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Ausgabe:

1896 Nr. 16

Spalte:

432-433

Autor/Hrsg.:

Zimmermann, Paul von

Titel/Untertitel:

Für stille Stunden. Betrachtungen für alle Tage 1896

Rezensent:

Drews, Paul

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Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 16.

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kunft und ihre Erfüllung 1895, 10 f. 181 f.), beantwortet.
Die Unterfchiede von der zeitgenöffifchen Erwartung,
die S. hervorhebt, werden ja von niemand geleugnet,
aber vielleicht manchmal überfehen; fo ift auch die
Zufammenftellung der verfchiedenen jüdifchen Lehrmeinungen
über Endgericht und Auferflehung, Zwifchen-
zuftand und Beftrafung der Gottlofen zwar dankenswerth,
aber eigentlich an diefer Stelle auffällig. Jefus felbft
hat nach S. eine allgemeine Auferflehung, keinen Zwifchen-
zuftand und eine endlofe Verdammnifs der Gottlofen
gelehrt. Aber die Befchreibung des Hades und feiner
Bewohner Lc. 16 wird fich kaum dadurch befeitigen
lalfen, dafs man fagt: Our Lord's zuords about Lazarus
in Abraham''s bosom and tlie rieh man in torment in Hades,
occurring as they do in a parabolic discourse, and not
bclonging to the central purpose of the parable, cannot
be charged zuith a distinet doctrinai meaning (346). Enthalten
fie aber eine folche, dann wohl auch die vom
Zwifchenzuftand, auf die ich auch 23,43 mu: Titius (Jefu
Lehre vom Reiche Gottes 1895, 158 ff.) beziehen möchte.
Im Uebrigen kann ich dem Verl. nur zuffimmen.

Dafs über Zeit und Urfprung der katholifchen Briefe,
mit denen fich das vierte Buch befchäftigt, anders zu
urtheilen fein wird, als hier gefchieht, trägt für die Unter-
fuchung nichts aus. Wohl aber dürfte den Verfaffer das
Beftreben, in der apoftolifchen Literatur möglichft nur
die Lehre Jefu wiederzufinden, hie und da zu Entftellun-
gen des Sachverhalts verleitet haben. Zwar dafs die
Apokalypfe ein Millennium lehrt, kann auch er nicht
leugnen; dagegen verfucht er aus I. Petr. 3 die Lehre
von der Predigt Jefu an die Toten wegzubringen. Aber
die Schwierigkeiten diefer Erklärung find viel geringer,
als die der von S. bevorzugten, die allerdings durch die
Namen von Auguftin, Thomas, Gerhard und Hofmann
gedeckt wird. Weder konnte l/.toittv ohne weiteres
plusquamperfectifch, noch zotg ev cprÄecz./) nvtviiaaiv von
den Geldern, die jetzt im Gefängnifs lind, verbanden
werden; denn wenn S. fagt: if on this view there
is a difference between the time of the preaching and the
Urne of the imprisomnent, on the other view there is a
difference betzueen the time of the preaching and the time
of the disobedience (472 f.), fo heifst es ja auch ä/isiit-r'jaaaiv
noxe. Wenn aber bei jener erften Erklärung die Ausfage
allerdings eine Digreffion bildet (die ich NklZ 1895,
332 f. zu erklären gefucht habe), fo mufs doch auch S.
wenigftens die Worte •/.acaa/.iva'Coiitvrjg v.ißioxov /.xl. fo
auffaffen. Endlich kann er ja 4, 6 felbft nicht anders,
als von einer Predigt an die Todten erklären (denn die
zunächft daneben als möglich bezeichnete Ueberfetzung:
for the gospel was preached to those now dead as it is
preached to the living (481) mufs wieder ein vvv ergänzen
und läfst dem sig xoixo nicht fein Recht widerfahren).
Wenn er gleichwohl, um fchliefslich zu dem erwünfehten
Refultat zu kommen, that [the two paragraphs] gizie no
sufficient ground for ascribing to Peter the doctrine of an
extension of opportunity into the other zvorld (485), dann
doch wieder behauptet, diefe letztere Exegefe fei fchwie-
riger, als die oben angeführte, fo find die Gründe dafür
ganz aufserordentlich fchwach: t;-/yü.inUht wird keineswegs
mit .is oder shall be preached überfetzt, und vey.ooig
konnte in diefem Zusammenhang gar nicht anders, als
von allen Todten, verflanden werden. — Die johannei-
fche Lehre ilt richtig dargeftellt.

Dagegen die Schilderung der paulinifchen im fünften
Buch ift wiederum von vornherein dadurch getrübt, dafs
der Verf. von feinen Vorausfetzungen aus keine Entwicklung
zugeben zu dürfen glaubt. Die Frage nach der
Exiftenz einer folchen wird alfo durch den beliebten
Hinweis auf den Charakter der Paulusbriefe als Gelegen-
heitsfehriften erledigt, der doch weder die Unterfchiede
der Lehre vom Gefetz, von der Rechtfertigung und
Heiligung, fowie der Prärogative Israels, noch nun gar
der Zukunftserwartungen in den einzelnen Briefen irgendwie
erklärt. Hält man fich nur an den Text, fo mufs
man II. Cor. 5 nicht nur (wie S. fchliefslich felbft einge-
fteht) die Erwartung des Apoftels finden, unmittelbar
nach dem Tode mit dem Herrn vereinigt zu werden,
fondern auch die Gewifsheit, in diefem Moment mit dem
himmlifchen Zelt überkleidet zu werden, nicht nur für
die Zeit bis zum Endgericht, fondern eben auf ewig.
Ebenfo handelt es fich I, 15, 23 gerade nur um die
chronologifche Reihenfolge; denn nach V. 22 konnte
man fragen, warum denn dann nicht fofort alle zugleich
auferftünden. Dabei bildet Chriftus ein xäytta für fich,
wie I. Cl. 37, 3. 41, I der Oberbefehlshaber und der
Hohepriefter. Weiterhin I. Cor. 3, 15 bezieht fich allerdings
nicht auf einen Zwifchenzuftand, wohl aber eine
Läuterung nach dem Tode, Phil. 2, 10 allerdings nicht
auf eine Bekehrung Verftorbener, wohl aber eine Anerkennung
Jefu durch himmlifche, irdifche und unterirdifche
Geifter, wie Kol. I, 20 nicht auf die Vollendung aller
Dinge, fondern eine Verföhnung auch der Engel.

Zum Schlufs beantwortet der Verf. noch die Frage:
What has Christianity done for the hope of immortality r
und vergleicht mit diefem Ertrag — foweit das nach
dem bisherigen zu erwarten war, zutreffend — die oben
erwähnten Theorien von einer Vernichtung der Gottlofen,
Bekehrung Aller und Weiterentwicklung nach dem Tode.
Zugleich verfolgt er fie bis auf ihre Anfänge zurück,
dabei freilich hie und da ihre verfchiedenen Ausgeftal-
tungen nicht genügend unterfcheidend. Auch wendet er
gegen fie alle immer in erfter Linie ein, dafs fie fich erlt
fo fpät fänden — gewifs gerade in diefer Frage ein fehr
eigenthümliches Argument. Dazu behauptet er fchliefslich
(672) felbft die Wahrfcheinlichkeit günftigerer Entwicklungsbedingungen
nach dem Tode, die er erft geleugnet
(658 f.), und nimmt jedenfalls verfchiedene Stufen
1 der Seligkeit und Unfeligkeit, fowie einen Fortfehritt in
I der einmal eingefchlagenen Richtung an: beide Gedanken
nach feiner Meinung lost theological principles cryiug out
for recall. Dagegen verwirft er die Idee einer Bekehrung
der Heiden nach dem Tode, ebenfo aber auch die rea-
liftifche Anfchauung von Himmel und Hölle; er geht
alfo doch ftellenweife über die Lehre Jefu und des neuen
Teftaments hinaus, deren Auctorität er ohne weiteres
vorausfetzt, aber nur durch gelegentliche Mifsdeutungen
einzelner Stellen aufrecht erhalten kann.

Trotz diefer allgemeinen und befonderen Mängel
bleibt das vorliegende Werk ein aufserordentlich werthvoller
Beitrag zur biblifchen Theologie. Ueber der forg-
fältigen Detailarbeit verliert der Verl. nirgends die grofsen
Gefichtspunkte aus dem Auge; kaum eine der einfchlä-
gigen Fragen bleibt unbehandelt, und überall ift die
wichtigere Literatur gewiffenhaft benutzt worden. Die
fchottifche Freikirche, der wir fchon fo manche tüchtige
theologifche Arbeit verdanken, kann auch auf diefe glänzende
Leiftung eines ihrer Profefforen mit vollem Rechte
ftolz fein.

Halle a. S. Carl Clemcn.

r. Uhlhorn, Abt D. Gerh., Tägliche Andachten nach dem
hannoverfchen Lektionar und dem kleinen Katechismus
Luthers. Hannover, Feefche, 1895. (VIII, 533 S.
gr. 8.) M. 4.— ; geb. M. 5.—

2. Zimmermann, Confenior Doc. Pfr. D. Dr. Paul v.,
Für stille Stunden. Betrachtungen für alle Tage des
Jahres. Wien, Stock, (1896). (761 u. X S. gr. 8.)

Geb. M. 11.—

1. Ueber die Einrichtung des Andachtsbuches von U.
und über die Grundfätze, auf denen es beruht, giebt das
Vorwort Auffchlufs. Wie fchon der Titel fagt, hat U.
die Andachten an das Lectionar der hannoverfchen Lan-
j deskirche angefchloffen. Dazu beftimmte ihn die Hoff-