Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1896 Nr. 20

Spalte:

527

Autor/Hrsg.:

Heissenberg, Aug. (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Nicephori Blemmydae curriculum vitae et carmina 1896

Rezensent:

Meyer, Ph. L.

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

527

Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 20.

528

Nicephori Blemmydae curriculum vitae et carmina, nunc pri-
mum edidit Aug. Heisenberg. Praecedit dissertatio
de vita et scriptis Nicephori Blemmydae. Leipzig,
Teubner, 1896. (X, 136 S. 8.) M. 4. —

Der Verfaffer, ein Schüler Karl Krumbacher's und von
diefem für die Byzantiniftik angeregt, hat bei feinen
Arbeiten über Georgios Acropolites die Bedeutung des
Bl. kennen gelernt. Da entdeckte er in der Münchener
Bibliothek die Autobiographie des Letzteren und hat
nun vorläufig feine Studien diefem zugewendet, deren
reife Frucht wir in dem vorliegenden Werke kennen
lernen.

Heifenberg veröffentlicht in feinem Buche zum erften
Male die entdeckte Selbftbiographie des BL, fodann drei
Capitel aus dem Typikon desfelben, endlich verfchiedene
Gedichte und die von Bl. gefchriebene Akoluthie des
Gregor v. Nazianz. Als Einleitung wird vorausgefchickt
eine auf Grund der neuen Biographie und mit Berück-
fichtigung der übrigen Literatur gearbeitete Vita des
BL, fodann eine forgfältige Befprechung aller Werke
desfelben, auch derer, die bereits veröffentlicht find. Dadurch
gewinnt das Buch eine umfaffende Bedeutung auf
dem Gebiete.

Durch die Autobiographie ift zum erften Male das
Leben des BL, das fonft nicht fehr genau bekannt war,
feftgeftellt worden. Wir hören von feinen Jugendjahren,
feinen Studien, feinen Schülern, feinem Mönchthum und
feinem charaktervollen Verhalten zum Hof und zur
Kirche, wodurch auch für fonftige Zeitverhältnifse manches
bekannt wird. Das neuherausgegebene Typikon
bringt zwar nur Bruchftücke, denn es ift verloren bis auf
vier Capitel. Schade ift, dafs der Verfaffer, der doch
wufste, wie fpärlich diefe Literatur bisher vertreten ift,
nicht auch das vierte Capitel hat abdrucken laffen. Uebri-
gens bemerke ich, dafs das Cap. 9, foviel ich mich entrinne
, ziemlich ganz citirt ift von Pachomios Rhufanos
in einem feiner Briefe (Hellenomnimon von Mustoxydes
S. 653 ff.). Intereffant ift darin, dafs Blemmydes fich
hier, der ftrengen Richtung in der Sache folgend, dafür
ausfpricht, dafs man den Unterfchied zwifchen dem
grofsen und kleinen oyypia im Mönchthum nicht zulaffen
folle. Die veröffentlichten Gedichte des BL, über die
ich mir keine Meinung erlaube, find nach dem Urtheil
des Herausgebers nicht ohne Werth.

Bei der Befprechung der übrigen Werke des BL,
namentlich der theologifchen, ift von Bedeutung, was
Heifenberg über die Stellung feines Helden zur Lehre
von dem Ausgang des h. Geiftes und damit zur Union
fagt. Bisher galt, trotz manches Widerfpruchs, doch
die Meinung des Leo Allatius, dafs Bl. ein Verfechter
des filioque gewefen. Kaum bekannt und berückfich-
tigt war der lebhafte Widerfpruch der Griechen, namentlich
des Eugenios Bulgaris, der feinerfeits den Bl. als
Vertheidiger der griechifchen Orthodoxie in Anfpruch
nahm. Der Verfaffer ift der Erfte, der nach Einficht in
das gefammte Actenmaterial urtheilt. Er kommt mit
Recht zu der Anficht, dafs Bl. eine Mittelfteilung in der
Sache eingenommen hat. Bl. lehrte den Ausgang des
h. Geiftes ex naigog öiä xnv viov.

Im Allgemeinen bemerke ich, dafs das Buch darum
noch von befönderem Werthe ift, weil es vorzügliche
Literaturangaben, auch aus der neueren griechifchen
Theologie enthält. Es ift übrigens dem Gymnafium der
Vaterftadt des Verfs., Osnabrück, zum dreihundertjährigen
Jubiläum (1895) gewidmet.

Hannover. Ph. Meyer.

Baconi, Franc, Baronis de Verulam etc., confessio fidei

anglico sermone ante a. MDCIV conscripta; cum
versione latina a Guil. Rawley, s. Th. D., domina-
tioni suae a sacris et operum ejus editore a. MDCLIII

evulgata. Nunc denuo typis excusa cura et impensis
G. C. Halle, Niemeyer, 1896. (31 S. 12.) M. 1.—

Wer es ift, der das Glaubensbekenntnifs, das Francis
Bacon hinterlaffen hat, hier herausgegeben hat, werden
nur die Eingeweihten aus der Andeutung, dafs das
Schriftchen ,cura et impensis G. C gedruckt fei, entnehmen
. Die Vorrede notirt die Urtheile J. Spedding's,
C. de Remufat's und des Abts J. A. Emery über dasfelbe.
Der Herausgeber bemerkt felbft nur, dafs er, genützt
auf diefe Urtheile, glaube, es fei der Mühe wohl werth,
es denuo evulgare. ,Immo non dnbito, quin hoc testinio-
nium praeclarum Christianae Veritatis, tali a viro pro-
fectum, 11011 mediocriter ad fidelium omnium pietatem et
caritatem fulciendam collaturum stf. Der Herausgeber
datirt feine Vorrede aus Halle.

Es ift eine immer noch nicht ganz ausgetragene
Streitfrage, wie Bacon zur Religion geftanden habe. Bekanntlich
will er die Philofophie und, zwar nicht die
Religion überhaupt, wohl aber die chriftliche Religion,
total auseinanderhalten. Ein gewiffes Maafs von Religion
, die natürliche Religion d. h. den Glauben an einen
weifen Schöpfer, hält er für ein nothwendiges Element
einer auf die Empirie fich nützenden Welterkenntnifs.
Es ift leichter, meint er, an die abenteuerlichften Fabeln
des Korans, Talmuds etc. zu glauben, als zu glauben,
dafs die Welt ohne Verftand gemacht fei. Zur Widerlegung
des Atheismus reiche die Natur vollkommen aus.
Aber die natürliche Religion oder Theologie, die ihm
mit zur Philofophie gehört, ift weit etwas anderes, als
die chriftliche Religion und Theologie. Für Bacon ift,
darüber kann fchwerlich ein Zweifel walten, ganz im
Sinne der orthodoxen Zeit die chriftliche Religion
identifch mit einem beftimmten Lebrfyftem. Indem er
nun diefe Religion dadurch von aller Philofophie unter-
fcheidet, dafs er ihre Befonderheiten, ihre eigentlichen
Lehren, für völlig unbeweisbar erklärt, zugleich aber behauptet
, als Offenbarungswahrheit fie rundum und ohne
jeden Streit gelten laffen zu wollen, fo find die Hiftoriker
getheilt in der Deutung feines Verhaltens. Zuletzt hat
noch Windelband als das allein Glaubliche bezeichnet,
dafs Bacon blofs, um von Seiten der Kirche nicht befeindet
und geftört zu werden, den Anfpruch des
Chriftenthums darauf, dafs es eine Offenbarung repräfen-
tire, zugeftanden habe. Er habe fich vornehm und kurz
mit der Kirche abgefunden, ihr den erhobenen Anfpruch
aber in fo eigenthümlicher Weife concedirt, dafs wer
tiefer blicke und pfychologifch zu urtheilen verliehe,
nicht verkennen könne, wie er das Dogma gerade dadurch
unfchädlich zu machen verfuche, dafs er es der
Vernunft gänzlich entrücke und rundum als ,Offenbarung'
bezeichne. Indem er die Grenze zwifchen Vernunft und
Offenbarung als eine unüberfchreitbare hinftelle, den
chriftlichen Glauben abfolut in die Sphäre des logifch
und erfahrungsmäfsig nicht Controllirbaren banne, fo
habe er feiner Philofophie Raum gefchafft und den
Glauben erft recht dem allmählichen Abfterben entgegengeführt
. Kuno Fifcher hat anders geurtheilt und gemeint
, dafs es keineswegs nöthig fei, bei Bacon, deffen
Intereffe allerdings in erfter Linie auf der Seite der
Philofophie liege, nicht auf der der Religion, eine völlige
Gleichgültigkeit gegen die Kirche, gar eine bewufste Ablehnung
des chriftlichen Dogma's, anzunehmen. Ich kann
Fifcher nur Recht geben. Auch das jetzt wieder abgedruckte
Bekenntnifs bewegt mich dazu. Bacon hat es
,vor 1604' für fich privatim englifch aufgefetzt, gedruckt
wurde es erftmals (in englifcher Sprache und mit latei-
nifcher Ueberfetzung) etwa dreifsig Jahre nach feinem
Tode, 1653, von W. Rawley, dem Herausgeber mehrerer
feiner nachgelaffenen Werke. Dafs Bacon nach 1604
anderer Meinung geworden fei, ift mir im Hinblick auf
Fifcher's Erörterungen wenig wahrfcheinlich. Bacon
I kann durchaus perfönlich ftets fo geglaubt haben, wie