i14 f.
und anderen, gerade fchwierigen Stellen. — Was nützt es
dem Lefer, der nicht das ganze Material beherrfcht,
wenn bei 1 16 bemerkt wird, die Wiederholung des
Namens Simon fei für Mc. charakteriftifch, wenn doch
keine Stellen citirt werden? Die Bemerkungen zu 6 viog
t. dv&Qidnqv 210.2ä genügen heute nicht mehr, da die
Fragen fich fchon feit einigen Jahren verfchoben haben.
— 6 39 fei wegen des grünen Gräfes, 7, wegen der
neuen Thätigkeit der Schriftgelehrten (?) eine Paffahzeit
vorausgefetzt, — eine Beftätigung der Tohanneifchen
Chronologie. — Kad-agitiov ndvxa xd ßgiöiiaxa (7l;i) bezieht
der Verfaffer auf das Subject des vorhergehenden
fdyti, alfo auf Jefus zurück; er habe durch diefe Sprüche
alle Speifen für rein erklärt. Wer kann diefe Conftruc-
tion dem griechifchen Text abmerken? — Zu 72? mufs
der Exeget bemerken, dafs das Bild von den Kindern,
die zuerft gefättigt werden follen, ganz unvermittelt und
fchroff eintritt. Hier lohnt fich dann ein Seitenblick auf
Matth., bei dem diefer Anflofs vermieden ift, weil von
vorn herein das Gleichnifs eingeführt ift, das bei Mc.
nachhinkt. — Die Erörterung über 9,2 fafst nicht genügend
andere Möglichkeiten der Conltruction ins
Auge.

So könnten noch viele Stellen genannt werden, an
denen der Verfaffer im Beftreben, kurz zu fein und
lesbar zu fchreiben, die eigentlichen exegetifchen Probleme
nicht fcharf genug herausftellt. In folchen Fällen wird
weder die Wiffenfchaft gefördert, noch der Lernende
zur Selbftändigkeit erzogen. Kürze ift zwar des Witzes
Seele, aber die Exegefe mufs unter dem modifchen
Beftreben, die Wiffenfchaft handlich zu machen, fchwer
leiden.

Marburg. . J. Weifs.

Schwartzkopff. Paul, Die Weissagungen Jesu Christi von
seinem Tode, seiner Auferstehung und Wiederkunft und ihre
Erfüllung. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht, 1895.
(VIII, 295 S. gr. 8.) M. 4. -

Eine grofse Arbeit über die gefammte Gottesoffenbarung
in Jefus Chriftus ftellt der Verf. der theologifchen
Welt in Ausficht. Vorliegender Band über die Aufer-
ftehungs- und Wiederkunftsweisfagungen bildet nach
feiner Ausfage nur den 4. Theil des Ganzen. Mit diefen
Weisfagungen aber eröffnet er den Reigen, weil er darin
,den Prüfftein für die pfychologifche Unterfcheidung des
Göttlichen und Menfchlichen in Chrifti Seelenleben' erblickt
. Seiner kritifchen Arbeit legt er nämlich einen
doppelten Mafsftab zu Grunde, ohne welchen die bisweilen
fich widerfprechende Ueberlieferung von Jefus
nicht zu verftehen fei: 1) die menfchliche Unvollkommen-

heit feines Erkenntnifsvermögens, wie fie fein Urtheil
über Pfalm HO, feine Vorftellung von der Dämonenwelt
und einzelnes mehr bekunden, und 2) die fittliche Vollkommenheit
oder die Sündlofigkeit feines Lebens, wie
fie fich als unabweisbarer Gefammteindruck feiner Perfon
ergebe.

Diefes pfychologifche Intereffe an der Perfon
Jefu hält fich der Verfaffer offenbar zu Gute. Er meint
damit feinen Anfchlufs an die neueften Unterfuchungen
über die Perfon und die Religion des Stifters des
Chriftenthums zu bewähren. Es mag auch fein, dafs
die beiden genannten, dem Verf. fo wichtigen Gefichts-
punkte die Perfon Jefu dem modernen Bewufstfein nahe
bringen; gewifs aber werden fie der hiftorifchen Beftimmt-
heit diefer Perfon und ihres Bewufstfeins nicht gerecht
und find darum doch dem tieferen Verftändnifs der
modernen Lefer eher hinderlich als günftig. Sie bezwecken
eine richtige Abgrenzung zwifchen dem Gött-

i liehen und Menfchlichen in Chriftus und bekunden dadurch
, dafs der Verf. vielleicht unbewufst noch immer
unter dem Banne der hergebrachten Chriftologie fteht.
Trotz des modernen Anftrichs, den er feiner Darfteilung
durch feine pfychologifchen Erörterungen zu verleihen
fucht, bleibt die Problemftellung die alte. Sie ift dog-
matifch bedingt. Die Mafsftäbe der Beurtheilung find
von aufsen an Jefus herangebracht. Sie ergeben fich nicht
aus dem was in dem lebendigen Mittelpunkt feines per-
fönlichen Empfindens und des Denkens feiner Zeit liegt.

, Die meffianifche Stellung Jefu und feine Predigt vom
Gottesreich find hiftorifch gewifse Data, die allein ein
richtiges Verftändnifs feiner Perfon gewährleiften, während
fittliche Vollkommenheit uncontrolirbar und mit der
jeder menfchlichen Perfönlichkeit eignenden Entwickelung
fchwer vereinbar ift. In dem meffianifchen Glauben
ferner, wie er fich befonders in den Wiederkunftsver-
heifsungen zeigt, liegt auch die Schranke Jefu, die fich
dann aber für den Hiftoriker nicht zuerft als Unvoll-
kommenheit feines perfönlichen Erkenntnifsvermögens,
fondern als Eigenart feines ganzen Gefchlechtes und
damit auch als einzige Möglichkeit einer Verftändigung
mit ihm erweift. In diefem Zufammenhang verlieren die
dem Verf. beliebten Gefichtspunkte an Boden. Seine Betrachtungsweife
erfcheint zu formal, atomiftifch, willkürlich
. Diefem logifchen Formalismus entfpringt es auch,
wenn z. B. von vornherein auf dem Wege der Deduction
als Grundzüge der Heilsoffenbarung Jefu der Individualismus
, der Subjectivismus, der Ethicismus, der Pneumatis-
mus und der Univerfalismus aufgezählt werden, was
jedoch den Verf. nicht abhält nachzuweifen, dafs in
Wirklichkeit diefe Principien in feiner Lehre keine reine
Anwendung finden und dafs in Folge davon jede Einzel-
anfehauung Jefu an dem Texte zu ermitteln fei.

Eine richtige Werthfehätzung des Centralen in dem
gefchichtlichen Chriftusbild würde eine völlige Umge-
ftaltung der vorliegenden Unterfuchung nachgezogen
haben. Ja mit diefem Viertel feiner Gefammtarbeit hätte
der Verf. die Veröffentlichung dann gar nicht begonnen.
Es wäre ihm nicht beigekommen, das Wefen der Perfon
Jefu in erfter Linie an Weisfagungen verftändlich
zu machen, da, wie er felbft zugiebt, Jefus ohne feinen be-
vorftehenden Tod ,feine Hauptweisfagungen' im Wefent-
lichen nicht gefprochen hätte, und ,feine Aufgabe an fich
nicht nothwendig mit dem Vorherfagen etwas zu thun
hatte (f. p. 12). Ganz typifch für die über der Gefchichte
fchwebende Methode des Verf. ift es zuletzt, wenn er
feine Darftellung der Auffaffung Jefu vom Gottesreich
der Betrachtung der Wiederkunftsweisfagung unterordnet
und parallel damit von Zweck, Form und Termin
der Wiederkunft handelt, als wären diefe Punkte dem
ersteren ganz homogen.

Die eigentliche Unterfuchung hebt an mit einem
kürzeren Abfchnitt über den Todesgedanken Jefu. Der
I Tod befafs für ihn prophetifche Gewifsheit, d. h. ver-