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Ausgabe:

1896 Nr. 20

Spalte:

524-525

Autor/Hrsg.:

Bernoulli, Carl Albrecht

Titel/Untertitel:

Das Konzil von Nicäa 1896

Rezensent:

Krüger, Gustav

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523

Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 20.

524

Bonus, Albertus, A. M., Collatio codicis Lewisiani rescripti
evangeliorum sacrorum syriacorum cum codice Curetoniano

(Mus. Brit. Add. 14,451). Cui adiectae sunt lectiones
e Peshitto desumptae. Oxonii, e prelo Clarendoniano,
1896. (X, 95 S. 4.) 8 s. 6 d.

Die hier anzuzeigende Collatio codicum Lewisiani et
Curetotiiaiti, wie der Untertitel heifst, hat vor der in
Nr. 12 Sp. 317 f. befprochenen von Dr. Holzhey mancherlei
Vorzüge.

1. find in ihr die umfangreichen Texttheile verwertet
, welche durch die letzte Bemühung von Mrs.
Lewis gewonnen wurden; f. ebenda Sp. 316 ,Some
pages' etc.

2. berückfichtigt fie in einer dritten Spalte auch die
Pefchito. Zwar nicht fo, dafs fämmtliche Abweichungen
derfelbenvon den beiden anderen Texten verzeichnet
würden, aber fo, dafs wo aus L(ewis) und C(ureton) eine
Variante zu verzeichnen war, auch die Lesart von P
mitgetheilt wird. Man darf alfo ja nicht den Schlufs
ziehen, dafs an allen andern Stellen P mit CL überein-
ftimme. Dies ift namentlich bei denjenigen Abfchnitten
zu beachten, wo eine der beiden Handfchriften fehlt.
Für M 8, 22—10, 32 fehlt z. B. C, alfo haben wir für
diefe ganze Strecke keine Variante.

3. ift am untern Rand zu der Pefchito, welche mit
Recht nach der Ed.' Er. des aus dem Ulmifchen flammenden
Albert Widmanftadt benützt ift, eine vati-
kanifche Evangelienhandfchrift vom Jahr 548 beigezogen,
welche in Gwilliam's fchon 1891 angekündigter Ausgabe
der fyrifchen Evangelien die Nummer 40 führen wird und
durch die geringe Zahl ihrer Varianten die Conftanz des
Pefchito-Textes und die Trefflichkeit von Widmanftadt's
Ausgabe bezeugt.

4. ift die ganze Arbeit mit grofser Genauigkeit her-
geftellt. Es find z. B. die Sp. 317 beanftandeten Stellen
Holzhey's hier alle richtig (in der dortigen Lifte bitte ich
l 12, ,29' und bei V. 49 [,(zwei Fehler)'] zu ftreichen).
Selbft auf die Zeilenanfänge d. h. Paragrapheneintheilung
ift die Vergleichung ausgedehnt. Aber in feinem Eifer
geht der Verfaffer zu weit. Dafs er die Lesarten in drei
Spalten vorführt, will ich nicht hervorheben, nachdem
ich fchon bei Holzhey den Spaltendruck als unnöthige
Raumverfchwendung beanftandet habe. Aber nun vergleiche
man — in der erften Spalte fleht die Lesart des
,Lewisianus', in der zweiten die des ,Curetonianus in der
dritten die der ,Peshitto' — bei M 2, 2

nb ■napi ibjesi | nb nao ibsai | nb nao ibsai

Wie viel Typen mufs man da vergleichen, um zu lernen,
dafs CP das 1 vor nao weglaffen! Wie viel einfacher
hätte fleh das bezeichnen laffen!

Ebenfo ift ganz ärgerlich, dafs der Verfaffer in den
hunderten von Fällen, wo P entweder mit L oder mit C
flimmt, dies nicht einfach durch die betreffende Sigel
mit oder ohne Gleichheitszeichen ausgedrückt, fondern
jedesmal die betreffende Lesart wiederholt hat. Nun
mufs ich jedesmal die drei Spalten, und zwar, wenn ich
ficher gehen will, Buchftabe für Buchftabe vergleichen,
wo mich ein einziger Blick über den Thatbeftand einer
ganzen Seite hätte aufklären können.

Weiter ift es ungefchickt, dafs der Verfaffer, um die
Raumverfchwendung nicht gar zu weit zu treiben, in
einer einzelnen Zeile nicht feiten 2 oder 3 Lesarten zu-
fammennimmt, die gar nichts mit eineinander zu thun
haben. Zu M 4, 12 z. B. lefen wir

13» innnx | brs abn»« | 130 pbnüK

Anders ausgedrückt heifst das: 7iaguöiöovui wird von
L durch -jnü von CP durch übVS, avcr/iogav von PL durch
"TO, von C durch btX überfetzt.

Endlich ift wie bei Holzhey als Staudard das eine
Mal L, das andere Mal C gewählt, theilweife orthogra-
phifcher Ballaft mitgefchleppt, der keinen Werth hat und

auf ftatiftifche Zufammenftellung regelmäfsig wiederkehrender
Lesarten verzichtet.

Es wäre fehr erwünfeht, wenn von erfahrener Seite
einmal eine Anleitung ausgearbeitet und veröffentlicht
würde, wie Collationen am beften angeftellt und wie fie
am beften gedruckt werden.

Die Vorrede, welche ,Alp/iingtoniae prope Iscam
Damnoniornm a. d. MDCCCXCVL datirt ift, giebt einige
allgemeine Bemerkungen über das Verhältnifs der drei
Texte, überläfst es aber dem Lefer, das Ergebnifs aus
dem fo forgfältig vorgeführten Thatbeftand zu ziehen.
Für die verhältnifsmäfsig noch fo grofse Klaffe der A-
Syrer unter unferen neuteftamentlichen Exegeten und
Textkritikern ift das Buch nicht, und da Mrs. Lewis die
ihrer englifchen Ueberfetzung beigegebene, fo dankens-
werthe Zufammenftellung (S. 109—139) auf die Aus-
laffungen und Zufätze befchränkte, welche den neuen
Text dem Weftcott-Hort'fchen gegenüber charakterifiren,
die übrigen Varianten aber in diefem Verzeichnifs nicht
berückfichtigte, fo bleibt der Wunfeh nach einer Jederman
verftändlichen Ueberficht über die Befchaffenheit des
neuen Textes einftweilen noch unerfüllt. Nachdem fein
Text gedruckt war, hat der Verf. Cureton's Handfchrift
im Britifchen Mufeum eingefehen. Sind die beiden S. [X]
aufgeführten Stellen 1 7, 34 21, 21 die einzigen, wo eine
Ungenauigkeit der Ausgabe zu verzeichnen war? Das
wäre fehr erfreulich.

Ulm. E. Neftle.

Bernoulli, Priv.-Doz. Lic. Carl Albr., Das Konzil von

Nicäa. Habilitationsvorlefung. Freiburg i./B., J. C. B.
Mohr, 1896. (III, 36 S. gr. 8.) M. —.80

Das Concil von Nicäa monographifch und zwar vornehmlich
unter dem Gefichtspunkt ffpeculativer Würdigung
der bedeutenden Perfönlichkeiten' zu behandeln, war ein
guter Gedanke, und, wie ich gleich hinzufügen möchte,
die Ausführung verdient das gleiche Prädicat. Wenn
diefe Habilitationsvorlefung auch gut vorgetragen wurde,
fo hat fleh Bernoulli damit als Docent ebenfo vor-
theilhaft eingeführt, wie er es als Gelehrter durch feine
Arbeit über die Viri illustres des Hieronymus gethan
hat. Diefe Vorlefung hat aber gegenüber der zu breit
und umftändlich angelegten gelehrten Unterfuchung den
Vorzug, dafs fie formell vortrefflich gearbeitet ift. Die
Sprachkunft des Verfaffers erhebt fich entfehieden über
das Durchfchnittsniveau —■ ,Congreffe befammeln' kann
man freilich im Schriftdeutfeh nicht fagen —, und, wenn
auch B. der Gefahr eingedenk fein mufs, die dem Hifto-
riker im Geiftreicheln droht, fo mufs man doch zugeben,
dafs feine Apergus meift treffend find und jedenfalls der
Rede — und um eine folche handelt es fich hier —
ein lebhaftes Gepräge geben.

Bernoulli ift fich bewufst, dafs fein Verfuch, eine
möglichft plaftifche Darftellung der Verhandlungen, einen
möglichft eindringlichen Einblick in die treibenden Kräfte
zu geben, beim Stande unferer Quellen nothwendig
fubjectiv ausfallen mufste. Weil ich das anerkenne und
mich freue, dafs endlich einmal wieder Jemand auftaucht,
der es wagt, uns abgerundete Bilder zu geben, will ich
mit ihm über Einzelheiten nicht rechten. Doch wird es
geftattet fein, Einiges hervorzuheben, wo Differenzen
möglich find. In feiner Beurtheilung des Kaifers ftellt
fich Bernoulli ganz auf Seiten Burckhardt's, deffen
berühmtes Urtheil er mit den Worten unterfchreibt, dafs
damit ein für alle Mal die Frage nach dem perfönlichen
religiöfen Bewufstfein des Kaifers erfchöpft fei. Ich gehöre
nicht zu denen, denen es unangenehm wäre, wenn
,wir eines der denkwürdigften gefchichtlichen Erlebnifse
des Chriftenthums, feine Erhebung zur Reichskirche,
einem Manne danken müfsten, der, hätte Burckhardt
Recht, mit feiner Protection das damalige Chriftenthum
nur compromittiren würde'. Das wäre mir fogar völlig