Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1896 Nr. 18

Spalte:

473-475

Autor/Hrsg.:

Kennedy, H. A. A.

Titel/Untertitel:

Sources of New Testament Greek 1896

Rezensent:

Blass, Friedrich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

473

Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 18.

474

Die dem Bifchof Eucherius zugefchriebene und, wenn
echt, etwa in's Jahr 440 zu datirende Schrift hält Geyer
für unecht. Anflatt eine Quelle für Adamnanus zu fein,
habe vielmehr Pfeudoeucherius reichliche Entlehnungen
von ihm gemacht. So fcharffinnig der Verf. dies zu
beweifen fucht, können wir ihm hierin doch nicht zu-
ftimmen. Der Pfeudoeucherius foll im 8. Jahrhundert
gefchrieben haben. Nun wird uns aber von Antoninus
berichtet, die Kaiferin Eudocia (zwifchen 441 —460) habe
die Mauern der h. Stadt fo erweitert, dafs auch die
Siloahquelle von ihnen eingefchloffen wurde. Daraus
dürfen wir folgern, dafs fich die Mauern dem füdlichen
Rande des Südwefthügels entlang und von dort in's
Tyropöon hinunterzogen, und dafs der Mauerzug, der
jetzt quer über den Hügel zieht, damals nicht beftand.
Damit ftimmt nun der Bericht des Eucherius überein:
Situs ipse urbis pene in orbem circumacttis non parno
ttturo ambitu, quo etiam montan Sion, quondam vicinium,
tarn iutra so rccipit. So berichtet einer nicht, der den
Mauerbauten der Eudocia drei Jahrhunderte ferne ftand,
er müfste es denn auf ein ganz raffinirtes Fälfchen ab-
gefehen haben. Ungefchichtlich führt Beda, den Pfeudoeucherius
abgefchrieben haben foll, diefe Mauerbauten
aufdenKaifer Hadrian zurück. Ferner fleht bei Eucherius:
Temphan in infcriori parte urbis in vicinia muri ab
Oriente locatum, ex quo parietis unius in ruinis quaedam
pinna supcrest reliquis ad fundamcnta usque destructis.
So konnte man doch feit Juftinian I. und Omar, ge-
fchweige feit Abdel-Melik nicht mehr reden. Vollends
unzutreffend beanftandet G. die fehr richtige Bemerkung
des Eucherius: Circumjccta hierosolymitanae urbis aspera
et montuosa cernuntur quae etiam montan Oliveti pro-
spectat. Wenn Eucherius berichtet: Iuxta murum Jerusalem
vel templi ab Oriente Geennon occurrit, vallis
Josaphat, a septentrione in austrum porrecta, per quam
torrcns. siquando pluviarum aquas recipit, decurrit, fo
können wir darin nicht den Auszug eines Auszuges,
fondern nur eine anfchauliche wahrheitsgetreue Schilderung
erkennen. Dafs von allen Hafenplätzen Joppe der
Hauptftadt am nächften lag, das konnte Jedermann
wiffen. Von Jerufalem bis Lydda giebt der Bordeauxpilger
(333) die Entfernung zu 32 röm. Meilen an. Da
die Meilenfteine damals noch (landen, fo waren folche
Angaben leicht zu machen. Von Lydda bis Joppe ift's
nun allerdings noch mehr als acht röm. Meilen, nämlich
il1^- Aber als ungefähre Schätzung mochten die
40 Meilen, welche Eucherius für die Diftanz zwifchen
Joppe und Jerufalem angiebt, allen Pilgern jener Zeit
bekannt fein.

G. zeigt, dafs die Schrift des Adamnanus de locis
sanetis in der Anlage mit der von vita Columbae des-
felben Verfaffers übereinftimmt, und wie für die vita
Columbae die vita Martini des Sulpicius Severus Vorbild
gewefen. Zum Schlufs giebt er eine literarifch und
culturhiftorifch überaus lehrreiche Schilderung vom Stil
Adamnan's.

Die hiftorifche Paläftinakunde ift in einem fehr wichtigen
Stücke gehemmt, fo lange eine dem gegenwärtigen
Stande der Wiffenfchaft entfprechende kritifche Ausgabe
der Paläftinafchriften des 1. Jahrtaufends fehlt. Dringend
fprechen wir den Wunfeh aus, es möchte bald eine gelehrte
Körperfchaft den trefflichen Augsburger Gelehrten
mit diefer Aufgabe betrauen.

Zürich. Furrer.

Kennedy, Rev. H. A. A., M. A., D. Sc, Sources of New
Testament Greek, or the influence of the Septuagint
on the vocabulary of the New Testament. Edinburgh,
T. & T. Clark, 1895. (X, 172 S. gr. 8.) Geb. S s.
Der Verf. will Grundzüge liefern für eine richtigere

Auffaffung des Verhältnifses zwifchen der Sprache der

Septuaginta und der des Neuen Teftaments, richtigere
infofern, als ihm Dr. Hatch, von deffen Essays in Jtiblieal

I Greek er ausgeht, den Einflufs der Septuaginta auf die
Verf. des Neuen Teftaments weitaus zu überfchätzen
fcheint. Er felbft kommt zu dem Ergebnifs, dafs ja

J felbftverftändlich ein folcher Einflufs vorhanden gewefen
ift, namentlich in Bezug auf theologifche Terminologie
und auf Ausdrücke für jüdifche Begriffe und
Gewohnheiten, dafs aber in der Hauptfache die vorhandene
Aehnlichkeit der Sprache in beiden Gruppen
von Büchern auf der gemeinfamen Grundlage der Um-
gangsfprache beruhe, und deshalb auch keineswegs fo
grofs fei, als man das von vornherein vielleicht erwarten
könne, angefichts der aufserordentlichen Wichtigkeit,
welche die Schriften des Alten Teftamentes doch für
die Verf. des Neuen gehabt hätten. Die Umgangsfprache
aber ift die bereits feit dem 4. Jahrh. v. Chr. in ihren
Grundzügen entftandene griechifche Gemeinfprache, die
fleh durch Alexander und feine Macedonier über den
Orient verbreitet, dann fleh weiter entwickelt und diefe
Entwicklung bis auf den heutigen Tag ununterbrochen
fortgefetzt hat. Die Methode, mit welcher der Verf.
feinen Nachweis führt, ift die lexikalifche Statiftik, welche
unwiderfprechlich zeigt, dafs der Wortfehatz der LXX
von dem des N. T. recht verfchieden ift: unter den 4800
Wörtern des letzteren find fchliefslich nicht mehr als
150, welche dem N.T. mit den LXX gemeinfam find,
ohne zugleich auch anderswo vorzukommen.

Ref. ift der Meinung, dafs fich gegen diefe Grundzüge
und gegen diefe Ergebnifse fchwerlich etwas Triftiges
wird einwenden laffen, aufser dafs damit nicht das Ganze
gefagt ift. Die Anzahl der Stellen im N. T. ift gewaltig
grofs, welche durch beftimmte Mufter im griechifchen
Alten Teft. phrafeologifch beeinflufst find, in ganz gleicher
Weife, wie dies für zahllofe Stellen der Profanautoren
der Kaiferzeit mit Bezug auf beftimmte Stellen der
attifchen Mufter der Fall ift. Die Darleg c^,aber, wie
fie dies Buch im Einzelnen giebt, in welcher fein Ver-
dienft zu einem grofsen Theil liegen müfste — denn jene
Gefammtergebnifse können doch nicht als durchaus neu
in Anfpruch genommen werden —, ift nicht ganz einwandfrei
und nicht eben genau, fondern eher etwas zu
fummarifch und zu wenig gefichtet und geprüft. Sehr
bald — um mit etwas Aeufserlichem anzufangem — ftöfst
fich der philologifch Gebildete unangenehm daran, dafs
die fälfchen Accente bei griechifchen Wörtern immer
wiederkommen und oft fo dicht wiederkommen; wir haben
diefen Mangel übrigens bei Engländern auch fonft fchon
bemerkt. Aber prüfen wir einmal das Verzeichnifs der
dem N. T. mit den LXX zufammen ausfchliefslich eigen-
thümlichen Wörter, S. 88 ff. Das Allerverfchiedenfte ift
da gemifcht: Wörter hebräifchen Urfprungs wie yäevva,
aäzov, dniv, Wörter des täglichen Lebens wie töziov
Ohr (welches übrigens auch in der Anthologie vorkommt,
alfo nach p. 88 hier gar nicht erfcheinen durfte), dann ein
Wort wie aßdoiirynovzäy.ig, welches, wenn wirklich literarifch
nicht weiter belegbar, das doch nur durch reinen Zufall
ift, dann fonftige Ableitungen und Compofita der mannig-
fachften Art; auch Verdrucktes findet fich, iiEzor/.äio
unter den Nomina, d. i. doch uazoi/.aaia. In der Statiftik
bildet jedes Wort eine Nummer, und fo kommen die 150
heraus; in Wahrheit aber liegt die Sache doch unendlich
complicirter, und jedes Wort erfordert feine befondere
Prüfung. Mezoi/.aala b. Matth. 1, 11. 17 ftammt ja felbftverftändlich
aus den LXX. 'Oliyövjvyog (I Theff. 5, 14)
wird Paulus ebendaher haben, da die Stellen des A.
Teft. ähnlich genug find und das Wort feiten ift, wiewohl
auch bei Artemidor vorkommend und gewifs nicht
von den Verf. der LXX gebildet. Aber rjzzmict hat
Paulus unzweifelhaft nicht aus Jef. 31, 8, wo es zufammen
mit yizzäaUai im gewöhnlichen Sinne vorkommt. Und
aayrivr;, anonatpaUCco, iSvnvLl'io, avdiövo/M, azr]/.io, vno-
Ir^viov, find das nicht zweifellos Wörter der Umgangs-