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Ausgabe:

1896 Nr. 14

Spalte:

363-367

Autor/Hrsg.:

Mariano, Raffaele

Titel/Untertitel:

Gli evangeli sinottici 1896

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 14.

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Dafs in der fünften Zeile lavov aus der erften in die
zweite Spalte gerathen und dafür in der letzteren dieUeber-
fetzung Aquila's ausgefallen ift, liegt auf der Hand. Dies
dürfte zugleich beweifen, dafs im Original der Hexapla,
die nach den alten Zeugniffen in cola et commata divisus
war, die Zeilen nicht fo kurz waren wie in diefer Copie.

— evQe&iqa in Z. 9 mit dem vielleicht von oipoöoa
flammenden a vertritt fchon die fyrifche Hexapla. —
Gleich im erften Vers findet fich eine Variante zu unfern
bisherigen Kenntnifsen. Nach Field hatte Aquila uelio-
drpia für -p», nicht aoua. Die Varianten der fechften
Spalte find Z. 1 eig to zelog, Z. 4 xpaluog, Z. 18 r^riaav,
Z. 22 zct 0Q7j, Z. 24 diaxpalua.

Man darf auf Mercati's Veröffentlichung fehr ge-
fpannt fein.

Ulm. E. Neftle.

Marian0, Raffaele, Gli evangelii sinottici. Realtä o inven-
zione? Studii. 2. ed. Aggiuntavi una prefazione.
Rom, Loescher & Co., 1896. (XL, 206 S. gr. 8.)

Fr. 5. —

In einer von Capri datirten Vorrede, die auch feparat
erfchienen ift {La ricerca religiosa e la chiesa di Roma,
40 Seiten), befchwert und bedankt fich der Verfaffer
beim Papft dafür, dafs die erfte Auflage auf den Index
gefetzt und dadurch eine zweite nöthig geworden ift.
Und doch liege dem Verf. nichts ferner, als die Heilswahrheiten
des Chriftenthums, zu deffen überzeugten
Bekennern er gehöre, anzutaften. Er habe nur die Abficht
gehegt, feine Glaubensgenoffen, die Katholiken —
Proteftanten hätten eine derartige Belehrung kaum mehr
nöthig — über den gefchichtlichen Hergang zu unterrichten
, welcher zur Abfaffung der älteren Evangelien
geführt hat. Auf einem Punkte weiche er allerdings
von dem Standpunkte ab, welchen der Katholicismus
und der kirchliche Proteftantismus gemeinfam einnehmen.
Für ihn ftehe der göttliche Urfprung und Charakter des
Chriftenthums vollkommen unabhängig von der Frage
nach der Glaubwürdigkeit der die evangelifche Gefchichte
füllenden Wunderberichte, während er in dem unzweifelhaft
zu conftatirenden Wunderglauben der älteften
Chriftenheit einen fprechenden Ausdruck des fie befeelen-
den Vertrauens auf Ueberlegenheit des Geiftes über die
Natur erblicke. Defshalb dürfe man fich noch lange
nicht erlauben, mit den Thatfachen der evangelifchen
Gefchichte umzufpringen wie Straufs oder Renan. Be-
fonders an letzterem, in Italien fo viel gelefenen, Schrift-
fteller übt unfer Verf. — übrigehs nicht zum erften Mal

— eine herbe Kritik, um fich dann nach Deutfchland
herüberzuwenden und der proteftantifchen Theologie
abfoluten Subjectivismus vorzuwerfen und die Gefahr
gänzlicher Auflöfung vorzuhalten. Denn fo ge-

wifs es eine objective religiöfe Wahrheit gebe, fo gewifs
müffe auch eine kirchliche Autorität für die fichere' Ueber-
mittelung derfelben forgen. ,Aber von welcher Art wird
diefe Autorität fein?' Wir erfahren zum Schluffe nur,
dafs fie weder als geiftliche Hierarchie, noch als unfehlbares
Papftthum zu denken fei. — Man fieht, der berühmte
Philofoph ift der Alte geblieben, wie wir ihn
längft kannten, der Doctrinär eines Katholicismus, wie er
in Wirklichkeit nirgends exiftirt, vielmehr nur die gedankenblaffe
Ausgeburt des italienifchen Hegelianismus
bedeutet.

Auf diefem Standpunkt ift nun einmal das Chriften-
thum nicht anders zu begreifen, denn als theoretifche
Weltanfchauung, als Dogma von Haufe aus (S. 159 f.
166 f.). Demgemäfs beginnt fofort auch die Einleitung
mit einer, fpäter wieder aufgenommenen und weitergeführten
, chriftologifchen Conftruction(S. 1 f. m f.), welcher
die hiftorifche Forfchung nur gleichfam zu Hülfe kommen
foll, indem fie uns zeigt, dafs ,die ideale Wahrheit Thatfache,
Wirklichkeit, lebendige Perfon geworden ift'. Nachdem
der Verfaffer fchon in einer früheren Schrift {L'evangelio
di Giovanni 1892) das vierte Evangelium, das sich zu der
gefchichtlichen Wirklichkeit gleichgültiger verhält, als
die Synoptiker, behandelt hat, tritt er jetzt an die Letzteren
heran, um zu zeigen, dafs fie dem chriftlichen Princip,
welches die Einheit des Göttlichen und des Menfchlichen
bedeutet, doch nicht ferner flehen als jenes (S. 144 f.). Das
gefchieht nicht ohne den guten Vorfatz, es beffer zu
machen, als die Deutfchen, welche über folche Gegen-
ftände nur complicirte Unterfuchungen anzuflehen und
mühfelige Bücher zu fchreiben wiffen, über deren Leetüre
man das Geräufch des bekannten ,Mühlrades im Kopf
zu vernehmen glaubt (S. 10. 54). Der Verf. denkt fehr
hoch von der biblifchen Wiffenfchaft, wie fie bei uns
betrieben wird, und erkennt der deutfchen Theologie
auf dem Gebiete der Evangelienkritik unbedingt die
Eührerfchaft zu (S. 23). Mit höchfter Anerkennung
werden beifpielsweife die Bemühungen von Baur, Weiz-
fäcker, Pfleiderer um Erklärung des Auferftehungs-
glaubens befprochen und von dem leichten Gerede der
Freidenkerei unterfchieden (S. 67 f.). Aber nicht der
hiftorifchen Methode, fondern dem philofophifchen Idealismus
verdankt feiner Meinung nach die Tübinger
Schule ihren Auffchwung und grofsen Erfolg (S. 24).
Die kritifchen Grundfätze feien alle absftract und über-
fpannt, rigoros und forcirt, daher auch die Refultate allzu
fkeptifch und negativ bis auf den heutigen Tag.
,Gemäfsigt und confervativ in jeder anderen Hinficht,
zieht der deutfehe Gelehrte allein da, wo es fich um
hiftorifche Conftruction handelt, ein revolutionäres Vorgehen
dem reformatorifchen vor' (S. 44). Gilt das theil-
weife fchon von der an Tübingen fich anfchliefsenden
Kritik, fo erft recht von der antitübingifchen Conftruction
des Ritfchlianismus (S. 182 f.), den er für abfoluten Individualismus
hält (S. 199), und Harnack's, gegen welchen
der von philofophifchen Gefichtspunkten geleitete Verfaffer
natürlich eine ausgefprochene Abneigung empfindet
(S. 47 f. 157 f- 2°o f.)

Es wird keinem deutfchen Gelehrten einfallen, zu
meinen, die wenigen italienifchen Gelehrten, die uns die
Ehre erweifen, unfere Bücher zu lefen und bezüglich
der Löfung des fynoptifchen Problems in ernfthafte Mitarbeit
mit uns zu treten (es find ihrer vielleicht im
Ganzen fünf oder fechs), follten die ganze riefige Arbeit
an diefem Problem, wie fie jetzt mindeftens ein Jahrhundert
lang unausgefetzt betrieben worden ift, auch
ihrerfeits durchmachen und fich auf Schritt und Tritt
mit den Todten und den Lebenden auseinanderfetzen,
die hierüber bei uns etwas von Belang gefchrieben haben.
Es ift vielmehr ganz in der Ordnung, wenn auch unfer
Verf. vorausfetzt, dafs man fich auswärts damit begnügen
dürfe, fich eines Totaleindruckes zu verfichern, den die
Sache hinterläfst, ein Durchfchnittsurtheil zu gewinnen,