Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1896 Nr. 17

Spalte:

457-459

Autor/Hrsg.:

Evers, M.

Titel/Untertitel:

Israels Prophetentum. I 1896

Rezensent:

Fay, Friedrich Rudolf

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

457

Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 17.

458

gender Satz: ,Erft feit Jefus hauptfächllich durch feinen
Tod und feine Auferftehung Gottheit und Menfchheit
wirklich vereinigt hat in fich, dem Gottmenfchen, ift auch
der Geift der Gottmenfchheit als eine unter uns
wirkfame, reelle Kraft vorhanden' (S. 366), oder noch
fchlimmer, was S. 178 zu lefen ift. Dogmatifche Unklarheit
liegt auch vor in der Beantwortung der Frage
nach dem Grund unferes Glaubens an die Weihnachts-
botfchaft (S. 26f. Text I. Joh. I, 1—4)- K- fagt zuerft:
,Der Grund ift die ganz fichere, untrügliche Erfahrung,
welche die Apoftel gemacht haben und welche fie kraft
der apoftolifchen Autorität verkündigen'. Für die Verkündigung
diefer Erfahrung, für das .Wort', verlangen fie
.einfach Glauben. Kurz alfo, unier Glaube an das
Wunder aller Wunder fleht auf dem apoftolifchen Worte'
(S. 26). Dem tritt dann, in allerdings viel weniger ausgeführter
Weife, nur wie beiläufig, als zweiter Grund an
die Seite unfre jetzige religiöfe Erfahrung mit Chriftus.
Aber diefe unfere Erfahrung ,ift nicht minder lebenskräftig
und überzeugend' (S. 30). Wenn dies Letztere nun richtig
ift, wozu dann das Zeugnifs der Apoftel als letzten
Grund unferes Glaubens hinftellen? Und wenn unfere Erfahrung
ohne jenes Zeugnifs nicht zu Stande kommt,
warum ift nicht das Verhältnifs unferer Erfahrung zu jenem
Zeugnifs näher ausgeführt? Die gleiche Unklarheit kehrt
wieder in der Predigt über die Auferftehung (S. 470 ff.),
wo ebenfalls das Zeugnifs der heiligen Schrift, fo wird
hier formulirt, unferer religiöfen Erfahrung übergeordnet
wird ohne jede Begründung.

Diefe Ausführungen find um fo auffallender, als K.
fonft ganz gut weifs, wie Glaube zu Stande kommt.
Immer wieder betont er — und darin zeigt er fich doch
als moderner Theologe —, dafs der .überwältigende Eindruck
der Hoheit Chrifti' uns zum Glauben bringe (z. B. S. 28 f.
30. 173. 176 f. 430). Dafs er auch fonft von der neueren
Theologie gelernt hat, beweift fich ferner an der ftarken
Betonung der Berufsthätigkeit des Chriften im Gegenfatz
zu moderner Gefchäftigkeit in den ,Reichsgotteswerken'
(z. B. S. 96. 136. 269. 380). Hier vernehmen wir die
Stimme des .Sorgenvollen', die uns aus den .chriftlichen
Bedenken über modern chriftliches Wefen' wohl bekannt
ift. — Die vorliegenden Predigten werden auch über den
Kreis der nächften Freunde K.'s hinaus dankbare Aufnahme
finden.
Jena. Drews.

1. Evers, M., Israels Prophetentum. 1. Allgemeine Cha-
rakteriftik. I. Hälfte. [Hulfsmittel zum evangel. Religionsunterricht
, II. Abtig., 13. Stück, 1. Hälfte.] Berlin,
Reuther & Reichard, 1896. (IV, 42 S gr. 8.) M. —. 60

2. Fauth, F., Israels Prophetentum. Die Schriftpropheten

bis zum Ende des Exils. (Hülfsmittel zum evangel.
Religionsunterricht, II. Abtig., 13. Stück, 2. Hälfte.)
Berlin, Reuther & Reichard, 1896. (27 S. gr. 8.) M. —.40

3. Koppelmann, W., Die Sittenlehre Jesu. 1. Hälfte: Lehre

von der Liebe (angewandte Sittenlehre). (Hülfsmittel
zum evangel. Religionsunterricht, IV. Abtlg., 19. Stück.)
Berlin, Reuther & Reichard, 1896. (76 S. gr.8.) M. 1 —

Die von Evers und Fauth herausgegebenen Hülfsmittel
zum evangelifchen Religionsunterricht haben fich
in kurzer Zeit bereits einen guten Namen erworben. Sie
zeichnen fich aus durch wiffenfchaftliche Gründlichkeit
bei knapp gefafster Form, durch angemeffene, mafsvolle
Berücksichtigung hiftorifcher Kritik ohne Beeinträchtigung
warmen, religiöfen Empfindens. Jener frifche Geift, der
feit 17 Jahren, feit der durch Fauth veranlafsten Gründung
des rheinifchen Religionslehrervereins recht viele
deutfehe evangelifche Religionslehrer erfüllt, macht fich
auch in diefen literarifchen Darbietungen fühlbar.

1. .Israels Prophetenthum' wird hier von Evers
gefchildert Es liegt für einmal nur die erfte Hälfte der
.Allgemeinen Charakteristik' vor, die Ueberblick
und Grundzüge nebft einem Anhange über Prophetie und
und Nafiräat in 114 exaet abgefafsten Paragraphen enthält
. Als befonders gelungen erlauben wir uns hervorzuheben
§ 31—33 über den VollbegrifT des Prophetenthums
, ferner § 52—61 von den Wundern handelnd und
die Geifteswunder: Weisfagung, Berufung, Gotteskraft
gehörig betonend, ohne den äufseren Wundern nicht auch
gerecht zu werden; dann § 76—78, die das politifche
Wirken der grofsen Gottesboten fchildern, endlich die
Ausführung über das Werk Mofe's in § 107. 108. Doch
würden wir die Bezeichnung .Demagogen', wenn auch
,cum grano sah's1, unter keinen Umftänden von den Propheten
gebrauchen, namentlich nicht den Schülern gegenüber
, die, felbft wenn fie in Prima find, das .leicht mifs-
verftändliche Wort' (S. 29) gewifs mifsverftehen werden;
denn welcher erfahrene Religionslehrcr kennt nicht die
liebenswürdige Thorheit feiner betten Primaner?

2. In diefem Hefte behandelt Fauth ,die Schrift-
propheten bis zum Ende des Exils' in Fortfetzung
der Befprechung von .Israels Prophetenthum', von
deffen .Allgemeiner Charakteriftik' bis jetzt nur
die oben beleuchtete erfte Hälfte erfchienen ift. Mit Ausnahme
vonMofe ift noch keiner der.Thatpropheten'Gegen-
ftand der Betrachtung gewefen. Die Schriftpropheten
bis zum Ende des Exils werden eingetheilt in .Propheten
des Reiches Israel' (S. 1—8) und .Propheten des Reiches
Juda' (S. 8—26). Da letztere überhaupt nur ,bis zum
Ende des Exils' in Betracht kommen, fo find Haggai,
Sacharja Cap. 1—11 und Maleachi felbftverftändlich aus-
gefchloffen. ,Das Büchlein Jona, das zuweilen hierher
gefetzt wird, gehört wahrfcheinlich in die nachexilifche
Zeit' (S. 15). Das Buch Daniel, das der Verfaffer in
feinem Handbuche der evangelifchen Religionslehre
(2, S. 56) mit Recht dem Zeitalter der Makkabäer zuge-
wiefen hat, wird gar nicht erwähnt. In Beziehung auf
Joel wird bemerkt: ,Ueber die Zeit des Propheten gehen
die Anflehten fehr auseinander' (S. 3). Die neuefte Kritik
ftimmt für fpätes Auftreten des Propheten. Vorfichtig
urtheilt Fauth: .Völlige Sicherheit über die Zeit wird
nicht zu erzielen fein'. Bekanntlich haben Credner
und Hitzig als folche die Zeit des noch minderjährigen
Königs Joas um 870 angenommen. Dahin neigt fich
auch der Verfaffer, wenn er einfehränkend dem oben erwähnten
Urtheile hinzufügt: .Doch würde mit der Annahme
einer folchen älteren Abfaffungszeit auch der Um-
ftand ftimmen, dafs Joel wohl eine glänzende Zukunft
ausmalt, aber den Meffias nicht erwähnt, während von Jefaja
ab derperfönliche Meffiasgedanke bei den Propheten nicht
mehr erlifcht' (S. 9). Das ift auch unfere Meinung. Auf
weitere Einzelheiten uns nicht einlaffend, heben wir nur
hervor, dafs von dem ftets mit kräftigen Strichen gezeichneten
gefchichtlichen Hintergrunde fich die Geftalten der
Propheten plaftifch abheben, dafs das Bild Jeremia's befonders
gut ift (S. 17—21) und der Gedankengang von
Jef. 40—66 ebenfo einfach, als klar entwickelt wird
(S. 24—27).

3. Die fchwierige Aufgabe, eine Sittenlehre Jefu
zu geben, fucht Koppelmann zu löfen. Er hat ,den
ernften Verfuch gemacht, fämmtliche fittlichen Forderungen
Jefu auf das Gebot der Liebe zurückzufuhren und
dabei der Liebe zu Gott ihren eigenthümlichen und be-
deutfamen Inhalt zu fichern. Dabei ift zu Grunde gelegt
nicht ein abftracter Begriff der Liebe, fondern die Liebe,
wie fie in der Perfon Jefu nach allen Richtungen hin fich
bethätigt' (S. 6). Dies ift das, was der Verfaffer .angewandte
Sittenlehre' nennt und in dem vorliegenden
Hefte 7 der .Hülfsmittel' darfteilt. Ein in Ausficht genommener
zweiter Theil wird die .Principienlehre' als
Lehre vom Reiche Gottes behandeln (S. 6). Aufserdem
wird noch eine .Glaubenslehre Jefu' verfprochen (S. 6).