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Ausgabe:

1896 Nr. 17

Spalte:

446-447

Autor/Hrsg.:

Landau, E.

Titel/Untertitel:

Die gegensinnigen Wörter im Alt- und Neuhebräischen 1896

Rezensent:

Schwally, Friedrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 17.

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licherfeits gewöhnlich auf die Trinität beziehen wollen,
und bis Befferes vorgebracht wird, erfcheint diefe Erklärung
als die nächftliegende. Hier liegt aber noch ein
Problem vor, und wir ftehen nicht an zu fagen, dafs uns
eine I.öfung auf Grund der Hypothefe buddhiftifchen
Einfluffes fehr willkommen wäre. Kuhn bringt dafür
aber nichts bei, wie denn auch das Zeugnifs des Irenaeus
für die ältefte Form diefer chriülichen Legende bei den
Markofiern fich auf die significantia von A nicht mit
erftreckt (Iren. I 20, gilt nur für die Relation Ev. Thom,
gr. A. 14; lat. 12; Ps.-Matth. 38; Ev. inf. ar. 49), und die
buddhiftifche Legende, fo nahe ihr nach der indifchen
Anfchauung über die geheime Kraft der Zahlen, Worte,
Silben und Rhythmen (f. Oldenberg, Buddha '22) derartiges
liegen mufste, nichts von einer Ausdeutung der
dvvafttg der Buchftaben weifs, fondern nur Kenntnifs
der 64 Schriftarten und das Erfchallenlaffen weifer
Sprüche in alphabetifcher Folge von Buddha behauptet.

Es liegt uns fern, die Möglichkeit einer Entlehnung
in Abrede ftellen zu wollen. Ueber die complicirten
Fragen der Chronologie der indifchen Literatur fteht uns
ein Urtheil nicht zu; wir unterwerfen uns darin gern
Kuhn's Behauptung, mit der Oldenberg's Urtheil über-
einftimmt, dafs nach Seiten der Chronologie die Möglichkeit
indifcher Becinfluffung der altchriftlichen Legendenbildung
zuzugeben fei. Aber Möglichkeit ift noch
nicht Gewifsheit. Es fei erlaubt, hier nochmals auf das
von Oldenberg in der Theol. Lit.-Ztg. 1884 Sp. 187 f.
angeführte, fehr beherzigenswerthe Wort Max Müller's
hinzuweifen, dafs die fcheinbar auffälligen Berührungen
bei näherer Kenntnifs der beiderfeitigen gefchichtlichen
l'raemiffen viel von ihrem Auffallenden verlieren.

Ferner darf man wohl nicht ausfchliefslich die
buddhiftifche und die chriftliche Tradition vergleichen.
Die letztere hängt, wenn mit irgend einer anderen, fo
vor allem mit der jüdifch-haggadifchen Tradition zu-
fammen. Für ein Stück der apokryphen Kindheitsevangelien
, die Zachariaslegende, hat das A. Berendts
foeben überzeugend nachgewiefen. Hier liegt die Chronologie
nun freilich noch mehr im Argen als bei den zuvor
berührten Gebieten. Kt aber auch nur die Möglichkeit
vorchriftlich - jüdifchen Urfprunges einer Legende er-
wiefen, fo tritt damit die Prioritätsfrage in ganz neue
Beleuchtung. Freilich könnte auch die jüdifche Haggada
nur der Canal für buddhiftifche Einflüffe auf die chriftliche
Legendenbildung gewefen fein. Hat das Judenthum
babylonifche Mythologie und griechifche Philofophie
aufgenommen, warum kann es nicht auch buddhiftifchen
Finflüffen, wenn folche zu ihm gelangten, offen geftanden
haben? Wie complicirt die Verhältnifse hier mitunter
liegen, zeigt der von Lipfius, apokr. Apoftelgefch. E 74
befprochene Fall: hier fteht die talmudifche Form der
buddhiftifchen Erzählung weit näher als die chriftliche,
hat aber offenbar auch aus der chriftlichen Darftellung
in den Bartholomaeusacten einzelne Züge aufgenommen,
fodafs es möglich erfcheint, dafs die buddhiftifche und
die chriftliche Erzählung, von einander ganz unabhängig
, erft in der jüdifchen Verarbeitung einander genähert
find.

Endlichaber darf man nicht nur,fondernmufsgeradebei
einer A. Weber1) gewidmeten Schrift die Frage aufwerfen:
ift denn eine Einwirkung der chriftlichen Legendenbildung
auf das keineswegs fo in fich abgefchloffene Gebiet des
Buddhismus ganz ausgefchloffen? Ein englifcher Kenner
diefer Literatur, E. B. Cowell, deffen Arbeit Kuhn auch
flüchtig erwähnt, hat nicht Anftand genommen, im Ka-
ramiavyulia, der Legende von Avalokittcvara's Höllenfahrt
, eine buddhiftifche Bearbeitung des den Pilatus-
acten (Ev. Nicod.) beigefügten urfprünglich, wohl gnofti-
fchen Desccnsus Christi ad inferos zu erblicken (Journ.

1) Wir erinnern nur an deffen Urtheil über den Zusammenhang
zwifchen chriftlicher und indifcher Legende in leinen Vorlefungen
über indifche Literaturgefchichte 2 (1876) 320 u. 350.

of Pliilology VI i8j6 222—231, abgedruckt in Indian
Antiquary VIII [i8jp 249—253). Diefes Verhältnifs ift
hier fowohl durch chronologifche wie durch innere fachliche
Gründe nahegelegt. Es liegt darin aber eine Aufforderung
zu erneuter genauer und vorurtheilslofer Prüfung
des ganzen Materials.

Wir danken es Kuhn, dafs er durch feinen Hinweis
das wichtige Problem wieder in Anregung gebracht hat.
Eine Zufammenftellung aller Parallelen, die dem Indo-
logen leichter möglich fein wird, als dem Theologen,
wäre ein höchft dankenswerth.es Unternehmen. Erft
auf folcher Grundlage wird eine allfeitig richtige Beur-
theilung der einzelnen Fälle möglich fein.

Jena. von Dobfchütz.

Landau, Dr. F., Die gegensinnignn Wörter im Alt- und Neuhebräischen
, fprachvergleichend dargeftellt. Berlin,
Calvary & Co., 1896. (VI, 236 S. gr. 8.) M. 7. —

Es ift eine fehr dankenswerthe Aufgabe, die Wörter
einer Sprache, die wirklich oder fcheinbar eine entgegengefetzte
Bedeutung haben, auf ihren Urfprung zu unter-
fuchen. Denn wenigftens auf dem Gebiet der femitifchen
Sprachen liegt die Sache fo, dafs dadurch ein grofser
Thcil der lexikalifchen Schwierigkeiten zu löfen ift. Die
Unterfuchung des Verfaffers erftreckt fich auf das Alt-
und Neuhebräifche, und zieht die verwandten Sprachen
nur als Hilfsmittel heran. Die Einleitung handelt
(S. 1 — 38) von den logifchen, linguiftifchen und pfycho-
logifchenLöfungsverfuchen, von den hebräifchen Lexikographen
, die fich um diefe Probleme bemüht haben, und
der neuhebräifchen Terminologie für das, was die Araber
cdcN-o! nennen. Der umfangreiche Stoff wird in 10 Kategorien
getheilt: Wurzelverfchiedenheit bei Lautgleichheit,
Privation, Raum, Zeit, Bewegung, Reciprocität, Affecte,
Tropen, Beziehungen. Die 6. Kategorie, welche voces
ambiguae genannt wird, hat keine innere Berechtigung,
fondern gehört zur Kategorie der Affecte. Bei der Be-
fprechung und Gruppirung des Materiales wird mit
Gründlichkeit und Befonnenheit, verfahren, und man muH
in vielen Fällen feine Zuftimmung geben. Gleichwohl
giebt es in dem Buche kaum ein Blatt, auf dem nicht
Mehreres zu erinnern wäre. Da ich aber diefe Be-
fprechung nicht zu einer Abhandlung anfchwellen laffen
kann, mufs ich mich auf einige Hauptfachen befchränken.
Ein wefentlicher Mangel des Buches ift der, dafs der
Verfaffer in den femitifchen Lautgefetzen nicht ficher
ift, deren Unverbrüchlichkeit im Allgemeinen dem be-
fonnenen Sprachforfcher feft ftehen mufs. Hebr. -rßy
Reichthum gehört nicht zu ^c. (S. 29), fondern wegen

aram. zu einem in einer paffenden Bedeutung nicht
vorhandenen arab. ein Wald (41) kann im Arab.
nur einer Wurzel mit ^ entfprechen. Hebr. JTVlET ift
nicht mit ^gi, fondern mit ^ zufammenzuftellen. bn

,Hügel' hat nichts mit jj zu thun, fondern ift als Jörns
Arabifche gewandert, pifcy foll Ezech. 3, 5.6 ,krumm'
heifsen, wofür unerhört auf verwiefen wird. n«fl

.ruhen' gehört zu . Li|, nicht zu ^ (S. 3). DÄW kann
nur zu nicht aber zu ^ (S. 6) gehören. Im An-

fchlufs hieran wird die Legion der Erklärungen von
QJ1EQ Gen. 6, 3 um eine neue unglückliche bereichert.
Das Bemühen, die Ethymologie von V|ä und D? zu ergründen
, mufste natürlich vergeblich bleiben (194). Da
non im Hebr. nur ,Gnade, Huld' und im Aram. nur
,Schimpf bedeutet, ift keine V eranlaffung, zwei vor-
fchiedene Wurzeln anzunehmen (45). Arab. ^ ift =

Hebr. nas, nicht = ans. Der Verf. macht reichen Ge-

*