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Ausgabe:

1896

Spalte:

17-22

Autor/Hrsg.:

Harnack, Adolf

Titel/Untertitel:

Eine bisher nicht erkannte Schrift des Papstes Sixtus II. vom Jahre 257/8, zur Petrusapokalypse, Patristisches zu Luc. 16,19 1896

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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17 Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 1

nach der erften Miffionsreife des Paulus. Auch fein
römifcher Urfprung ift vielleicht erft aus der Notiz des
Papias erfchloffen. Ebenfo find die Nachrichten über
die Beziehungen des Paulus zum Lucasevangelium fehr
fpät; dafs er gar einem grofsen Theil der hier berichteten
Ereignifse als Augen- und Ohrenzeuge beigewohnt
habe, hat St. in keiner Weife bewiefen, ebenfo wenig j
wie die Herkunft anderer Stücke von andern Gewährsleuten
: Maria, Johannes, Philippus dem Evangeliften. Doch
das Willkürlichfte ift die Ableitung des Matthäusevangeliums
von Jacobus, dem ,Vetter' Jefu! Er beruft fich
dafür auf das Zeugnifs der fog. Synopsius Atlianasii, die
er aus dem 4. Jahrhundert herleitet (vgl. dagegen Zahn II,
302 ff. t, während doch andere Nachrichten Johannes oder
Bartholomäus nennen (vgl. Credner, Einleitung I, I, 72 f.),
die älteften Väter aber offenbar unfer erftes Evangelium
auf Matthäus zurückführen. St. dagegen argumentirt,
nachdem er mit Recht jenem den Charakter einer Ueber-
fetzung aberkannt, folgendermafsen: ,Wer war es, der
die hebräifche Niederfchrift der Reden Jefu aus des
Matthäus Griffel mit den Erinnerungen des Petrus, wie
fie Marcus niederfchrieb, zu einem kunftvollen Ganzen
einigte? Es mufs ein Apoftel gewefen fein. Denn das
apoftolifche Anfehen des Matthäusevangeliums ift im
Alterthum nie angezweifelt worden [weil man es eben I
auf Matthäus zurückführte!] . . Der apoftolifche Verfaffer
aber mufs es gefliffentlich vermieden haben, dies Evan- ;
gelium als fein eigenes Werk zu bezeichnen . . . Was
war natürlicher, als dafs er es unter dem Namen des j
Matthäus ausgehen liefs, deffen Fleifs er die wichtigften
Partien feiner Schrift verdankte. Die Kirche hat feinen I
Willen geehrt. Das griechifche Evangelium trägt überall
den Namen des Matthäus, obwohl niemandem verborgen
war, dafs nur die hebräifche Grundfchrift aus
dem Griffel des Matthäus flammte' (28). Und nun frage J
ich: wie würde er über Leichtfinn, Ungerechtigkeit, Hoch- ]
muth, Kurzfichtigkeit u. f. w. gefcholten haben, wenn ein
anderer vor ihm eine folche Hypothefe aufgehellt hätte! |
Jedenfalls hat er dadurch felbft feinen Beweis für die 1
Echtheit der Evangelien aus dem testimonium Spiritus
saneti widerlegt, nachdem er ihn zuerft nur durch unklare
Begriffsvertaufchung zu Stande gebracht. Was endlich
das Johannesevangelium betrifft, fo werden die
wichtigften Bedenken gegen feine Echtheit wiederum
todtgefchwiegen und wird ftatt deffen ,kühnlich behauptet,
es fei keine Schrift im ganzen Lauf der Jahrhunderte ge-
fchrieben worden, an deren Werth als einer untrüglichen
Urkunde der Wahrheit fo wenig ein Zweifel möglich ift,
als an dem heiligen Evangelium des Johannes' (41). In
Wahrheit ift es eben die Grundvorausfetzung des Verf.s,
von der er beftändig ausgeht und durch die fich auch
der Titel feines Buches erklärt, dafs die Evangeliften
Augenzeugen des Lebens Jefu gewefen feien; hätte er
diefe petitio prineipii nicht gemacht, fo würde fich im
einzelnen über das Verhältnifs der Evangelien zu einander
und im allgemeinen über ihren Urfprung das Ur-
theil fehr oft anders, einfacher und natürlicher und darum
richtiger oder wenigftens wahrfcheinlicher geftaltet haben.

Halle a. S. Carl Clemen.

Harnack, Adf, Eine bisher nicht erkannte Schrift des Papstes
Sixtus II. vom Jahre 257/8, zur Petrusapokalypse, Patri-
stisches zu Luc. 16,19. Drei Abhandlungen. — Eine
bisher unbekannte Verfion des erftenTeiles der ,Apoftel- j
lehre', gefunden und befprochen von L. E. Ifelin,
überfetzt von A. Heusler. [Texte u. Unterfuchungen
zur Gefchichte der altchriftl. Literatur, hrsg. von O.
v. Gebhardt u. A. Harnack, 13. Bd., 1. Hft] Leipzig,
Hinrichs, 1895. (VI, 78 u. 30 S. gr. 8.) M. 3. 50

Mit bisher unbekannten oder nicht erkannten Be-
ftandtheilen der altchriftlichen Literatur befchäftigt fich

das vorliegende Heft der Texte und Unterfuchungen,
deffen Inhalt das lebhaftefte Intereffe aller Freunde der
alten Kirchengefchichte verdient. Im 2. Theil bemühen
fich 2 fchweizerifche Theologen, Ifelin und A. Heusler,
die Veröffentlichungen von E. Amelineau aus der kop-
tifchen und arabifchen Literatur des chriftlichen Aegyptens
(Paris 1888 und 1889) zur Löfung eines vielverhandelten
literargefchichtlichen Problems, an das dabei noch
Niemand gedacht hatte, zu verwerthen: aufser Anklängen
an die Petrusapokalypfe, einem bisher unbekannten,
vielleicht aus dem Petrusevangelium flammenden Aus-
fpruch Jefu an Petrus (,Wahrlich dein Auge wird in Ewigkeit
nie gefchloffen werden für das Licht diefer Welt')
und einigen legendarifchen Notizen über das Leben des
Herrn — hier hätte an das koptifche Synaxarium ed.
Wüftenfeld S. 143 u. 212 erinnert werden können! —
hat Ifelin in der arabifchen Verfion des ,Lebens des
Mönches Schnudi' den erften Theil der ,Apoftellehre' in
eigenthümlicher Recenfion entdeckt; A. Heusler giebt
eine möglichft genaue Ueberfetzung des arabifchen Textes
ins Deutfche und der Entdecker commentirt die neue
Recenfion und vergleicht fie mit den bisher bekannten.
Begreiflicherweife ift er geneigt, den Werth feines neuen
Textes fehr hoch zu fchätzen; diefer ift nicht blofs im
Einzelnen ,mannigfach urfprünglich', vertrauenerweckend
jüdifch gefärbt, fondern liefert den Beweis, dafs die
Schrift von den beiden Wegen urfprünglich felbftändig
fich im Umlauf befunden hat, in der ,Didache' nur in
fecundärer Geftalt vorliegt und origineller von den kürzeren
Verfionen der ,Kirchenordnung' namentlich der
Codices Mosquenses vertreten wird. Dafs Aegypten das
Vaterland diefer Literatur fei, werde hier aufs neue
bezeugt. Das Letzte wird kaum auf Widerftand ftofsen;
die anderen Thefen Ifelin's erfcheinen mir minder ficher.
Der arabifche Text, auf den er fleh ftützt, ift die Ueberfetzung
einer im oberägyptifchen Dialekte verfafsten
Arbeit aus der Zeit um 687, deren Verhältnifs zu der
angeblichen Grundlage, einem Panegyricus des Archiman-
driten Vifa auf feinen Amtsvorgänger und Lehrer Schnudi
(f 451) unklar bleibt. Die neue , Verfion des erften Theiles
der Apoftellehre' wird in diefer Heiligenbiographie dem
Vater Schnudi in den Mund gelegt (Einleitung: ,Und nun
pflegte er zu jeder Zeit zu lehren und zu fagen'), fie fällt
dort aus dem übrigen Zufammenhang allerdings deutlich
heraus, und wenn auch Ifelin kein Recht hat, in diefer
Anweifung gewiffermafsen das Grundgefetz zu erblicken,
auf dem die klöfterlichen Stiftungen Schnudi's undVifa's
ftanden, und S. 21 recht unvorlichtig von ,dem urfprüng-
lichen Wortlaut der Rede Schnudi's' fpricht, fo dürfte
ficher fein, dafs diefer Sittencodex erheblich älter ift als
alle bei der Vita Schnudi betheiligten Perfonen: auf ,das
Gemeinfchaftsleben der Mönche' ift er doch (f. S. 13)
zu wenig zugefchnitten. Dafs die Quelle nicht eine der Verfionen
der fog. apoftolifchen Kirchenordnung fein kann,
hat Ifelin S. II ff. zutreffend erwiefen; was er bei der
Vergleichung des neuen Textes mit der Textform der
Didache als ,motivirte' d. h. originale Abweichungen im
Gegenfatz zu den ,fecundären' S. 21—23 aufzeigt, könnte
man einfpruchslos aeeeptiren, ohne doch für das Haupt-
refultat gewonnen zu fein, dafs hier ftatt einer Ueberar-
beitung der entfprechenden Stücke der Didache vielmehr
eine alterthümlichere Recenfion einer der Grundfchriften
der Didache, fomit ein neuer Beweis, dafs ,die Verfion
diefer Schrift — von den beiden Wegen — in der Didache
nicht eine primäre ift', vorliegen foll. Mir ift Manches
in den vergleichenden Erörterungen Ifelin's zweifelhaft, z. B.
dafs das cptZye üno navebg novrtqov in Did. III 1 ,zweifellos'
masculinifch zu faffen fei, und ficherlich bei Barnabas
19,11 siq rtlog itiaipeig zbv novnoöv die richtige Parallele
habe als Bezeichnung der Grenze, bis zu der die Nächften-
liebe zu gehen hat: fo verftanden fcheint mir jenes eig
zehog (iiar](itig abfolut unverföhnlich mit dem oö iiio/joeig
nävia avif-qioTtov der Didache, für das es keine Grenze