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Ausgabe:

1896

Spalte:

293-295

Autor/Hrsg.:

Berendts, A.

Titel/Untertitel:

Studien über Zacharias-Apokryphen und Zacharias-Legenden 1896

Rezensent:

Clemen, Carl

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Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. tt.

294

aber wenigstens eine Debatte in drei Sprachen ihm für
feinen intereffanten Auffatz lohnen möge.

Göttingen. Hans Achelis.

Berendts, A., Studien über Zacharias-Apokryphen und
Zacharias-Legenden. Leipzig, Deichert Nachf, 1895.
(108 S. gr. 8.) M. 2. —

Zu den räthfelhafteften Titeln in den Verzeichnifsen
alt- und neuteftamentlicher Apokryphen gehörte bisher
derjenige des Apokryphon oder der Apokalypfe des
Zacharias; fchon deshalb, weil darunter offenbar ganz
verfchiedene Dinge verftanden wurden. Während nämlich
in dem Verzeichnifs der fechzig kanonifchen Bücher,
fowie der freien Bearbeitung desfelben im dreizehnten
Capitel des fog. Taktikon des Mönches Nikon vom
fchwarzen Berge die Apokalypfe Zachariä zwifchen denjenigen
des Sophonias und ETdra fteht, ift die letztere
in andern, flavifchen Ueberfetzungen jenes Verzeichnifses,
die B. nachweift, ausgefallen, und die Apokalypfe des
Zacharias dadurch an den Schlufs der altteftamentlichen
Apokryphengekommen. Ausdrücklich wird dieZacharias-
fchrift in der Stichometrie des Nicephorus, der Synopfe
des Pfeudo-Athanafius und bei Anaftafius von dem Vater
des Johannes abgeleitet, ohne dafs nach B. diefer Zufatz
erft fpäter gemacht fein könnte. Gleichwohl wäre dies
mit Zahn, Forfchungen V, 126 zu behaupten, wenn
fich wirklich alle bisher befprochenen Verzeichnifse
auf eine Urlifte zurückführen laffen. Dann würde fich
zugleich die merkwürdige Stellung des Titels bei Nicephorus
u. f. w. erklären, zugleich aber müfste erft
recht eine den Vater des Täufers betreffende Zacharias-
fchrift als vorhanden angenommen werden — mag fich
nun die Zahl der Stichen auf fie oder, wenn aus einer
älteren Vorlage, in der jene Aenderung noch nicht
gemacht, einfach herübergenommen, auf die Apokalypfe
des Zacharias beziehen. B. freilich meint, wir hätten gar
keine Veranlaffung, eine folche als irgend einmal vorhanden
anzufehen; denn die von Sozomenos IX, 17 erwähnte
althebräifche Schrift, die II. Chr. 24, 20 ff. weiter
ausgemalt habe, könne, zumal fie nicht fonderlich verbreitet
gewefen zu fein fcheine, nicht mit der im Verzeichnifs
der fechzig Bücher erwähnten Apokalypfe des
nachexilifchen Zacharia gemeint fein. Ift aber fchon
dies recht zweifelhaft, fo noch mehr die von B. verfuchte
Zurückführung des Berichts des Pfeudo-Epiphanius de
vitis prophetarum von der prophetifchen Wirkfamkeit
des Zacharia auf unfer kanonifches Sacharjabuch; viel
wahrfcheinlicher liegt doch dort eben die Zachariaapo-
kalypfe zu Grunde, die unter den obigen Vorausfetzungen
fchon durch jene Kanonsverzeichnifse bezeugt wird.

Zum andern über das Ende des Vaters des Täufers
weift B. eine dreifache Tradition nach. Die eine, wonach
Zacharias deshalb ermordet wurde, weil er aus
Verfehen hinter das Geheimnifs des jüdilchen Gottes-
dienftes, dafs nämlich die Juden einen Efel als ihren Gott
verehrten, kam, findet fich in der gnoftifchen Schrift
l'trra IMctgiag, die, wenn wirklich, wie Serapion von
Thmuis nach Sixtus Senenfis berichtet haben foll, auf fie
der fchon bei Tertullian apol. 16, ad nat. I, II. 14 und
im Spottcrucifix auf dem Palatin erkennbare Vorwurf
zurückgeht, Juden und Chriften verehrten den Efel als
ihren Gott, fchon im zweiten Jahrhundert entftanden fein
müfste. Ob diefe Ueberlieferung auch in einem Zachaj-iae
patris Johannis Baptistae Uber, qui Assumptio dicitur, zu
lefen ftand, oder Sixtus diefen Titel nur aus der gleich
darauf citirten Synopfis des Pfeudo-Athanafius entnahm,
will auch B. nicht entfcheiden. — Eine zweite Tradition,
wonach Zacharias ermordet wurde, weil er den Schergen
des Herodes über den Aufenthaltsort feines Sohnes keine
Auskunft zu geben vermochte, findet fich jetzt im Prot-
evangelium jacobi, kann aber, wie B. zeigt, urfprünglich
nicht darin geftanden haben. Denn Origenes, der das I

Evangelium zuerft erwähnt, führt es doch für das Ende
des Zacharias Mt. 23, 35, den er für den Vater des
Täufers erklärt, nicht an, fondern folgt einer anderen
Tradition darüber, ebenfo wie die Gregor von Nyffa zu-
gefchriebene Homilie Inyng elg rrjv yivvinoiv xov Xgiaxov
{PG 46, 1137). Ja felbft Petrus von Alexandrien {PG 18,
504) und feine Commentatoren, Balfamon und Zonaras
vertreten zwar diefelbe Ueberlieferung, wie das Prot-
evangelium, nennen es aber felbft nicht. Das gefchieht,
da der Commentar des Euftathius von Antiochien zum
Hexaemeron unecht fein dürfte, erft im fog. Barbaras
Scaligeri (Mommfen, Chronica minora I, 278ff.); urfprünglich
aber werden im Protevangelium Jacobi 22,3 — 24,4
gefehlt haben. Die zu Grunde liegende Tradition ift, da
fie an Jerufalemer Localüberlieferungen anknüpft, vielleicht
in Paläftina und, wenn die Scorpiace echt und
hier Cap. 8 der Vater des Täufers gemeint ift, vielleicht
ebenfalls fchon vor Tertullian entftanden — wenigftens
glaube ich mich fo vorfichtig ausdrücken zu müffen, da
jene Localtraditionen auf literarifchem Wege auch irgendwo
anders bekannt werden konnten und Tertullian felbft
unter jenen Vorausfetzungen noch nicht gerade jene
Ueberlieferung im Auge zu haben brauchte. — Es giebt
nämlich noch eine dritte Form der Tradition, wie wir
fie eben bei Origenes und etwas anders bei Pfeudo-Bafilius
{PG 31, 1468 ff.), -Gregor und -Cyrillus {PG 76, 1129)
finden: danach wurde Zacharias ermordet, weil er Maria
auch nach der Geburt Jefu erlaubte, an dem nur für
Jungfrauen beftimmten Platze im Tempel zu flehen, oder
weil er ausdrücklich für ihre aEtnagirevia Zeugnifs ablegte
. B. fchliefst aus diefer Verfchiedenheit, die doch
in Wahrheit keine ift, dafs diefe Motivirung überhaupt
nicht urfprünglich war, fondern erft fpäter mit der aus
der an zweiter Stelle befprochenen Ueberlieferung vom
Tode des Zacharias verbunden wurde. Aber weshalb
dann der dort angegebene Grund völlig unterdrückt
wurde, ift nicht deutlich zu machen; unfere Tradition
geht alfo nicht, wie B. will, auf die zweite zurück, fondern
nur, wie fie und die erfte, auf das Herrenwort Mt.
23, 35, das man, wenn die Chronik nicht mehr am Ende
ftand, auch nicht auf II Chr. 24 beziehen konnte.

Von all diefen Legenden war nun bisher keine irgendwie
vollftändig erhalten; erft B. hat aus den fog. Tfchetji-
Minei des Metropoliten Makarius von Moskau (1482—
1563), dem Capitalwerk der rufifchen hagiographifchen
Literatur, ein dahin gehöriges Stück in deutfcher Ueber-
fetzung mitgetheilt. Hier wird erzählt, wie Elifabeth
mit ihrem Sohne Johannes ins Gebirge floh, Zacharias
aber, weil er ihren Aufenthaltsort nicht angeben konnte
oder wollte, im Tempel ermordet wurde. Dort wurden
auch nach vier Monaten Johannes und der wieder erweckte
Zacharias vom Herrn getauft, worauf diefer einfchläft
und von den Engeln vor dem Altar begraben wurde,
während jener in die Wüfte zurückkehrte. Vom neunten
Monate an lebte er von wildem Honig, im dreizehnten
floh er nach Nazareth; im fünften Jahr erhielt er ein Kleid
von Kameelshaaren, mit zwölf Jahren ,ward er von
Archelaus erblickt und floh in eine Stadt Galiläas. Es
herrfchte aber Archelaus neun volle Jahre; während aber
bei uns unfer Herr Jefus Chriftus herrfchte, welchem fei
Ehre mit dem Vater und dem heiligen Geifte fowohl
jetzt als auch immerdar und in alle Ewigkeit. Amen.'
B. zeigt nun, dafs diefer Text aus einem längeren ex-
cerpirt wurde, der für die erfte Hälfte nicht in Protev.
Jac. 22—24 zu fuchen ift, fondern in deren Vorlage, auf
die fchon Hilgenfeld gefchloffen hatte. Dafs jener
Redactor freilich ein Chronift gewefen fei, aus deffen
Werk Makarius die Erzählung wieder herausgelöft habe,
ift wohl wenig wahrfcheinlich, und dafs der urfprüngliche
Bericht mit dem Apokryphon in der Stichometrie des
Nicephorus identifch gewefen, nur eben möglich. Denn
ebenfogut könnte (zumal wenn auch Pfeudo-Bafilius mit
r] xot« ibv Zaxctglav laxogla auf eine fchriftliche Quelle