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Ausgabe:

1896 Nr. 17

Spalte:

447-449

Autor/Hrsg.:

Meyer, Arnold

Titel/Untertitel:

Jesu Muttersprache 1896

Rezensent:

Dalman, Gustaf

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Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 17.

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brauch von der unfruchtbaren Theorie, die triliteralen
Wurzeln auf biliterale zurück zu führen (S. 154. 158 etc.).
S. 151 giebt er die Vermuthung zum Berten, ml,fliehen'

fei eine Compofition aus 7j ,zu Lande reifen' und ^

,den Boden treten'. Er weift diefelbe zwar als ,zu gewagt
' zurück, aber die Form der Ablehnung zeigt, was
er nicht alles für möglich halten kann. Eine grofse
Kategorie — das ift ein zweiter Hauptmangel des Buches
— hat Verf. überfehen, nämlich die des hiftorifchen
Bedeutungswandels. Er giebt fich deshalb vergebliche
Mühe, hinter das Geheimnifs zu kommen, dafs Spn im
hebr. ,gottlos' heifst, während ■.ApW im Arab. den
,frommen Muslim' bezeichnet. Die Gefchichte lehrt
aber, dafs die heidnifchen Araber die Männer, welche
denPolytheismusbekämpften.oUxs. ,Abtrünnige' nannten,
und dafs dann der Islam diefes Schimpfwort als Ehrennamen
adoptirte. — In der Phrafe nJTni IMJtth Dan. 2,1 hat
das Verbum nicht privative, fondern pointirte Bedeutung:
der Schlaf ift gewefen, ift vorüber (S. 69). Bei der Erklärung
von rTü^Ö .inwendig' ift der Verfaffer auf der
richtigen Fährte, indem er alle bisherigen Deutungen verwirft
, aber er hat doch nicht erkannt, dafs das Wort einfach
,vorn hinein' bedeutet. Seine Abneigung gegen die Etymologie
von batans genern aus baXTtaS ift mehr inftinctiv, er
motivirt fie nicht wie es fich gehört, damit, dafs die ältere
Form p'tnül1 ift (S. 116). lvjLs ift ein durch das Syrifche

vermitteltes Lehnwort aus dem Griechifchen (■/.i'ioaßnc).
Das hätte er aus Frankel,,die aramaeifchen Fremdwörter
im Arabischen' lernen können. Es ift unbegreiflich, dafs
er diefes Buch nicht zu kennen fcheint, und fich fo viel
auf Dietrich's femitifche Wortforfchungen verläfst. Zwei
feltfame Druckfehler find ?aio kaufen, ±0^0] verkaufen,
(S. 4) für j^, Für niT^I Tisy I Kön. 14, 10, 21

können m. E. nur 2 Erklärungen in Betracht kommen:
.cultifch unrein und rein' oder ,verheirathet und ehelos'

(vgl. arab. üjCa).

Unbefchadet aller diefer Ausheilungen verdient das
Buch das Lob, welches ihm oben gezollt worden ift,
durchaus. Niemand wird es ohne mannigfache Belehrung
oder Anregung aus der Hand legen. Die Zufammen-
ftellungen, deren Brauchbarkeit noch durch lndices erhöht
wird, werden für fprachliche Studien gute Dienfte
leiften.

Strafsburg i. E. Schwally.

Meyer, Privatdoc. Lic. Arnold, Jesu Muttersprache. Das

galiläifche Aramäifch in feiner Bedeutung für die Erklärung
der Reden Jefu und der Evangelien überhaupt
. Freiburg i. B., J. C. B. Mohr, 1896. (XIV,
176 S. gr. 8.) M. 3. —

Aus Vorträgen für den Bonner Feriencurfus 1895
ift dem Verf. obiges Buch erwachfen. Es enthält nach
allgemeinen Erörterungen über den Werth der Zurückdenkung
der Worte Jefu in ihre urfprüngliche fprachliche
Form zuerft einen gefchichtlichen Ueberblick über die
bisher verfuchten Aufhellungen betreffend Jefu Mutter-
fprache. Daran knüpft der Autor den Beweis, dafs das
Aramäifche (nach feinem galiläifchen Dialekt) dafür zu
halten fei, und macht für die erfte Periode evangelifcher
Schriftftellerei eine Mehrheit von aramäifch abgefafsten
Schriften wahrfcheinlich, zu denen die Logia des
Matthäus gehörten. Eine Reihe von Rücküberfetzungen
von Herrenworten in das Aramäifche, theils eigene Verbuche
des Autors, theils bei Bolten, Neftle, Wellhaufen
vorgefunden und von ihm kritifirt, foll zeigen, dafs
auf diefem Wege manche exegetifche Schwierigkeit fich
befeitigen läfst. Excurfe verfchiedenen Inhalts, aus

denen der über den ,Menfchenfohn' hervorzuheben ift,
flehen am Schlufs.

Ree. freut fich, dafs der bei Abfaffung feiner
,Grammatik des jüdifch paläftinifchen Aramäifch' mit
gefonderter Darfteilung des galiläifchen Dialekts ihm
vorfchwebende Wunfeh, dadurch der Forfchung nach der
urfprünglichen Form der Reden Jefu die unerläfsliche
fprachliche Orientirung zu geben, verftanden wurde,
und dafs fo bald eine darauf bafirende Arbeit eines neu-
teftamentlichen Theologen vorliegt. Dafs Jefus für gewöhnlich
aramäifch gefprochen hat und nicht hebräifch
oder griechifch, gilt auch mir als Thatfache, womit gegeben
ift, dafs das Lehrwort Jefu in feiner gefchichtlichen
Erfcheinung nicht ohne Rücküberfetzung in diefe
Sprache wird ganz erfafst werden können. Minder gewifs
ift es, dafs die erften Evangelienfchriften auch aramäifch
und nicht hebräifch abgefafst waren. Doch wird dem
Verf. zuzugeben fein, dafs dies das Wahrfcheinlichfte ift,
und dafs die von Refch für das Hebräifche geltend gemachten
Beweife nicht zwingend find. Bei der eingehenden
Berichterftattung des Verf.'s über alle frühere
diefen Dingen geltende Arbeit fällt auf, dafs weder
Joh. Vorstius, De Hebraismis Novi Testamenti Commen-
tarius (Leyden und Amfterdam 1658. 1665), noch vor
allem die für das Aramäifche eintretenden Auffätze von
Marfhall in The Expositor 1891 berückfichtigt wurden,
obwohl fie ihm aus Refch's .Aufsercanonifchen Paralleltexten
zu den Evangelien' (1893) hätten bekannt geworden
fein rnüffen.

Die eigenen Rücküberfetzungsverfuche, in denen ja
wohl der Hauptwerth der Arbeit des Verf.'s liegen follte,
kann ich freilich fall ohne Ausnahme nicht für glücklich
halten, und der Verf., der ja nicht Orientalin ift, wird
fich damit tröften rnüffen, dafs die Verfuche eines Neftle,
wie er mit Recht darthut, ebenfalls zumeift nicht gelungen
find. Zu einer folchen Arbeit gehört eben ein
gründliches Sicheinlefen in die jüdifch-aramäifche Literatur
als nothwendige Vorausfetzung. Selbft die blofse Sprach-
kenntnifs eines Semitiften genügt nicht. Auch nicht die
Mittheilung einiger Einfälle wird hier zum Ziele führen,
fondern nur eine zufammenhängendeUebertragung ganzer
fynoptifcher Redeftücke, wobei das paläftinifche Evan-
geliarium wie die hebräifchen Evangelienüberfetzungen
eines Delitzfch und Salkinfon als Hilfsmittel dienen
können, wenn man dabei in Betracht zieht, dafs fie alle
den ihnen vorliegenden griechifchen Text femitifch
wiederzugeben fuchen, und dafs dadurch felbft ihre
Sprache einen vom genuinen Aramäifch und Hebräifch
wefentlich abweichenden Charakter erhält. — Es ift hier
unmöglich, obigesUrtheil über M.'s Ueberfetzungsverfuche
im einzelnen zu begründen. Aber feiner Erklärung des
Ausdrucks ,Menfchenfohn' im Munde Jefu, auf welche er
felbft befonderen Nachdruck legt, wird hier noch widersprochen
werden rnüffen. Mark. 2, 28 und Matth. 12, 32
wird zwar mit Eerdmans und ihm ,Menfchenfohn' von
jedem Menfchen gemeint fein. Aber es geht nicht an, das
fonftige von Jefus wirklich von fich gebrauchte ,Menfchen-
fohn' als einen blofsen Erfatz für ,ich' anzufehen. Das
aram. STaa «ann der Galiläer, welchem hebr. Ehsn hraas
entfpricht (f. Ber. R. 36) wird vorzugsweife in Flüchen
I (vgl. Goldziher, Abhandlungen zur arab. Philologie I 39)
für ,du' gebraucht; als Erfatz für ,ich' ift es feiten.
In jedem Fall wich das tCC'3 "fl Jefu von der in folchem
Falle üblichen Ausdrucksweife ab, und eine Erklärung
dafür wird nach wie vor in Dan. 7, 13 gefucht werden
rnüffen. — Das für Matth. 26, 26 von M. vorgefchlagene
jjffl itpia Ji"in wäre ftets nur verftanden worden ,Dies
mein Gebein ift es', und nicht ,Dies bin ich felbft'. Jefus
wird gefagt haben iftaS San Jt-j oder asaS SH. Dafs qaa
nicht nur äufserlich die Körperhülle ausdrückt (fo M.
S. 90), läfst fich fchon aus dem Artikel 5p3 in Levy's
Neuhebr. Wörterbuch erfehen. Aus M.'s nn3» fTl
I "psaib, macht diefen zu einer Erinnerung' wäre auch nicht