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Ausgabe:

1896 Nr. 18

Spalte:

472-473

Autor/Hrsg.:

Geyer, Paulus

Titel/Untertitel:

Adamnanus, Atb von Jona. I. Teil: Sein Leben 1896

Rezensent:

Furrer, Konrad

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Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 18.

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kung bedarf, wird Jedermann einleuchten, wenn er beifolgende
Mufterfammlung von Fehlern des Buches an-
gefehen hat. Wir könnten die Sammlung leicht um's
Doppelte und Dreifache vermehren.

G. verwechfelt S. 21 Jonathan, den Sohn. Abfalom's,
mit dem bekannten Makkabäer Jonathan, wenn er fagt,
.erft Jonathan habe Joppe wirklich für die Juden gewonnen
(1 Makk. 13, 11). Nicht der König Hofea,
fondern Ufia hatte viel Vieh in der Schephela 12 Chron.
26, 10). Im füdlichen Paläftina follen keine Quellen vorkommen
, wenn wir G. S. 23 glauben, der ja das ganze
Land durchreift hat. Er hat die perennirenden Quellen im
Hebronthale, er hat die reichen Quellen von Jalo und
Hanije vergeffen, um nur allbekannte Quellen zu nennen.
Ich habe deren noch mehr in jener Landfchaft fprudeln
gefehen. G. meint S. 30, dafs der h. Georg eine ge-
fchichtliche thatenreiche Perfönlichkeit gewefen, darüber
könne kein Zweifel beliehen. Thatfächlich ift der h.
Georg nichts Anderes als der auch in Südpaläftina verehrte
junge Gott Horus, von den Aegyptern oft darge-
ftellt, wie er mit dem einen Fufs auf einem Krokodil
fteht, das er mit einem Speer zu durchbohren im Begriffe
ift. G. fand S. 31 Maulbeeren bei Ramleh, er hätte
fich mit Maulbeerfeigenbäumen begnügen follen, den
bekannten Sykomoren. S. 32: die Fenfter des Ramleh-
thurmes find nicht rundbogig, fondern fpitzbogig. G.
hatte oben bemerkt, dafs es im füdlichen Paläftina keine
Quellen gebe; doch welch ein Wunder, vom Ramleh-
thurm aus fah er nie verfiegende Flüffe die Ebene durch-
fchneiden. Fahrbare Wege feien auch jetzt noch im
alten jüdifchen Gebiete unbekannt. Der wackere Mann
mufs die fahrbaren Strafsen zwifchen Jerufalem und Joppe,
Jerufalem und Jericho, Jerufalem und Bethlehem ganz über-
iehen haben. Rofen giebt es nach G. S. 39 in Paläftina
nicht, fpäter berichtet er felbft von der Rofenmenge in
der Nähe Jerufalems. Bekanntlich fändet fich unweit
von Jerufalem ein Thal, das Wadi cl- lKW,Rofenthal' heifst.
Dafür hat G. auf dem Gebirge Hermon 6cxx> F. über Meer
blühende Rofen gefehen. Andere Reifende waren dort
oben mit Aftragalusfträuchern zufrieden. S. 36 ver-
wechfeln G. und fein Ueberfetzer die Schlacht, die Jofua
gegen Jabin und deffen Verbündete gefchlagen, mit der
Schlacht von Deborah und Barak gegen Sifera. Das ift
eine ziemlich ftarke Leiftung von zwei ftaatlich geprüften
Theologen. S. 63 die fonderbare Behauptung, es gebe
keinen eigentlichen Thau in Paläftina. S. 66 werden die
öftlich vom Jordan wohnenden Gaditer als Befitzer der
Küftenebene Saron bezeichnet. S. 79 weifs G., dafs
Jamnia beim Ausbruch des letzten jüdifchen Krieges
von Titus die Erlaubnifs empfangen habe, die Mitglieder
des Rabbinercollegiums von Jerufalem aufzunehmen.
Thatfächlich war bei Beginn des Krieges Vespafian, nicht
Titus, der oberfte römifche Heerführer, gab es wohl einen
hohen Rath in Jerufalem, aber kein organifirtes Rab-
binercollegium, und wurde erft nach dem Untergang der
Hauptftadt Jamnia Sitz oberfterSchriftgelehrfamkeit, ohne
dafs dafür die Zuftimmung des Titus eingeholt worden
wäre. Auch vom Barkochbakriege weifs uns G. Vieles
zu berichten, was wir umfonft bei den berufenen Ge-
fchichtsfchreibern wie Schürer u. A. fuchen. Auf Befehl
von Barkochba follen fich 2CX>oco Juden einen Finger abgehackt
haben. G. hätte nur hinzufügen follen, dafs
Barkochba keinen Soldaten in fein Heer aufnahm, der
nicht mit den eigenen Händen eine Libanonceder aus-
reifsen konnte. Solche alberne jüdifche Fabeleien gehören
doch gewifs nicht zu den Erläuterungen der
Bibel. *

Bei der Schilderung von Jerufalem hat G. von den
neueren Forfchungen fehr wenig Notiz genommen.
Immer noch hält er den Südwefthügel der Stadt für den
Zion, während die Bibel fo deutlich als möglich den
Tempelhügel als Zion bezeichnet. Schon vor fünfzig
Jahren klagte T. Tobler, dafs die Jahrzahl für die Erbauung
der jetzigen Stadtmauern unrichtig angegeben
werde, aber G. fchreibt S. 143 noch 1542 ftatt 1536—
1539. Die fog. Zwillingsteichc fucht G. im Nordoften
der St. Annakirche, deffen Umgebung fie einft verfchönert
hätten. Thatfächlich befinden fie fich nahe derNordweftecke
j des Tempelplatzes. G. weifs S. 467, dafs der Apoflel Paulus
) mit Trophimus gefangen wurde, hingegen weifs er nicht,
dafs die Ausfätzigen längft nicht mehr in den elenden
Hütten bei dem fog. Davidsthor wohnen. Erft fchlechte
Ernährung bringe den Ausfatz zum Ausbruch, folglich
müffen fich auch die Könige Ufia und Balduin IV., die
beide ausfätzig wären, fchlecht ernährt haben (S. 469 f.).
In der Mitte des Sultanteiches fprudle ein Springbrunnen,
i trotzdem dafs, wie G. anderwärts berichtet, es nur Eine
j Quelle in Jerufalem giebt, die Marienquelle (S. 485). Das
Abfalomdenkmal hat G. nur von vorn angefehen, denn
feine Hinterfeite fei vom anflehenden Felfen nicht los-
gelöft. Hätte doch der gute Mann den Plan bei Baedeker
betrachtet (S. 503)! Die Mariengrabkirche verdanke ihre
gegenwärtige Vollendung einer fagenhaften Königin
Meiefind oder Millicent S. 510. Die Königin Milicent
oder Melefindis ift aber eine gar wohlbekannte Königin,
die fich in bizarrem Ehrgeiz als Wittwe des Königs Fulco
zugleich mit ihrem Sohne Balduin III. krönen liefs. Da
es in der unterirdifchen Marienkirche ziemlich dunkel
ift, verwechfelt G. das nördliche Ende der Kirche mit
der öftlich feitwärts liegenden Höhle der Todesangft (S.
510). Merkwürdig fcharfe Augen mufs Hr. G. gehabt
haben; denn er fah vom Oelberg aus, wie die grüne
Linie des Jordan von einem weifsen Rand aus Triebfand
und Steinen eingefafst war. Ja er fah auf der Jordansebene
von dort aus fogar Frühlingskorn, Gruppen von
Obftbäumen und Palmen grünen. Zur Charakteriftik des
Buches mögen die angeführten Beifpiele genügen. Der
Ueberfetzer hätte überall die englifchen Fufs in's Meter-
fyftem umwandeln dürfen. Dafs er dsch wie die Engländer
mit j fchreibt, wird manche Lefer irre führen.
Ein fo hübfch ausgeftattetes und im Ganzen fo angenehm
zu lefendes Buch, wie das vorliegende, wird weitere Auflagen
erleben. Gerne Hellt Referent feine Correcturen
dem Verfaffer zu Gebote.

Zürich. K. Furrer.

Geyer, Gymn.-Lehr. Dr. Paulus, Adamnanus, Abt von Jona.

I. Thl. Sein Leben. Seine Quellen. Sein Verhältnis
zu Pfeudoeucherius de locis sanctis. Seine Sprache.
Progr. Augsburg, 1895. (47 S. gr. 8.)

Der Verfaffer liefert uns in diefer Schrift einen
neuen Beweis dafür, wie er in ganz feltenem Mafs befähigt
ift, uns in eine gründliche Kenntnifs der abend-
ländifchen Schriftfteller einzuführen, die aus eigener An-
fchauung oder durch Vermittlung über Paläftina zwifchen
300 bis 700 gefchrieben haben.

Nach einer kurzen Skizze vom Lebensgang des 704
im Klofter zu Hy geftorbenen Adamnanus weift der
Verf. die Nothwendigkeit einer neuen Ausgabe der Schrift
de locis sanctis nach, die der gelehrte fchottifche Abt
nach mündlichem Berichte des nach Hy verfchlagenen
franzöfifchen Bifchofs Arculfus und nach fchriftlichen
[ Quellen gefchrieben. Genügt felbft die Ausgabe von
Theodofius durch Gildemeifter nicht, fo noch viel weniger
die des Adamnanus durch Tobler. Um einen brauchbaren
Text herzuftellen, bedarf es nicht blofs voller
Kenntnifs der noch exiftirenden Handfchriften, fondern
auch der Quellen, aus denen Adamnanus reichlich ge-
fchöpft hat. An nicht wenigen Stellen wird der Text
erft dadurch verftändlich. Für diefe Aufgabe ift aber
nur ein in der frühmittelalterlichen Latinität gründlich
gefchulter Philolog wie Geyer tüchtig. Adamnanus
hat von Hieronymus, Sulpicius Severus und Andern
entlehnt.