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Ausgabe:

1896 Nr. 11

Spalte:

297-303

Autor/Hrsg.:

Hümpel, E.

Titel/Untertitel:

Nicetas, Bischof von Remesiana. Eine litterarkritische Studie zur Geschichte des altkirchlichen Taufsymbols 1896

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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297

Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. lt. 298

der figürlich gemeinten Aeufserung Off. 20 entftanden fei,
er werde auch in den nachapoftolifchen Schriften nicht
als chriftliche Glaubenslehre, fondern nur als fubjective
Anfchauung einzelner kirchlicher Lehrer vorgetragen;
fehr merkwürdig ift die Begründung diefer Thefe, es
zeige fich dies darin, dafs z. B. der Barnabasbrief den
Chiliasmus in der Form dunkler Allegorien lehre, in
denen man nie Glaubenslehren vorzutragen pflege. — Die
Sprache des Buches ift fchwerfällig; Ausdrücke, wie z.B.
mag es mit dem Hades was immer für eine Bewandtniis
haben S. 390, wir wollen nicht fo feft den Glauben an
die nackte Thatfache der Wiederkunft verfolgen, als vielmehr
die Vorftellungen von den Vorzeichen S. 99, die
Kirche, die vor Sonne und Mond gefchaffen ift worden
S. 61 flehen nicht vereinzelt. —

Trotz mancher Mängel, wozu vor allem die geringe
Verarbeitung des reichen Materials gehört, wollen wir
den Ernft des wiffenfchaftlichen Strebens und der viel-
feitigen Gelehrfamkeit keineswegs verkennen; kein For-
fcher auf dem Gebiete der vornicänifchen Eschatologie
wird an dem gelehrten Werk vorübergehen dürfen.

Heidelberg. Grützmacher.

Hiimpel, E., Nicetas, Bischof von Remesiana. Eine litterar-
kritifche Studie zur Gefchichte des altkirchlichen
Tauffymbols. Philof. Differt. Erlangen 1895. [= Neue
Jahrbb. für deutfche Theol. 1895, S. 275—343,416—469].
Gennadius nennt als Verfaffer von fechs Schriften,
die für die Belehrung der Taufcandidaten beftimmt feien,
einen Nicetas (Niceta, Niceas etc.) Civitatis Romatianae
(Ro»iacia?tae, Romaniciac) episcopas. Unter dem Namen
des .Nicetas Bifchof von Aquileja' (454—485) ift nun eine
explanatio symboli in einem Codex Chisianus zu Tage
getreten, die man allgemein mit der gleichnamigen fünften
Schrift des von Gennadius genannten Nie. identificirt.
Caspari entdeckte den gröfsten Theil diefer explanatio,
die fachlich ein befonderes Intereffe hat, weil fie wahr-
fcheinlich als erfte die Worte communio sanetorum in
einem Symbol zeigt, in fünf zufammengehörigen Codices,
die öfterreichifchen Klöfter entflammen. Hier wird fie dem
ürigenes beigelegt. Unter dem Titel de ratione fidei und
de Spiritus s. potentia fand Mai zwei Schriften, die unverkennbar
zwei Theile einer einheitlichen Abhandlung
darfteilen, welche man mit guten Gründen als diejenige
anfehen darf, die von Genn. als Uber de fide unicae ma-
iestatis bezeichnet wird; als Verf. wird hier einfach ein
,Nicetas episcopus1 genannt. Ueberhaupt findet fich aufser
im Cod. Clus., bez. bei Genn., nie eine Näherbeftimmung
für einen Nicetas, den man Grund findet mit eben dem
dort und bei Mai zu Tage tretenden zu identificiren.
So fand Denis in einem Wiener Codex mehrere Fragmente
aus offenbar zwei weiteren Schriften desfelben
Nie. Die Unterfuchung über den Nie. des Genn. conji-
cirte fchon, ehe der Cod. Clus, bekannt wurde, den Nie.
von Aquileja als die gemeinte Perfönlichkeit, fo Baronius,
der Civ. Romatiana als Nebennamen von Aquileja fafste.
Hernach verfolgte Braida in einer fehr weitläufigen Schrift
diefe Idee; er deutete die Civ. Romatiana auf Portas
Romatinus bei Aquileja, wo Nie. von A. refidirt haben
werde, da feine Stadt zerftört war. Auch Caspari hat
fich an das Zeugnifs des Cod. Clus, gehalten; wie er fich
mit dem Namen, den Genn. angiebt, auseinandergefetzt
hat, ift nicht zu fagen, da er die in Ausficht geftellte
Abhandlung über die von ihm am beften kritifch edirte
explanatio symb. leider nicht geliefert hat. Neuerdings
hat noch Bardenhewer die gleicheAuffaffung vertreten. Auf
einer anderen Fährte begegnet zuerft de Rubeis. Er
deutet das Romatiana auf Remesiana in Dada (heute
Ak- Palanka in Südferbien) und identificirt den Nie. mit
dem gleichnamigen Freunde des Paulin von Nola, der
in Dacia Bifchof war. Le Quien behauptet, einen Codex
des Gennadius in Händen gehabt zu haben, wo diefer

direct Civ. Remesiana biete; leider ift diefer Codex bis
auf Weiteres nicht mehr conftatirbar. Später hat Zabeo
die Hypothefe des de Rubeis verfochten.

Als ich bei meinen Studien über die Gefchichte
des apoftolifchen Symbols auf die Nicetasfrage geführt
wurde, machte auf mich begreiflicherweife die
Anfchauung Caspari's den meiften Eindruck. Indem
ich fie prüfte, glaubte ich zu erkennen, dafs fie unmöglich
die richtige fein könne. Ich hielt für unverkennbar,
dafs die Zeit des Verfaffers derjenigen Tractate, die
unter dem Namen des Nie. bekannt geworden find, eine
erheblich frühere fei, als die des Nie. von Aquileja. Der
dogmatifche Habitus derfelben empfahl mir die Zeit (400)
410—420. ,Nic.' polemifirt nur gegen die Arianer bez.
am eingehendften gegen die Macedonianer und ihre Fort-
fetzer; er bezeichnet als abgethan, von allen Kirchen
preisgegeben, den Sabellius und Photinus, ferner nennt
er, jedoch nur nebenher, die Manichäer, Kataphryger,
Marcioniten, nirgends nennt oder charakterifirt er Häretiker
, die nicht vor die Zeit des Neftorius oder Eutyches
gehörten bez. gehören könnten. Ich konnte mich nun
doch nicht überzeugen, dafs er mit dem Nicetas Dacus
des Paulinus identifch fei. Indem ich es immerhin glaubhaft
fand, dafs Gennadius an diefen denke, wurde mir
wahrfcheinlich, dafs derfelbe eine Verwechslung begehe,
dafs der wirkliche Verfaffer der von ihm gefchilderten,
bez. der neugefundenen Nic.-Tractate ein wefteuropäifcher,
vermuthlich gallifcher Bifchof fei. Leitend waren mir
für letzteres in erfter Linie die Anhalte, die man aus der
explanatio symboli hinfichtlich des Wortlauts des ausgelegten
Symbols gewinnt. Ich glaubte einen oder zwei
Männer in Gallien um 400 bezeichnen zu können, auf
die vielleicht diefe Tractate in Wirklichkeit zurückgingen.

Gleichzeitig mit dem erften Bande meiner Gefchichte
des Apoftolicums erfchien eine Abhandlung des gelehrten
Benedictiners Dom G. Morin, der die Nic.-Frage von
einer anderen Seite anregte. Nämlich Morin glaubte
zeigen zu können, dafs das le Deum, der fog. ambro-
fianifche Lobgefang, von einem Nicetas verfafst fein
müffe und zwar von dem Nie. Dacus, den Paulin gerade
als Hymnendichter feiere. Er wies diefem Nie. dann
noch zwei kleine Schriften, de vigiliis und de bono
psalmodiae, zu, die man gewöhnt war, auf Nicetius von
Trier (6. Jahrh.) zurückzuführen, und liefs übrigens erkennen
, dafs er glaube, auch der von Gennadius behandelte
Nie. fei kein anderer als diefer. Er deutet das
Romatiana auf Remesiana, wobei er fich befonders auf
die Notiz bei Le Quien bezog, und zeigte, dafs Paulinus
von der Bifchofsftadt feines Nie. fo fpreche, dafs an
Remesiana zu denken nahe liege. Etwas vorher hatte
Zahn in feiner Schrift über das Apoftolicum kurzweg die
explanatio symboli als die des Nicetas von Remeliana
hingeftellt, naturgemäfs ohne dort eine Begründung dafür
zu bieten.

Ein Schüler Zahn's, E. Hümpel, hat nun eine eingehende
Abhandlung verfafst, die Z.'s Thefe zu erhärten,
unternimmt. Er hat dem Nie. von Remefiana überhaupt
eine monographifche Unterfuchung gewidmet, leider ohne
Morin's intereffante Aufftellung auch in den Kreis feiner
Forfchung mithineinzuziehen. H. hatte feine Arbeit
ohne Kenntnifs meiner Unterfuchung (erfchienen zuerft
in meinem Programm 1892, dann einigermafsen erweitert
in meinem Buche 1894) begonnen und ,ihr Refultat, fo-
wie es fich inzwifchen geftaltet hatte, theils in ausführlicher
Erörterung, theils in gedrängter Kürze bereits
niedergefchrieben', als er von meiner erften Publication
hörte, er hat feine Arbeit dann auch, um nicht in feinem
Urtheil beeinflufst zu werden, zunächft fortgefetzt, ohne
fich um die meine zu kümmern. Soweit er mit mir über-
einftimmt, in der Ablehnung des Nie. von Aquileja, ift
er alfo, wie er hervorhebt, von mir unabhängig, und das
ift mir natürlich nur willkommen. Ich freue mich überhaupt
feiner fleifsigen Arbeit, die ich gern anerkenne,