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Ausgabe:

1896 Nr. 11

Spalte:

287-289

Autor/Hrsg.:

Beer, Georg

Titel/Untertitel:

Der Text des Buches Hiob, untersucht. 1. Heft. Kapitel I - XIV 1896

Rezensent:

Budde, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. II.

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jefaja Duhm's, der, in genialer Geringfehätzung der I
grofsen individuellen Unterfchiede zwifchen den einzelnen
Stücken diefes Anhangs, alles auf eine einzige Perfon
bringt, findet feine Anerkennung nicht. Wohl gehören
nach Ch. alle diefe Stücke aufser 63,7—64,11 der nehe-
mianifchen Zeit an, aber dafs mehrere von ihnen von der-
felbenHand flammen füllten, ift ihm lediglich eine Möglichkeit
. Das ausgefchiedene Stück fällt unter Artaxerxes
Ochus (361—336); für die Verfolgung unter diefem
König nimmt er eine Zerftörung des Tempels an. Diefer
Zeit weift er jetzt mit Rob. Smith auch die Pfalmen 74
und 79 (vielleicht auch 44) zu, die ihm 1891 noch makka-
bäifch waren, ein Zugeftändnifs, das der Unterzeichnete
mit grofser Freude begrüfst. Es ift hohe Zeit mit der
Meinung aufzuräumen, dafs die Pfalmen, die von tiefftem
nationalem Unglück reden, der Makkabäerzeit angehörten.
Sehr forgfältig geht Ch. allen Einfchüben in c. 40—55
nach. Dazu rechnet er mit Duhm fämmtliche ,Knecht-
Jahwe-Lieder', 42, 1—4. 49, 1—6. 50,4—9. 52, 13—53,12;
aber feine Zuftimmung wird Duhm wenig Freude machen.
Denn 1) find ihm die Lieder nicht jünger, fondern älter
als ihre Umgebung, und 2) wahrfcheinlich von Deutero-
jefaja felbft gefungen. So geht es der Duhm'fchen
Theorie, wie des Yankee's Meffer, das immer noch das
alte Meffer hiefs, nachdem erft das Heft, dann die Klinge
erneuert worden war. Warum nun nicht lieber erkennen,
dafs es fchon von c. 40 an die Eigenart Deuterojefaja's
ift, in Liedern das Thema anzugeben, das er in Predigten
(einerlei ob mündlich gehalten oder nicht) ausführt?
,Knecht Jahwe's' foll aufserhalb der Lieder etwas anderes
bedeuten, nämlich ,das Israel der Erfahrung, ohne jede
BeimifchungvonTranscendentalismus'. Nichts anderes bedeutet
es auch in den Liedern; die Frage ift lediglich,
ob das Israel der Vergangenheit, der Gegenwart oder
der Zukunft gemeint. Hier läfst (ich die Benutzung von
Giefebrecht's vortrefflichem Auffatz ,die Idee von Cap. 52,
J3—53> I2' (Beiträge zur Jefaiakritik 1890, S. I40ff.)
fchmerzlich vermiffen. Immer noch argwöhnt man ein
Individuum als Gegenftand von c. 53, während darin
fonnenklar die Heiden ihrem Erltaunen über die Triumphe
des Israel der Zukunft Ausdruck geben. Vgl. dafür aus
allerjüngfter Zeit W. H. Cobb im Journal of Biblical
Literature 1896, p. 95 ff. Doch genug der Einzelheiten,
von denen hier nur einige der intereffanteften herausgegriffen
find, da es unmöglich ift, dem ganzen reichen Inhalt
des Buches in diefer Weife gerecht zu werden. Nur
foviel noch, dafs dem Verf. c. 24—27 in die Zeit Alexander's
des Grofsen, die Schlufsredaction des Buches um 250 —
220 fällt; irgend welchen Abfchnitt aus makkabäifcher
Zeit herzuleiten, wie Duhm thut, fleht er keinen Anlafs.

Nach brieflicher Mittheilung des Verfaffers feien hier
noch 2 Druckfehler berichtigtigt. S. 31 Z. 16 1. best
ftatt but; S. 35 Z. 7 1. bald ftatt bold. Dem füge ich
eine eigene kleine Berichtigung hinzu. In diefer Zeit-
fchrift 1894 Sp 99 habe ich nicht vorgefchlagen Jef. 40, 7
ganz zu ftreichen (fo Ch. S. 298), fondern nur die Erwähnung
des Ausfalls von 40, 7 a ß. b und 8a in Sep-
tuaginta vermifst. Ich felber ftreiche genau wie Duhm
und Cheyne nur 7b.

Strafsburg i/E. K. Budde.

Beer, Priv.-Doc. Lic. Dr. Geo., Der Text des Buches Hiob,

unterfucht. I. Hft. Kapitel I—XIV. Marburg, Elwert's
Verl., 1895. (IX, 89 S. gr. 8.) . M. 3. —

Dem Verfaffer werden die Fachgenoffen für feine
überaus mühfame und fchwierige Arbeit umfo wärmeren
Dank zollen, je weniger fie felbft geneigt waren, fie an
feiner Statt auf fich zu nehmen. Liegt doch das Schwergewicht
des zu Leidenden im Abhören der Textzeugen,
und das ift bei dem B. Hiob eine fo undankbare Arbeit,
wie kaum bei einem anderen altteftamentlichen Buche.

Sie mufste einem jüngeren Manne vorbehalten bleiben,
dem es darauf ankam, zu einem bettimmten Zwecke ein
speeimen eruditionis et judicii darzubieten. In diefem Falle
haben wir es mit einer Hallenfer Habilitationsfchrift zu
thun, und es mufs fofort gefagt werden, dafs fie dem
Verf., der fich fchon vorher glücklich eingeführt hatte,
zur Ehre gereicht. Ob Beer ebenfo von der Undankbarkeit
diefes Theiles feiner Aufgabe überzeugt war wie wir,
fagt er uns nicht, da er der Einzelunterfuchung weder
eine zufammenfaffende Abhandlung, noch auch nur einige
einleitende Worte beigegeben hat. Doch zeigen feine
Entfcheidungen deutlich genug, dafs er keineswegs für
LXX fchwärmt. Weit entfernt, den kürzeren Text der
LXX, wie er nun aus dem fahidifchen Kopten im Allgemeinen
ficher erkannt ift, mit Bickell für den urfprüng-
lichen zu halten, erklärt er mit Recht faft alle ihre
Lücken für Auslaffungen, deren Anlafs meift unfehwer
zuerkennen ift (fo 7, 8. 9,24.11,5. 12, i8b. 2ia. 23. 13, 19L
20 . 14, 12°. 18 f.); eine grofse Ausnahme ift es, wenn
er fich LXX in der Streichung eines Abfatzes anfchliefst,
wie bei 12, 8b. 9. Man darf danach erwarten, dafs er auch
von c. 15 an, wo die Lücken immer umfangreicher werden,
ähnlich urteilen wird. Kaum viel beffer fcheint feine
Meinung von dem Wert des Textes der auch in LXX
enthaltenen Abfchnitte. Wohl wendet er alle Mühe und
Gelehrfamkeit und grofsen Scharffinn daran, feftzuftellen,
was LXX möchten gelefen oder doch im Sinne gehabt
haben; aber die Fälle, in denen er es wagt nach ihnen
zu verbeffern, find verhältnifsmäfsig fehr feiten. In c. 1
—6 zähle ich deren 10, fchwerlich habe ich viel über-
fehen. Auch von diefen Aenderungen kann ich nur etwa
fWW'n ftatt rrh»n für erwägenswerth halten, die übrigen

1,4 y rro, 3, 2 ) aii« v. 3 -dt ft. -ins, v. 4a >, v. 21
QNiDCDaa, 4, 21a sittja^ onzt qirj: «sn, 5, 14 dü>e->, v. 19

DTia, 6, 7 «tab rp"D) Rheinen mir nicht nöth'ig, zum
gröfsten Theile nicht einmal glücklich. Nur fehr wenig
fügen die übrigen Verfionen hinzu. Noch einmal, wenn
der Ertrag fo gering ift, fo verdient Beer nur doppelten
Dank, dafs er fich der Arbeit mit foviel Hingebung gewidmet
hat. Denn wirklich ift hier der Stoff in aufser-
ordentlicher Fülle, man darf fagen vollftändig, zufammen-
getragen. Septuaginta und ihre arabifchen, lateinifchen,
koptifchen, fyrifchen Tochterüberfetzungen, die Refte der
hexaplarifchen Griechen, die Targume, Pefchitto mit dem
aus ihr genoffenen Arabs, Vulgata, Saadia's arabifche
Ueberfetzung, find ausgebeutet, die verfchiedenen Recen-
fionen gebührend berückfichtigt. Man darf alfo überzeugt
fein, hier in handlicher Geftalt zu befitzen, was die Ueber-
lieferung zum Hiobtexte zu bieten hat. Und das alles
ift methodifch durchgearbeitet und fo überfichtlich geordnet
, wie es bei folcher Stofffülle möglich ift. Doch
überläfst der Unterzeichnete die Beurtheilung der tech-
nifchen Leiftung auf diefem Gebiete gern befugteren
Richtern.

Hat nun der Verf. der Ueberlieferung fo wenig abzugewinnen
vermocht, fo verfteht es fich von felbft, dafs
auch er fich der Pflicht, die Verbefferung des Textes
durch Vermuthung zu verfuchen, vollkommen bewufst ift,
Auch dafür wird eine fehr reichhaltige Literatur aus älterer
und neuerer Zeit herangezogen; von werthvollen Beiträgen
vermiffe ich nur Batefon Wright's Commentar.
Jetzt kommt noch Jul. Ley's Auffatz in Stud. u. Krit.
1895, S. 635—693 hinzu. Im Vordergrunde flehen natürlich
die neuen Textgeftaltungen von Merx 1871, Bickell
1882 und 1892, Hoffmann 1891, Siegfried 1893. Schon
die Zufammenftellung eines fo umfangreichen Apparates
zur Conjecturalkritik ift für jeden künftigen Arbeiter von
grofsem Werthe. Doch wird er von Beer, wo keine der
vorgefchlagenen Verbefferungen einleuchtet, durch eigene
Verfuche noch erheblich vermehrt. Das Urtheil über
das Gebotene wird immer ein fehr verfchiedenes fein.
Wenn ich meinerfeits des Verfaffers Textkritik als eine
im Ganzen maafsvolle und gefunde anerkenne und ihm,