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Ausgabe:

1896 Nr. 14

Spalte:

368-370

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Hermann Fr.

Titel/Untertitel:

Die Gleichnisse Jesu im Evangelium des Matthäus 1896

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 14.

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Stadium ihres Verlaufes fich gewiefen fieht, wird doch
ungleich mehr durch Gelehrte wie Chiappelli in Neapel
geleiftet. Ein Werk etwa über die fynoptifchen Evangelien
von feiner Hand würde ganz anders ausfehen und
uns viel unmittelbarer berühren, als das vorliegende,
dem übrigens kein deutfcher Theologe aufrichtige Achtung
vertagen wird.

Strafsburg i. E. H. Holtzmann.

Gloag, Paton J., D. D., Introduction to the synoptic gospels.

Edinburgh, T. & T. Clark, 1895. (XVIII, 298 S.

gr. 8.) Geb. 7s. 6 d.

Mit demfelben Fleifs und mit demfelben redlichen
Streben nach Unparteilichkeit, aber auch mit der
gleichen apologetifchen Grundfbmmung wie des Verfaffers
einleitende Werke zu der Apoftelgefchichte (1870), den
Faulusbriefen (1879), den katholifchen Briefen (1887) und
den johanneifchen Schriften (1891) ift auch das vorliegende,
die ganze Reihe abfchliefsende Buch des fchottifchen
Theologen gefchrieben. Gewidmet hat er es feiner Frau,
die ihn bei allen diefen Arbeiten unterftützt hat. Ein
allgemeiner Theil (S. 1 — 89) behandelt die mancherlei
Detailfragen, in welche das fynoptifche Problem zerfällt,
in ihrem Zufammenhang und wechfelfeitigen Verhältnifs
und giebt namentlich, unter Bewährung anerkennens-
werther Belefenheit auch in der deutfchen Literatur, eine
Ueberficht über den Entwicklungsgang der Verhandlungen
und ihren jetzigen Stand. Einzelner Ungenauig-
keiten und einer nur allzu begreiflichen Unvollftändigkeit
diefer Angaben ungeachtet bietet diefer Abfchnitt fehr
viel brauchbares Material in Geftalt mancher bibliogra-
phifchen Notizen und fonftiger Lefefrüchte. Das Problem
felbft bleibt bei aller Neigung, in Marcus die gern
einfame Quelle für Matthäus und Lucas(die unabhängig von
einandergefchrieben haben) anzuerkennen,dochfchliefslich
in unentfchiedener Schwebe (S. 71). Schon die Vorrede
erklärt es als zur Zeit wahrfcheinlich überhaupt unlösbar.

Dem Matthäus ift ein zweiter Abfchnitt (S. 90—166)
gewidmet, der beweifen will, der Apoftel habe diefes
Buch um 55—60 gefchrieben (S. 140 f.). Bezeichnend
für des Verfaffers Methode ift hier befonders die Verhandlung
über die Urfprache des Evangeliums (S. 110 f.),
fofern er fich hier in der Klemme befindet zwifchen den
inneren Gründen, die gebieterifch auf ein griechifches
Original hinweifen, und den äufseren Zeugnifsen der
Väter, welche einftimmig für ein hebräifches Original
fprechen. Eine wirkliche Löfung wird nicht gegeben,
fondern nur einfach der Tradition das Uebergewicht über
die Logik zuerkannt (S. 129). Zwifchen den Kindheits-
gefchichten des Matthäus und des Lucas fchafft der
Verfaffer Frieden, indem er die Eltern Jefu vom Tempel
zu Jerufalem gegen Luc. 2, 39 nach Bethlehem zurückkehren
läfst, um dort den Befuch der Magier empfangen
zu können (S. 137). Nicht viel befriedigender ift, was
wir im dritten Abfchnitt über das Werk des Marcus erfahren
(S. 167—208), welches auf Grund der Berichte
des Petrus und anderweitiger Ueberlieferungen zwifchen
44 und 70 in Cäfarea gefchrieben fein foll (S. 204 f.), und
zwar, wie wiederum zumeift unter dem Eindruck äufserer
Zeugnifse behauptet wird (S. 200), inclufive 16, 8—20.
Nach ähnlicher Methode wird im vierten Abfchnitte
(S. 209—248) das Lucas-Evangelium als um das Jahr 60
gleichfalls in Cäfarea abgefafst erwiefen (S. 246). Es
folgen zwei Differtationen, deren erfte (S. 249—268) zu
dem Refultate führt, dafs Eli der Vater der Maria, nicht
Jofeph's gewefen fei, während die zweite (S. 269—284)
der Hypothefe Zumpt's bezüglich der doppelten Statthalterschaft
des Quirinius Beifall fchenkt.

Der Inhalt des Buches entfpricht dem Stand unferer
Evangelienkritik, wie derfelbe etwa vor 50 Jahren be-
fchaffen war.

Strafsburg i. E. H. Holtzmann.

1. Koetsveld, C. E. van, Die Gleichnisse des Evangeliums,

als Hausbuch für die chriftliche Familie bearbeitet.
Mit Genehmigung des Verfaffers aus dem Hollän-
difchen überfetzt von Pfr. Dr. Otto Kohlfchmidt.
Mit einem Vorwort von Prof. D. F. Nippold und
einem biographifchen Abrifs vom Ueberfetzer. 2.— 5.
Tauf. Leipzig, Janfa, 1896. (XXIV, 316 S. gr. 8.)

M. 3.—; geb. M. 4.—

2. Schmidt, Paft. Herrn. Friedr., Die Gleichnisse Jesu im

Evangelium des Matthäus. Ein Sonntagsbuch über
den Ernft des Chriftenthums. Bafel, Reich, 1896.
(XII, 154 S. 8.) M. 2.—

Das an erfter Stelle genannte Buch ift in diefer Zeitung
1893 S. 129—131 befprochen worden; es wird einer
erneuten Charakterifirung und Empfehlung desfelben
nicht bedürfen. Doch foll nicht unerwähnt bleiben, dafs
diefe 2. Auflage der Ueberfetzung, die in anderem Verlage
erfchienen ift, Vorzüge vor der erften hat: einmal hat
der Ueberfetzer auf S. XVI—XXI eine kurze Biographie
des inzwifchen heimgegangenen Verfaffers beigegeben,
aufserdem mit anerkennenswerther Sorgfalt feine Ueberfetzung
revidirt, dabei fprachliche Anftöfse befeitigt,
Citate nachgetragen. Die Bibelftellen, die im Text nicht
nachgewiefen worden find, findet man auf S. 309 —316,
bequem nach Seiten und Zeilen geordnet; auch das Ver-
zeichnifs der im Text erklärten Schriftftellen S. 304 ff.
wird manchem Lefer willkommen fein. Dafs hie und da
noch kleine Incorrectheiten begegnen, z. B. S. 125 ,bei
Jefu Lieblingsprophet Jefaia', dafs ein paar Bibelftellen
doch noch überfehen worden find, z. B. S. 53, 14 Rom.
11, 28 und S. 56, 5 Deut. 20, 19, wie auch zu S. 182, 9
mindeftens neben Matth. 24, 1 f. Marc. 13, 1 f. hätte genannt
werden follen, ändert an der Hauptfache nichts:
das auch äufserlich recht gut ausgeftattete und durch
Gebrauch anderer Typen an Umfang verringerte Buch
bietet eine der liebenswürdigften Schöpfungen des ent-
fchlafenen Holländers in der günftigften Form dar, die
wir nur wünfehen können.

Das Büchlein von H. F. Schmidt, das als Fortfetzung
eines 1891 veröffentlichten: ,Die Gleichnifse Jefu im Evang.
Lukas ausgelegt mit Rückficht auf die fozialen Aufgaben
der Gegenwart' erfcheint, hat einen wefentlich anderen
Charakter als das von Koetsveld. Wie der Nebentitel
,ein Sonntagsbuch über den Ernft des Chriftenthums'
andeutet und wie der Verf. im Vorwort fagt, hat er in
den beiden Schriften feinen Lefern ein Ganzes bieten
wollen, das als Sommerpoftille dienen könne. Wir bekommen
hier nicht eine vollftändige Auslegung der evan-
gelifchen Gleichnifse, fondern Predigten über einzelne
Gleichnifse, diesmal find es ihrer 12 in 10 Stücken, von
denen das vierte nicht einen Matthäustext behandelt,
fondern Marc. 4, 26 ff. Trotz feines in der Vorrede betonten
Strebens, die Gleichnifse aus der urfprünglichen
Situation heraus zu erklären, hat der Verf. doch wohl
als feine Hauptaufgabe ahgefehen, die betreffenden Abfchnitte
der Evangelien praktifch zu verwerthen, und die
Arbeit eines Predigers ift als folche zu kritifiren. Da verzichte
ich auf ein Urtheil: es find Predigten, die fich
fchon durch zahlreiche Fremdworte als vor einer Gemeinde
von gebildeten Leuten gehalten geben, in correcter und
klarer Sprache, mit Einftreuung vieler Liederverfe und
Anekdoten, durchzogen von einem warmen Hauch
kräftigen Eifers für die weltumgeftaltende Kraft des Chriftenthums
. Nach meinem Empfinden läuft in Ausdruck und
Gedanken manches Uebertriebene mit unter, z. B. S. 127
über Matth. 25, 1—i3:,Unfer Gleichnifs hat von jeher
einen befonders tiefen Eindruck auf alle, die es hörten,
gemacht', S. 29: ,Heutzutage . . . fteht und fällt das
Himmelreich mit dem Sonntag' — eine Anm. S.30 mahnt
I die grofsen Länder Europas, alle Wirthfchaften vom Sonn-