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Ausgabe:

1896 Nr. 16

Spalte:

434-435

Titel/Untertitel:

Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst. 1. Jg. 1896 1896

Rezensent:

Köstlin, Heinrich Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 16.

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nung,dieSchriftlefung,die in den häuslichen Gottesdienften i Monatschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst, hrsg. von

ftark zurückgegangen fei, wieder mehr zur Geltung
zu bringen. Im Gegenfatz zu vielen Büchern für die
häusliche Andacht, die ,nur ganz kurze Schriftabfchnitte,
oft nur einen oder ein paar Verfe zur Lefung vorfchrei-
ben' und das Schwergewicht auf die darauf fich gründende
Betrachtung legen, geht U. von der Meinung aus,
dafs ,das Wort der heiligen Schrift felbft, nicht die
daran geknüpfte Betrachtung den Kern der Andacht
bilden mufs'. Aufserdem gewähre der Anfchlufs an
jenes Lectionar ,den Vortheil, dafs die Hausandacht mit
dem Sonntagsgottesdienfte in enge Verbindung gefetzt
wird, indem die dort gehörten Schriftabfchnitte die Haus-
genoffen auch durch die Woche hindurch begleiten'. Da
das Lectionar aber für die Wocne nur fechs Texte bietet
, iit für die Sonnabendsandacht der kleine Katechismus
Luther's herangezogen worden. Die ,Auslegung',
fagt U., ,habe ich ganz einfach, allen Hausgenoffen ver-
ftändlich zu halten mich bemüht'.

Diefen Grundfätzen entfpricht durchaus die Ausführung
. Die Andachten find im Wefentlichen erbauliche
Umfchreibungen des gelefenen Schriftabfchnittes;
die Anwendung tritt fehr zurück. Meid: ift ein Gedanke
des Schriftabfchnittes in den Mittelpunkt geftellt, um den
fich die übrigen Gedanken fehr gefchickt gruppiren.
Ueberail fühlt man die geübte Hand des gewanden Homileten
; alles ift forgfältig durchdacht. Jede Andacht, fo
kurz fie ifl, ift ein gefchloffenes, abgerundetes Ganze. Ueber
dem Ganzen liegt eine gewiffe übjectivität, die fich um
das moderne Leben nicht kümmert. Nur der biblifche
Gedanke foll zum Ausdruck, zur Geltung kommen, allerdings
nur in der Auffaffung und der Sprache der ftreng
lutherifchen Orthodoxie. Es ift begreiflich, dafs der Ton
im Ganzen einen lehrhaften Charakter annimmt, dafs etwas
die andringende Wärme, die anfafsliche Unmittel- |
barkeit fehlt. Auch kann man fich nicht verhehlen, dafs
eine ziemliche Anforderung an das Verftändnifs geftellt
wird, wenn der Hörer — ich denke vor allem an die
Dienftboten — in der gebotenen Andacht den Gedankengang
und Aufbau des Textes wiederfinden foll. Ob es
doch nicht auch viel für fich hat, wenn ein kurzes Schriftwort
einfach, herzlich und klar an Herz und Gewiffen gelegt
wird? — Die Verwendung des Katechismus Luther's zur
Erbauung kann nur als fehr glücklich begrüfst werden.
Auch darin, aber vor allem in der Art, wie es gefchieht,
zeigt fich der Gefammtcharakter des Buches: es will

Profif. DD. Friedr. Spitta und Jul. Smend. 1. Jahrg.
April 1896—März 1897. 12 Nrn. Göttingen, Vanden-
hoeck & Ruprecht. (Nr. I. 40 S. gr. 8.) M. 6 —

Mit dem 1. April d. J. ift die obige Monatfchrift
in's Leben getreten. Die Herausgeber, auf dem Gebiete
der liturgifchen Kunft theoretifch und praktifch wohl
bewährte Männer, die fich des Vertrauens weiter Kreife
erfreuen, haben, wie das Eingangswort es ausfpricht,
die Zweckmäfsigkeitsfrage mit allem Ernfte erwogen, ehe
fie zur That gefchritten find. Die Bedürfnifsfrage (fand
ihnen perfönlich fchon feit lange feft. Es fehlte an
einem ,literarifchen Organ für das Gebiet des evangelifchen
Gottesdienftes mit Einfchlufs der gefammten kirchlichen
Kunft' ,das den wiffenfchaftlichen und praktifchen
Bedürfnifsen der Gegenwart gleicherweife gerecht wird'.
Zwar haben die vorhandenen theologifchen Zeitfchriften
den Arbeiten auf dem Gebiete der liturgifchen Forfchung
und Geftaltung jederzeit nicht blofs ihre Aufmerkfam-
keit gefchenkt, fondern auch bereitwillig ihre Spalten
geöffnet. Aber ihr Leferkreis befchränkt sich auf die Theologen
von Fach. Zur Mithilfe an der liturgifchen Arbeit
ift auch die Gemeinde berufen; ohne fie ift, wenn man
z. B. auch nur an die mufikalifchc Seite des Gottesdienftes
denkt, nichts von Belang und Dauer durchzuführen
. Das Intereffe der Gemeinden an würdiger Geftaltung
des Gottesdienftes zu beleben ift eine der Aufgaben
, welche fich der ,Evangelifche Kirchengefang-
Verein für Deutfchland' geftellt hat und in feinem
,Correfpondenzblatt', wenn auch in den ihm gewiefenen
Schranken, fo doch nach Kräften vertritt. Sein Vorhandenfein
, feine überrafchend grofse Ausbreitung ift
der thatfächliche Beweis dafür, dafs in den Kreifen der
Laienfchaft das Bedürfnifs, dem nun auch diefe neue
Zeitfchrift dienen will, lebhaft empfunden wird. — Auch
an fpeciellen Organen für kirchliche Kunft und für
Liturgik hat es nicht gefehlt. Wir erinnern nur an das
vortrefflich redigirte .Chriftliche Kunftblatt', an die mit
kenntnifsreicher Umficht, hiftorifchem Verftändnifs und
warmer Begeifterung für die darfteilende Seite des Cultus
geleitete ,Siona', die fchon vielen eine unentbehrliche
Beratherin in liturgifchen Dingen geworden ift und ficher-
lich auch bleiben wird, da ihr Zurückgehen auf die alten
Vorbilder, wie überhaupt ihr hiftorifch-dogmatifcher
Standpunkt jederzeit fein gutes Recht hat, mindeflens

durchaus .kirchlich' fein. ' lm Intereffe der Selbftkritik modern-liturgifcher Be-

2. Ganz anderen Charakter trägt das Buch von Z. j ftrebungen und Ideale. Aber was fehlte, war ein Sammel-
Hier haben wir ein Andachtsbuch gewöhnlicher Art ort, ein Organ gerade für die letzteren, ein Sprechfaal,
vor uns, d. h. ein folches, das .nur ganz kurze Schrift- : in welchem alles, was zum Aufbau des Gottesdienftes
abfehnitte, oft nur einen oder ein paar Verfe zur Lefung gehört, zu voller, freimüthiger Ausfprache gelangen
vorfchreibt' und das Schwergewicht auf die darauf fich konnte. Ein folches Organ, dafs nicht blofs auf die
gründende Betrachtung legt. Hier tritt der kirchliche Liturgen von Fach, fondern auch auf die Künftler bei

Charakter fehr zurück: die Sprache ift durch und durch
modern, die verwendeten Liederverfe längft nicht immer

feiner Arbeit rechnet, das fich nicht blofs an die Geift-
lichen, fondern an die Gemeinden wendet, möchte die

einem Kirchenlied oder einem geiftlichen Dichter ent- neue Zeitfchrift werden, und wir begrufsen jhr Erfcheinen

nommen, die Anfchauung, wenn auch durchaus chriftlich,
doch ohnejeden dogmatilch fcharf ausgeprägten Charakter.
Uhlhorn's Sprache hat mehr Kraft, die Zfs mehr Beweglichkeit
und Wärme. Z. berückfichtigt fortgefetzt das
Leben, die Gegenwart, die menfehliche Empfindungswelt,
und das Alles in anfprechender Weife; er ift weder ge

freudig, fchon weil wir uns jeder Kraft freuen, die
dazu mithelfen will, Gotteshaus und Gottesdienft immer
mehr zu dem zu machen, was fie dem evangelifchen
Volke fein follen: zum Sammelort und Quellpunkt aller
idealen Kräfte, zum Friedenshort in "unferer nervös
haftenden Zeit. Die vor uns liegende erfte Nummer

fucht, noch trivial; er bietet Gedanken, keine Redens- I läfst die Vielfeitigkeit der Aufgabe erkennen, welche die
arten. Jedenfalls werden weniger ausgefprochen kirch- Zeitfchrift fich geftellt hat. Nach einem von Spitta mit
liehe Kreife diefes Buch dem Uhlhorn'fchen vorziehen. , der ganzen, begeifternden Wärme, die ihm eignet, ge-
Mit einander verglichen bewahrt jedes feinen Vorzug. fchriebenen Eingangswort finden wir höchft intereffante
T Drews Mittheilungen Smend's über die ältefte Strafsburger

J ' j Deutfche Meffe, anregende Erörterungen über das Kirchliche
in der Mufik aus der Feder des durch fein Weih-
nachtsoratorium rafch bekannt gewordenen Componiften
H. von Herzogenberg, beherzigenswerthe Gedanken von
Gurhtt über ,Reftauriren' ,von Rudolf Hartter über Alte
und neue Glocken'. Manches in diefen Auffätzen wird