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Ausgabe:

1896 Nr. 14

Spalte:

384

Autor/Hrsg.:

Schulthess, Friedrich

Titel/Untertitel:

Probe einer syrischen Version der vita St. Antonii 1896

Rezensent:

Achelis, Hans

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383

Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 14.

384

1—216); die jüdifche Myftik und Kabbala, bearb.
von Bloch (III, 217—286); Gefchichte, Geographie
und Reifeliteratur, von Lewin (III, 287—473); der
fynagogale Gefang in feiner hiftorifchen Entwickelung,
von Ackermann (III, 475—529); diefer Abfchnitt lieht
nur in lofem Zufammenhang mit dem Thema, da er
nicht die gottesdienftliche Dichtung, fondern, wie die
Ueberfchrift fagt, die gottesdienftlichen Melodien und
die Vortragsweife behandelt. Von Textproben kann
alfo hier keine Rede fein. Als Seitenftück zur Gefchichte
des chriftlichen Kirchengefanges wird er aber dem Theologen
von befonderem Intereffe fein. Eine durch ihre
fprachliche Form intereffante Gruppe behandelt der Abfchnitt
,Die jüdifch-deutfche Literatur in Deutfch-
land, Polen und America', bearb. von Grünbaum
(III, 531—623). Es wird Manchem neu fein, zu fehen,
dafs das jüdifch-deutfche Jargon — eine feltfame Mifch-
ung von Deutfch und Hebräifch, mit ftarker dialektifcher
Färbung des Deutfchen — nicht nur in weiten Kreifen
gefprochen wird, fondern auch eine umfangreiche Literatur
erzeugt hat. Der Inhalt ift erbaulich und unterhaltend
, biblifch und weltlich in buntem Wechfel. In den
mitgetheilten Proben ift die Form der Originale genau
beibehalten. Am Schluffe theilt Grünbaum noch eine
Anzahl moderner Gefchäfts-Annoncen aus New-York
mit, deren corrumpirtes Deutfch ftark mit englifchen
Worten in hebräifcher Schrift durchfetzt ift.

Die drei letzten Abfchnitte behandeln: Die Sittenlehrer
von 13. bis 18. Jahrhundert, bearb. von Bäck
(III, 625—651); die Apologeten vom 14. bis Ende des
18. Jahrh., ebenfalls von Bäck (III, 653—719); endlich
die jüdifche Literatur von Mofes Mendelsfohn
bis auf die Gegenwart, von Kayferling (III, 721 —
901). Da der letzte Abfchnitt die literarifche Thätigkeit
der Juden auf allen Gebieten der Wiffenfchaft, der erbaulichen
, belletriftifchen und periodifchen Literatur,
und zwar nicht nur in Deutfchland, fondern bei allen
Nationen während eines Zeitraums von mehr als hundert
Jahren zur Darfteilung bringen will, fo ift es felbft-
verftändlich, dafs auf dem zugewiefenen Räume nicht
eine Chreftomathie, fondern nur eine knappe Literatur-
gefchichte gegeben werden konnte. Nur in dem Abfchnitt
über die Predigt ift der Charakter der Chreftomathie
gewahrt. Er ift darum auch viel ausführlicher
als die anderen (III, 772—824), zugleich eine willkommene
Fortfetzung des Abfchnittes über die Darfchanim vom
15. bis Ende des 18. Jahrh. (II, 607—696).

Wer als Fachmann eines der behandelten Gebiete
beherrfcht, wird wohl da und dort Anlafs zur Kritik
finden. Das Unternehmen als Ganzes ift eine höchft
dankenswerthe Leiftung. Viele Texte werden hier zum
erftenmale durch eine deutfche Ueberfetzung leicht zugänglich
gemacht. Wenn der Plan einer Chreftomathie
nicht überall feftgehalten ift, fondern an deren Stelle
zuweilen literarhiftorifche Ueberfichten getreten find, fo
ift vielleicht gerade diefe Verbindung beider als zweck-
mäfsig anzuerkennen. Es war auf diefe Weife möglich,
auf verhältnifsmäfsig knappem Räume eine um-
faffende Orientirung über ein faft unüberfehbares Gebiet
zu geben, eine Orientirung, die doch mehr bietet, als es
ein blofser Abrifs der Literaturgefchichte vermag, wie
ihn etwa Steinfchneider's Artikel Jüdifche Literatur' in
Erfch und Gruber's Encyklopädie giebt.

IndergefammtenmehralszweitaufendjährigenLiteratur,
die uns hier vorgeführt wird, liegt eine mächtige Geiftesar-
beit vor. Mag auch Vieles davon unter das Gericht des
Apoftels Rom. 10, 2 fallen, fo mufs die raftlofe Energie,
mit welcher das Judenthum feine Ideale gepflegt hat,
den Lefer bei Durchwanderung diefer Gebiete doch mit
Achtung erfüllen.

Göttingen. E. Schürer.

Schulthess, Dr. Friedr., Probe einer syrischen Version der
vita St. Antonii. Strafsburger philofophifche Differ-
tation. Leipzig, 1894. (Zürich, Schulthefs.) (III, 53
u. 19 S. gr. 8.) M. 2.—

Vom fprachlichen Gefichtspunkt aus ift diefe Differ-
tation bereits von E. Neftle im vorigen Jahrgang Nr. 12
Col. 312 ff. befprochen worden. Da fie aber von der —
vielleicht über Gebühr berühmten — vita Antonii des
Athanafius handelt, feien auch die den Kirchenhiftoriker
intereffirenden Refultate kurz wiedergegeben. Der Ver-
faffer handelt S. 14—25 vom Verhältnifs des fyrifchen
zum griechifchen Texte, will aber, was er fagt, nur als
Andeutungen gelten laffen. Der Syrer ift umfangreicher
als der Grieche, ,was zum gröfsten Theil den zahlreichen
thörichten und Hörenden Wiederholungen gewiffer Abfchnitte
zuzufchreiben ift', aber Schulthefs meint aus
fprachlichen Gründen, ,dafs auch die Wiederholungen
nicht Schuld des Ueberfetzers wären, fondern in der
Vorlage geftanden hätten. Andererfeits fehlen auch beim
Syrer gröfsere und kleinere Perioden des Griechen, was
ebenfalls auf die Vorlage zurückgehen foll; endlich zeigen
Grieche und Syrer wichtige Varianten. Und bei diefen
Varianten ift der Schein des Urfprünglichen öfter auf
Seiten des Syrers; fo wenn im Proömium von der Nil-
fchifffahrt die Rede ift, während der Grieche nur im Allgemeinen
von Schifffahrt fpricht, was man bisher auf
Routen des Mittelmeers bezog; und wenn c. 75 f. Antonius
im Syrer nur von der Thorheit des ägyptifchen
Thierdienftes redet, während er im Griechen fleh auch
noch über die griechifche Götterwelt ausläfst. Schulthefs
meint daher (S. 14), ,dafs die vita Antonii fchon fehr
frühe in zwei, vielleicht auch mehreren, zum Theil ftark
abweichenden Gehalten exiftirt hat' und ,dafs der uns
vorliegende griechifche Text nicht der urfprüngliche zu
fein braucht'; und Nöldeke fprach ihm die Vermuthung
aus (S. 25), dafs die griechifche Vita ,eine Ueberarbeitung
der echten, in Aegypten verfafsten Vita für den Gebrauch
der Nichtägypter' fei. Erfchwert werden diefe
Schlüffe durch die lateinifche Ueberfetzung der Vita, die
von Evagrius, dem fchismatifchen Bifchof von Antiochien,
herrührt, und von ihm noch als Presbyter, d. h. vor 388,
verfafst wurde; denn fie ftellt fleh an den in Rede flehenden
Stellen durchweg auf Seite des Griechen. Und vollends
fchwierig wird die Situation des Syrers durch das
umfangreiche Citat in Ephraim des Syrers (f 373)
nur griechifch erhaltener Schrift In lllud: Attende
tibi ipsi, welches ebenfalls für den Griechen zeugt;
denn da Ephraim wohl kein Griechifch verftand (wie
auch Schulthefs behauptet), mufs er eine fyrifche Ueberfetzung
der vita Antonii benutzt haben, die unterem
Griechen entfpricht, und nicht dem vorliegenden Syrer.
Dem letzteren Schlufs fucht Schulthefs durch die Annahme
der Unechtheit von In illnd: Attende tibi ipsi
zu begegnen. Aber die textkritifche Frage möge zu
Gunften oder Ungunften des Syrers zu entfeheiden fein
— mir fcheint das Material zu weitgehenden Schlüffen
zur Zeit noch nicht auszureichen —, jedenfalls hat
Schulthefs durch feine Differtation wohl Dank von den
Kirchenhiftorikern verdient, den er vergröfsern würde,
wenn er eine deutfche Ueberfetzung des ganzen Syrers
diefer ,Probe' folgen liefse.

Göttingen. Hans Achelis.

Keller, Ludw., Die Gegenreformation in Westfalen und am
Niederrhein. Actenftücke undErläuterungen, zufammen-
geftellt von K. 3. Thl. 1609—1623. [Publicationen aus
den k. preufs. Staatsarchiven, 62. Bd.] Leipzig,
Hirzel, 1895. (VIII, 693 S. gr. 8.) M. 22.—

Der erfte Band diefer reichhaltigen Publication, welche
die Leidensgefchichte der evangelifchen Kirche im Her-