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Ausgabe:

1896 Nr. 14

Spalte:

375-379

Autor/Hrsg.:

Bousset, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Der Antichrist in der Ueberlieferung des Judenthums, des neuen Testaments und der alten Kirche 1896

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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375

Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 14.

376

= %eiQO%ovi~iv des griechifchen Textes {Epitome I, c.
CXLV) würde wohl durch ein arabifches Wort erfetzt

fein, wenn es nicht, wie das häufigere 'iXs^icjE = %siqo-
zovla und das fyr. ,^4^2) i. S. v. ordinatus est zeigt,
der Umgangsfprache der chriftlichen Araber angehört
hätte.

So danken wir auch diesmal der Herausgeberin für
ihre intereffante und werthvolle Gabe und erkennen
herzlich gern ihre ficherlich ganz ungewöhnliche Sach-
kenntnifs und ihren unermüdlichen Schaffenseifer an. Aber
wir beklagen es mit ihr felber, dafs ihr nicht ausreichende
Beihülfe zur Seite fleht, weil durch die erwähnten Mängel
die Zuverläffigkeit des aufgefpeicherten Materiales und
dadurch feine Verwerthbarkeit Einbufse erleidet.

Zürich. V. Ryffel.

Bousset, Privatdoz. Lic. Wilh., Der Antichrist in der
Ueberlieferung des Judenthums, des neuen Testaments
und der alten Kirche. Ein Beitrag zur Auslegung der
Apocalypfe. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht,
1895. (VI, 186 S. gr. 8.) M. 4.40.

Der fchon durch eine Reihe verdienftlicher Arbeiten
wohlbekannte Theologe Bouffet legt hier eine Abhandlung
vor, die ficher auf ein befonderes Intereffe rechnen
darf. Auf geringem Raum hat er Früchte einer ungewöhnlich
mühevollen Arbeit ausgebreitet, allerdings wird
es dem Lefer auch nur in mühevoller Arbeit gelingen
fie zu geniefsen.

Als einen .Beitrag zur Auslegung der Apocalypfe'
bezeichnet der Verf. fein Werk auf dem Titel, S. 2 als
einen ,Beitrag zur Eschatologie der alten Kirche'. S. 6
Anm. 1 erfahren wir, dafs B. bald einen Commentar
zur Apok. zu veröffentlichen gedenkt; nach dem Vorwort
hofft er ,noch einmal Zeit und Kraft zu einer zu-
fammenfaffenden Darftellung der Eschatologie der chriftlichen
Kirche zu finden'. In der That hat er hier für
beide Werke reichliche Vorarbeit geliefert, aber die
Doppelheit des Intereffes, das bald blofs auf Fragen der
neuteftamentlichen Exegefe oder Hermeneutik, bald blofs
auf die Zufammenhänge einer zum Theil viel fpäteren
kirchlichen Literatur gerichtet wird, macht fich auch
ftörend fühlbar. Die Grundtendenz freilich verliert
der Verf. nie ganz aus den Augen, die S. n—19 in
der .Aufftellung des Problems' dem Lefer noch nicht
ganz klar wird, nämlich zu beweifen, dafs die apokalyp-
tifchen Abfchnitte im Neuen Teftamente, Matth. 24.
II Theff. 2. Apok. Joh. nur einzelne Bruchftücke aus
einer viel älteren, heiligen, wohl zufammenhängenden
Anfchauung über die letzten Dinge darftellen, dafs in
der aufserbiblifchen Literatur fowohl der alten Kirche
wie der fpäteren Juden fich noch felbftändige, werthvolle
Beftandtheile diefes Zukunftsbildes vorfinden, die
keineswegs erft durch Combination oder weitere Ausmalung
biblifcher Angaben entftanden find, dafs diefe
Stoffe fchon im vorchriftlichen, fogar vordanielifchen
Judenthum nicht ohne Anlehnung an den altbabyloni-
fchen Drachenmythus ihre Geftalt erhalten haben und
dafs fie — dem Grundgefetz der Entwicklung refp.
Fortpflanzung folcher apokalyptifchen Bilder entfprechend
durch Jahrhunderte hin faft unverändert auf dem Wege
einer mündlichen Geheimtradition von Einem zum Andern
weitergegeben worden find. Mit der Formulirung diefer
Thefen und mit der Beibringung von Beweismitteln für
fie aus den faft über ein Jahrtaufend hin zerftreuten
Quellen hat fich B. unzweifelhaft ein Verdienft erworben;
die meift nur um Einzelheiten bemühte Forfchung auf
apokalyptifchem Gebiete ift in einen grofsen Zufammen-
hang gebracht worden, fie hat eine Richtlinie empfangen,
in der fie eine Weile mit Erfolg wird arbeiten können.

Und es bedarf kaum der Erwähnung, dafs ein fo fcharf-
finniger Kritiker wie B. gleich bei dem erften Durch-
fuchen des Quellenmaterials mancherlei Neues und Gutes
fowohl bezüglich der literar- wie der religionsgefchicht-
lichen Verwerthung desfelben zu Tage gefördert hat.

Es fcheint fehr angebracht zu fein, dafs er, bevor
er S. 76—168 ,die Gefchichte der Tradition vom Antichrift
' behandelt — S. 169—180 folgen dann noch ein
Anhang ,zum zwölften Capitel der Johannesapokalypfe'
und Nachträge über fpätbyzantinifche Apokalypfen
und dgl. — in Theil I S. 20—75 einen Ueberblick über
die benutzten Quellen giebt: gerade bei dem hier zu verwendenden
Material ift die Beftimmung der Verfaffer,
der Abfaffungszeit, der Zuverläffigkeit des Textes, der vermutlichen
Quellen etc. eine fchwere Aufgabe. Und dafs
B. da Vollftändigkeit nicht erreicht hat, dürften wir ihm
nicht zum Vorwurf machen, auch wenn er es nicht
felbft öfters hervorhöbe, noch weniger, dafs Manches un-
ficher bleibt und einzelne Schriften ohne erkennbaren
Grund viel kürzer als andere abgethan werden. Aber
die zahllofen Verweifungen auf fpätere Abfchnitte (bisweilen
auch Rückverweifungen) mit Formeln wie ,wie
weiter unten nachgewiefen wird', zeigen, dafs die Anlage
doch nicht die geeignetfte ift, und charakteriftifch bleibt,
dafs S. 71 — alfo mitten in dem der literarifchen Zu-
rechtordnung der Quellen gewidmeten Theil — eins der
Hauptrefultate von B.'s Forfchungen über die Gefchichte
der Antichriftvorftellung ,zur Gewifsheit erhoben' wird,
nämlich ,dafs die Erwartung des Antichrift auf jüdifchem
Boden entftanden ift'. Es fehlt eben an einer fcharfen
Scheidung der Aufgaben beider Theile; in I werden
durchweg fchon Stücke, die man erft in II erwartet, herein-
gefchoben. — Auch der eigentliche Haupttheil zerfällt in
21 Capitel, in denen die einzelnen Elemente der Anti-
chriftfage nach einander zur Befprechung gelangen, z. B.
1. die Vorzeichen, 3. der Name des Antichrift, 6. das
Sitzen im Tempel, 7. der Ant. der Pfeudomeffias der
Juden, 13. Henoch und Elias, 20. das Blafen des Hornes,
21. das Weltgericht. Diefe gefonderte Behandlung jedes
Stückes hat gewiffe Vortheile, aber fie erfchwert dem
Lefer die Ueberficht über die Entwicklung des Ganzen
ungemein, macht auch Wiederholungen unvermeidlich:
aufser dem, der das gefammte Material felbftändig
durchgearbeitet hat, wird wohl Niemand fich in diefem
Gewirre von Mittheilungen zurechtfinden. Lieber hätte
das Regifter umfänglicher werden, die ,Anordnung des
Ganzen' aber weniger auf die Zwecke der Orientirung
über Einzelheiten als auf die der Gewinnung einer Ge-
fammtanfchauung berechnet werden follen.

Vielleicht hat B. das Buch etwas zu rafch gefchrieben.
Die ungemein grofse Zahl von Druckfehlern, Incorrect-
heiten oder Ungenauigkeiten im Ausdruck, wie in den
Angaben bei Zahlen und Namen laffen darauf fchliefsen.
Sulpicius Severus follte heut doch nicht mehr nach Migne
citirt, noch weniger (S. 19) fein dialogus II als ,hist.' bezeichnet
werden, und eine pfeudoambrofianifche Auslegung
der Apok. (S. 125) als ,Ambrofiafter' zu citiren
ift mindeftens ftark irreführend. S. 9 und 10 werden
Seitenzahlen aus einem Buche von A. Dieterich genannt,
ohne dafs der Lefer erfährt, um welches Buch es fich
eigentlich handelt. Und das in einer Polemik, in der
Dieterich des Dilettantismus befchuldigt wird. Ich ge-
ftehe, dafs mir diefer Vorwurf fehr wenig angebracht
erfcheint; auch wenn wir nicht mit allem einverftanden
find, was nichttheologifche Forfcher über jüdifche und
urchriftliche Eschatologie urtheilen, follten wir uns doch
freuen, dafs tüchtige Philologen endlich wieder anfangen
fich für unfere Probleme zu intereffiren und unfere Arbeit
zu unterftützen, und vor allem unterem Danke Ausdruck
geben. Mit ähnlicher Empfindung las ich S. 21,
dafs die Ausgabe des Ephraem von Assemani ,in einer
unglaublich liederlichen Weife gearbeitet' feir Die grofsen
I Mängel diefer Ausgabe find längft bekannt, aber gegen-