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Ausgabe:

1896 Nr. 18

Spalte:

477-479

Autor/Hrsg.:

Goldschmidt, Lazarus (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Der babylonische Talmud. (Venedig 1520-23) 1896

Rezensent:

Kahan, Israel Isak

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Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 18.

47«

fetzende Erörterung von Ort und Zeit der Entftehung
des Briefs nicht von ihm, fondern, wie gewöhnlich, vom
Philemonbrief ausgeht, ohne doch auch von diefem aus
zu einem fichern Refultat zu kommen.

Hort beginnt die Unterfuchung über die Echtheit
des Epheferbriefs mit einer vorfichtigen Prüfung der
äufseren Zeugnifse, der man nur zuftimmen kann. Was |
aber die innern betrifft, fo hat Hort damit, dafs er die j
Uebereinftimmung der Beurtheilung des Verhältnifses
von Juden- und Heidenchriften hier und im Römerbrief
nachweift, die Echtheit des unfrigen doch nur dann
wahrfcheinlich gemacht, wenn derfelbe bald auf jenen
folgte, aber nicht durch den andersartigen Galaterbrief
von ihm getrennt war, wie ich trotz von Soden's fum-
marifcher Verwerfung meiner dafür beigebrachten, von
ihm aber mehrfach ungenau wiedergegebenen Gründe
noch immer behaupten mufs. Auch die Lehre von der j
Kirche ift nur dann unauffällig, wenn man ganz davon
abfieht, dafs fie als Chrifti -r/.ijwno« bezeichnet wird, ein j
Ausdruck, der im Kolofferbrief in ganz anderm Sinn |
vorkam. Das von Jülich er übergangene Bedenken !
gegen 3, 6 fucht Hort allerdings als unbegründet zu er-
weifen, aber auf Grund fo ungefchichtlicher Voraus-
fetzungen über das Verhältnifs zwifchen Paulus und den
Zwölfen, dafs ihm wenige beiftimmen werden. Ebenfo
dürfte er mit feiner Deutung von uvuyivwa/.nvttq 3, 4
auf die Leetüre der prophetifchen Theile des alten
Teftaments fchlechterdings alleinftehen. Der Unterfchied
des Stils von dem der anderen paulinifchenBriefe erklärt fich
auch noch nicht, wenn man neben Hort den Commen-
tar zum Römerbrief von Sanday und Headlam (1895,
LIV ff.) zu Rathe zieht, den ich demnächft hier anzeigen
zu können hoffe — ganz abgefehen davon, ob wirklich,
wie die letzteren behaupten, der Schreiber, dem Paulus
dictirte, auf die Geftaltung feines Stils einen Einflufs
ausüben konnte. Beachtenswerther find die Ausführungen
über den abweichenden Sprachgebrauch, der fich in der :
That zum grofsen Theil durch die Befonderheit des j
Inhalts und den Zufall erklärt. Nur gilt das nicht von
dem Gebrauch der Partikeln, der ja auch bei den (von
Hort übrigens für echt gehaltenen) Paftoralbriefen zum
Verräther wird. Endlich aber würde die Unechtheit des
EpheferbriefesauchnochausfeinerAbhängigkeit vomerften
Petrusbrief, der nicht wohl vor der Zeit Domitian's ent-
ftanden fein kann, folgen — wenn fich diefelbe nur im
Gegenfatz zu der umgekehrten, auch von Hort vertretenen
Annahme ficherer darthun liefse, als es wirklich
möglich ift. Nur darin wird er alfo zum Schlufs
doch noch Zuftimmung verdienen, dafs er einen befon-
deren Zweck des Briefes leugnet; im übrigen dienen
feine Ausführungen im wefentlichen nur dazu, die Lichtheit
des Epheferbriefes von neuem als unhaltbar zu
erweifen.

Der Druck ift auch bei diefer, wie den früheren |
Veröffentlichungen aus Hort's Nachlafs mufterhaft genau;
nur auf S. 122 not. 1 ift der ausführliche Titel von
Holtzmann's Einleitung falfch angegeben.

Halle a. S. Carl Clemen.

Talmud, der babylonische. Hrsg. nach der ed. prineeps
(Venedig 1520—23), nebft Varianten der fpaeteren
von S. Lorja und J. Berlin rev. Ausgaben und der j
Muenchener Handfchrift (nach Rabb. V. L.) moeglichft
wortgetreu ueberfetzt und mit kurzen Erklaerungen |
verfehen von Laz. Goldfchmidt. I. Lfg. Berlin, j
Calvary & Co., 1896. (1. Bd. S. 1-80. gr. 4-) 5- —
Der Herausgeber verfpricht nach dem Profpecte
feines Werks neben der Ueberfetzung einen forgfältigen
Abdruck des Textes der erften Venediger Ausgabe des
Talmud Babli mit Befeitigung aller durch die Cenfur und
fpätere Herausgeber in den Text hineingekommenen

falfchen Lesarten. Ein folcher Neudruck wäre verdienft-
voll, wenn er forgfältig ausgeführt würde. Da jedoch in
dem von G. dargebotenen Texte S. 10 Z. 30 ftatt TzJbP
der Ed. Ven. das von der Cenfur dafür eingefetzte ttTOV
S. 44 Z. 24 ftatt ITTO der Ed. Ven. das von der Cenfur
erfundene CTttfl P2>1 fleht, S. 62 Z. 30 vor dem Worte
■nsitn der Name 1CP noch immer fehlt und nicht einmal
in den /Varianten' als die Lesart des Münchener Codex
verzeichnet ift, fo hat G. weder einen forgfältigen Abdruck
der Ed. Ven., noch einen von Cenfurentftellungen
freien Text geliefert. Wie wenig G. mit der Ed. Ven.
vertraut ift, geht daraus hervor, dafs er S. 68 Z. 30 ein
TÖX im Texte flehen hat und in der deutfehen Note 3
noch ausdrücklich es als der Ed. Ven. angehörend bezeichnet
, während es dort thatfächlich fehlt und überhaupt
keinen Sinn hat, wenn es nicht von dem ebenfalls
erft in den neueren Drucken aufgetauchten in begleitet
wird. Die Schreibung üb nb^b S. 6 Z. 15 in Verbindung
mit Note 13, in welcher xbx nbib als die Lesart der Ed.
Ven. angegeben wird, beweift faft unzweifelhaft, dafs G.
nach einem in Berlin 1863—66 ftereotypirten Drucke, an
deffen Texte er nach äufserft flüchtiger, ganz verftändnifs-
lofer Vergleichung mit dem der Ed. Ven. dies und jenes
geändert hatte, feinen Text hat drucken laffen, den er
nun als ,herausgegeben nach der Editio prineeps" bezeichnen
zu dürfen meint. Die Ed. Ven. hat in der erwähnten
Stelle weder das unmögliche fctbx, noch das an
einer aramäifchen Stelle feltfame nb^b, vielmehr bietet
fie: «bSibib, d. h. xb + iPcPb find da typographifch zu-
fammengefchoben, während nur die genannte Berliner
Ausgabe ttb fibib im Texte aufweift. Bezüglich der Citate
aus dem Alten Teftament ging G. an den für die bib-
lifche Textkritik ftellenweife äufserft werthvollen Lesarten
der Ed. Ven. ganz verftändnifslos vorüber. Er
bietet diefe Citate immer in der Geftalt, welche fie in
den neueren Drucken haben, wo fie möglichft nach dem
maforetifchen Bibeltext corrigirt, d. h. geändert worden
find. G. bemerkt hierüber, dafs er diefe Citate ,was
die Orthographie betrifft, nach dem mafor. Text corrigirt'
habe. Diefe Bemerkung ift geradezu unwahr, da gerade,
was die Orthographie betrifft, diefe Citate bei G. nicht
nach dem maffor. Texte corrigirt erfcheinen. Z. B. S. 2

z. 25 tpiahjy, s. 5 z. 20 mfiiütsan, u. z. 25 m-i[i])3ts« S. 6
z. 8. nbMwi u. z. 19 n[i]sna s. 7 z. 4—7 bE[njrpntt {ter)

etc. Dafs G. auch fonft gerade die wichtigften, belehrend-
ften Lesarten der Ed. Jren. völlig ignorirte und z. B. S. 4 Z. 25
"nirn ftatt des allein richtigen 1T21, S. 46 Z. 6 naa ftatt
des treffenden TITO, S. 57 Z. 32 j:ipTa ftatt des echten
mit feiner Kittfil-Form von den Lexicis überfehenen j:pT:
brachte, rührt wahrfcheinlich davon her, dafs er diefe
ihm fremd vorkommenden Lesarten der Ed. Ven. zu den
,vielen ihr anhaftenden Mängeln' zählte, deren Befeitigung
er fich zum Verdienfte anrechnet. Eine verhängnifsvolle
Irrung ill die von G. vollzogene Auflöfung aller Abkürzungen
des LEv.-Druckes. Gar manche Worte laffen
fich verfchieden ergänzen. Jetzt weifs man gar nicht,
welche Endungen blofse Conjecturen des Herausgebers
find. Und manche diefer Conjecturen find beftimmt irrig.
Z. B. wird S. 76 Z. 11 "npb falfch in TOVJpb ftatt in
cnpb aufgelöft. Nach Willkür vertheilt G. die Prädicate
11 und "On. Ada bar Ahaba ift. S. 27 Z. 21 ijpv S. 72
Z. 11 an. Der N:n Acha ift S. 47 Z. 18 und 21, S. 48
Z. 19 an, und fogar der Münchener Handfchrift wird
diefe Lesart fälfehlich untergefchoben, während S. 3 Z. 12
richtig ian gefchrieben wird.

Die abweichenden Lesarten der Münchener Handfchrift
beabfichtigt G. vollftändig wiederzugeben. Da er
nur die Variantenfammlung von Rabbinovicz kennt,
laufen dabei arge Mifsverftändnifse unter, aber auch Ent-
ftellungen kommen vor. S. 26 Note 9 und 11 läfst G.
die Münchener Handfchrift lefen »npa, während fie nach
Rabb. das hier allein mögliche snp hat. Auf die zahlreichen
Ueberfetzungsfehler einzugehen, fehlt hier der