Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1896

Spalte:

325-326

Autor/Hrsg.:

Makower, Fel.

Titel/Untertitel:

Die Verfassung der Kirche von England 1896

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 12. 326

325______

M .„ ap nr Kel Die Verfassung der Kirche von England, gänzung, bez. bei weiterem Eindringen in die Einzelheiten,

" - ift vor anderen, das geftatte ich mir nebenbei zu bemerken
, ein Werk zu empfehlen, welches vor kurzem in
zweiter Auflage erfchienen ift und welches in erfter Linie
dem Makower'fchen mit zur Grundlage dient, ich meine
Rob. Phillimore, Tke Ecdcsiastical Laiu of the Church
0} England (1873, mit Nachtrag 1876), 2. Aufl. von W. G.
Phillimore and Ch. F. Jetntnett, 2 Bände (mit durchgezählter
Paginirung 1883 Seiten), London 1895. Ein
grofser Vorzug des Makower'fchen Werkes ift die forg-
fältige Berückflchtigung der gefchichtlichen Entwicklung
von der älteften Zeit ab. Das Buch handelt zuerft von
der .Gefchichte der Kirchenverfaffung', wobei nicht nur
England felbft, fondern auch Schottland, Irland, die
Colonien und das Ausland in Betracht gezogen find.
Der 2. Theil gilt den .Quellen des Kirchenrechts', wobei
auch das book of common prayer und die Bekenntnifse

Berlin, Guttentag, 1894. (VIII, 560 S. Lex,8.) M. 20.
Dafs diefes vortreffliche Werk nicht früher angezeigt
worden ift, hat nicht der unterzeichnete Referent ver-
fchuldet- es ift aber noch immer nicht zu fpät, nachdrücklich
darauf hinzuweifen und es dem gründlichen
Studium feitens derjenigen Theologen, die fleh die eng-
lifche Staatskirche anfehaulich machen wollen, zu empfehlen
. Das Werk ift bereits in's Englifche überfetzt
und hat in der Kirche, der es gilt, die freundlichfte Anerkennung
gefunden. Wir haben in Deutfchland nur eine
wenig umfangreiche und meift recht geringwerthige Literatur
über die Kirche von England. Um fo willkommener
mufs man Makower's forgfältige und eindringliche Arbeit
nennen. Sie ift das Werk eines Juriften, doch ift vielleicht
keine Kirche fo geeignet, auch von Nichttheologen,

in Sonderheit eben Juriften, richtig aufgefafst zu werden, 1 behandelt find. Ein 3. Theil befpricht das ,Verhältnifs der

als die Kirche von England. Die Dogmatik fehlt diefer
Kirche natürlich fo wenig, als irgend einer, aber fie tritt
relativ zurück. Dogmatifche Streitigkeiten hat es dort
jedenfalls erheblich weniger gegeben, als in den Kirchen
des Continents. Die Probleme diefer Art, die dort verhandelt
werden, find noch immer einfache zu nennen.
Das Schwergewicht der Intereffen diefer Kirche liegt auf
Seiten der Verfaffung und des Cultus. Sie hat in ihrem
Gepräge eine gewiffe äufsere Aehnlichkeit mit der Kirche
des Orients, zu der fie fleh auch befonders hingezogen
fühlt. Innerlich ift fie doch von evangelifcher Art. Man
bemerkt wohl, wo ,katholifirendes' Wefen fich in ihr ein-
fchleichen kann, fie felbft katholifirt (romanifirt) doch
nicht. Denn felbft ihr Ordinationsbegriff ift letztlich ein
evangelifcher, fo viel Werth fie auf die ,bifchöfliche' Amtsvermittlung
und die gefchichtliche continua successio
der Amtsübertragung legt. Diefe Kirche hat ein merkwürdig
lebendiges Pietätsverhältnifs zum Alterthum und
fie ift eine Kirche der Feierlichkeit und einer befonders
confervativen Ordnungsmäfsigkeit. Man darf, um fie
richtig zu beurtheilen, nicht überfehen, wie voll Biblicis-
mus das common prayer book ift. In diefer Kirche ift
die Bibel im vollften Mafse das tägliche gottesdienftliche
Brot, und ihre Laienfrömmigkeit lebt und webt, vermittelt
durch den Cultus, gerade in der Bibel. Gewifs ift die
Kirche von England, befonders im 18. Jahrhundert unter
der Vorherrfchaft der Partei der high church, zum Theil
fehr ,erftarrt' gewefen, und es giebt in ihr noch immer
viel blofses Formenwefen, ihre Ordnungsmäfsigkeit erzeugt
leicht ein uns unangenehm auffallendes conventio

Kirche von England zu anderen chriftlichen Kirchen'
(1. das Verhältnifs der reformirten Kirche von England
zur Kirche in England vor der Reformation, 2. das Verhältnifs
der ref. K. v. Engl, zu anderen chriftlichen
Kirchen der Neuzeit, 3. das Verfahren gegen Ketzer).
Diefer Abfchnitt ift durch fehr gefundes, verftändiges
Urtheil ausgezeichnet. Dann folgt als 4. Theil: ,Der geift-
liche Stand und die Weihegrade'. Hier handelt es fich
zuerft um die Beurtheilung des geiftlichen Amtes, befonders
der verfchiedenen Orders of the church, die fociale Stellung
des Geiftlichen, befonders ihre Theilnahme am Parlament,
zuletzt um die Gefchichte der Eheverbote. In dem 5. Theil,
dem gröfsten, der den Titel hat ,Die einzelnen Kirchenbehörden
', S. 235—481, wird gehandelt von der Stellung
des Königs, von den ftaatlichen Kirchenverwaltungsbehörden
, den Rechten der Erzbifchöfe und Bifchöfe,
von den Capiteln und den Vertretern oder Gehilfen der
Erzbifchöfe und Bifchöfe, von den verfchiedenen Zwifchen-
ftufen bis zum Pfarrer, der mannigfachen Organifation
derlocalen Kirchenämter, von den Kirchenverfammlungen
(den fog. Convocations), zuletzt den Kirchengerichten.
Es fehlt viel daran, dafs man eine volle Darftellung des
Kirchenrechts erhielte. Das kirchliche Eigenthum, die
kirchlichen Vergehungen und die Disciplin, das kirchliche
Eherecht etc. etc. kommen nicht zur Sprache. Aber
dafür gilt es eben zu beachten, dafs Makower fich nur
das Ziel gefetzt hat, die Verfaffung zu fchildern. Seinem
Thema ift das Buch völlig gerecht geworden. In vierzehn
.Anhängen' hat M. einen Theil der wichtigften Documente
ganz oder im Auszug mitgetheilt, dazu eine Ueberficht

nelles Gebahren. Aber man thut nie Recht, eine Kirche ] über die Literatur nach den verfchiedenften Gefichts
nach ihren Auswüchfen zu beurtheilen. Ich glaube nicht, punkten

dafs diefe Kirche noch einmal den Rückweg nach Rom
einfchlagen wird. Sie hat romanifirende Glieder, aber
diefelben können ertragen werden; es ift weife, fie, fo
lange es geht, zu ,ertragen'.

Indem ich neulich den gediegenen Artikel von Carl
Schoell über die ,anglikanifche Kirche' in der proteftan-
tifchen Realencyklopädie — einen Artikel, den Makower
leider überfehen hat, und der doch den heften Arbeiten
zur Seite zu ftellen ift, deren er Erwähnung gethan hat —
für die bevorftehende neue Ausgabe revidirte und, foweit

Giefsen. F. Kattenbufch.

Duhm, Bemh., Das Geheimniss in der Religion. Vortrag.
Freiburg i. B., J. C. B. Mohr, 1896. (32 S. gr. 8.) M. —.60

Wie man die Kunft an den Künftlern, die Poefie an
den Dichtern verliehen mufs, fo kann man die wirkliche
Religion nur an den Ekftatikern ftudiren, nicht an den
Laien, zu denen auch die Priefter gehören. Das grund-
das immerhin nothwendig war (fchon weil feit feinem j legende geheimnifsvolle Ereignifs in der Religion ift die

Erfcheinen zwanzig Jahre verfloffen find), ergänzte, habe i Initiirung des Verkehrs mit den Menfchen durch den
ich mich überzeugen können, wie zuverläffig Makower , freien Willen eines göttlichen Wefens. Ihr Fortbeftehen
ift. Behält man im Auge, dafs er nur die Verfaffung I ruht in den alten Religionen auf der periodifchen Er-
fchildern will, fo wird man keinen wefentlichen Punkt ! neuerung diefes Urgeheimnifses durch das Medium der

übergangen finden. Durch feinen juriftifchen Gefichts-
punkt ift die Notwendigkeit bedingt, den rechtsverbindlichen
Werth der benutzten Documente genau zu prüfen

Seher. Diefe erfcheinen dann felbft als Wundermen-
fchen, fo dafs das Geheimnifs der überfinnlichen Sphäre
nun in der finnlichen Welt herumwandert. Künftlich dem

und fie ftrenger abzuftufen, als bei freierer hiftorifcher .Seher' ähnlich zu werden durch Askefe und geheimnifs-
Betrachtung mancher Verhältnifse nothwendig fein möchte, j vollen Lebenszauber oder durch Weihung für die Reli-
Andererfeits beachte man, dafs der Begriff der ,Ver- gion {religiosi), — das ift der Verfuch der Laien, das
faffung' nicht die Darftellung des Details all der zur Geheimnifs in ihr Leben hereinzuziehen. Darauf ruht
Sprache kommenden Inftitutionen bedingt. Zur Er- | die Zauberei in den niederen, das Myfterienwefen in den