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Ausgabe:

1896 Nr. 1

Spalte:

10

Autor/Hrsg.:

Nowack, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die Entstehung der israelitischen Religion. Rede 1896

Rezensent:

Stade, Bernhard

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Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 1.

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dafs fie Stücke verfchiedener Zeit umfaffe, enthält neben
Stücken wie I, 1 auch die Erzählungen I, 7, 2 ff. 8. 12.
II, 7. Damit verfchwindet in der Schicht E2 dasjenige Element
der Samuelisbücher, das fich von allen übrigen am
ftärkften unterfcheidet. Es fcheint mir Budde's Annahme,
dafs diefe fpecififch jüdifchen Stücke ephraimitifch und
vorexilifch feien, für die Quellenfcheidung befonders ver-
hängnifsvoll geworden zu fein. Diefe Annahme bringt
mich zugleich auf den letzten Punkt, den ich zu erwähnen
habe, den zeitlichen Anfatz der unterfchiedenen Quellen.

Auf dem Umfchlage lefen wir: ,These light blue
sections did not all originate In tlie sanie period, bid the
tatest of these subsequent additions to E (irprescnted by
X, 7. 8. IO. 12. 3, 7) must have beeil added beforc 650'.
Hiergegen ift nun zunächft zu erwiedern, dafs diefe
Stücke fämmtlich vielmehr in den engfben Beziehungen
zu Stücken der Schicht J flehen, diefe corrigiren und
umdeuten. Dann aber läfst ihr Inhalt nicht zu, fie vor
650 anzufetzen, da fie deutlich den Sprachgebrauch der j
deuteronomiftifchen Schriftftellerei und ihre Gefchichts-
betrachtung aufweifen, vgl. I, 12, 9 ff., wie überhaupt uns
in ihnen eine von den Ideen des Deuteronomiums und
Ezechiels beeinfiufste Gedankenwelt entgegentritt. Hinter
Jeremia und Ezechiel weift der Gedanke, dafs Jahve
Israels König fei I, 12, 12, der Gegenfatz zwifchen Israel
und den Heiden 1,8,5. H»7.23, die Vorftellung von Israels
Hang zur Abgötterei, welche als die grofse Sünde der
Vergangenheit erfcheint, I, 8, 8 vgl. 12, 9 ff. 21, und von
der Verehrung des Bealim und Aftaroth I, 7, 3. 12, 10.
Gleiches lehren Wendungen wie ifciyil-i» 1108 ^nbn

1,12,21; a-ftan tati i*a?a v. 22; fjrtit tÄribx ■p« n> 7,22.

Vor allem a'ber verräth IL 7, IO,''dafs der Schrift!!eller
das Exil kennt. Wenn Jahve fein Volk fo einpflanzen
will, dafs es an feiner Stätte wohnt, und die rtbl?
es nicht nochmals bedrücken, fo fpricht fich hier die
Hoffnung auf völlige Befeitigung der durch das Exil
gefchaffenen Zuftände des Gottesvolkes aus. Erft von
diefer aus wird verftändlich, dafs als Antithefe zu Saul's
Verwerfung die Weisfagung vom ewigen Beftand des
Königthums der Davididen erfcheint. Was das für den
meffianifchen Glauben der jüdifchen Gemeinde bedeutet,
lehrt Pf. 89.

Es bedarf keines Beweifes, dafs fich die Vorftellungen
von der Entftehung des Samuelisbuches und von feinen
Quellen fehr verfchieden geftalten müffen, je nachdem
der deuteronomiftifche Charakter von I, 7, 2 ff. 8. 10,
17 ff. 12. II, 7 anerkannt wird, oder nicht. Wenn aber
Budde E1 vor 650, J1 vor 800 anfetzt, fo habe ich
wenigflens das Vertrauen dazu verloren, dafs es uns gelingen
könne, die Entftehungszeit der einzelnen Refte der
Gefchichtsfchreibung Israels, die uns das Judenthum in
feinen Compilationen erhalten hat, fo genau zu ermitteln.
Giefsen. Bernhard Stade.

Graetz, Prof. H., Emendationes in plerosque sacrae scrip-
turae veteris testamenti libros secundum veterum ver-
siones nec non auxiliis criticis caeteris adhibitis. Ex
relicto defuncti auctoris manuscripto ed. Sem.-Prof.
Guil. Bacher. Fase. III. Pentateuchi et priorum pro-
phetarum libros continens. Breslau, Schles. Buchdruckerei
, 1895. (III, 38 S. Lex.-8.) M. 7. 50 (kplt:

M. 25. —)

Mit diefem Heft führt Bacher die von ihm; übernommene
Aufgabe zu Ende, indem er Graetz' Ver-
befferungsvorfchläge zu Gen. bis 2 Kön. in derfelben
Weife zufammenftellt, wie es im Supplement zu fasc. I
und in fasc. 2 gefchehen war. Ueber die Anlage und
Eigenart des Werkes itt in diefer Zeitung Jahrg. 19
(1894) Nr.3 (3. Febr.) Sp. 67ff. ausführlich referirt worden.
Es genügt hier darauf hinzuweifen, dafs alles dort Bemerkte

auch von diefer letzten Lieferung gilt. Die Sammlung
ift fehr dankenswerth. Freilich werden auch diesmal nicht
alle Vorfchläge fich dem Lefer als Verbeflerungen des
mafforetifchen Textes empfehlen.

Giefsen. Bernhard Stade.

Nowack, Prof. Dr. W., Die Entstehung der israelitischen

Religion. Rede, zur Feier des Geburtstages Sr. Maj.
des Kaifers am 27. Jan. 1895 in der Aula der Kaifer-
Wilhelms-Univerfität Strafsburg gehalten. Strafsburg,
Heitz, 1895. (31 S. gr. 8.) M. —.80

Der Verf. entwirft in feiner Feftrede ein anfehau-
liches Bild von der Entftehung und Entwickelung der
ifraelitifchen Religion bis zu der Wirkfamkeit der Schriftpropheten
Arnos und Hofea. Er fetzt bei der Religion
der ifraelit. Stämme in vormofaifcher Zeit ein, über die
er mit Recht Aufklärung nicht von der babylonifchen
und affyrifchen Religion, fondern von den Religionen
der nomadifchen Araber erwartet, fchildert hierauf die
Bedeutung und den Inhalt der Religionsftiftung Mofe's
und verfolgt ihre Schickfale nach der Einwanderung ins
gelobte Land. Die Bedeutung des Gefühles der Zugehörigkeit
zum Stamm für die Entftehung des Monotheismus
fcheint der Verf. zu überfchätzen. Der jüdifche
Monotheismus ift, wie er felbft richtig ausführt, aus dem
Glauben an den Volksgott Jahve erwachfen. An den
jüdifchen Monotheismus als hiftorifche Grundlage und
Vorbedingung knüpft aber alles an, was uns fonft von
femitifchem Monotheismus begegnet. Gegen den Verweis
auf Nöldeke's und Wellhaufen's Ausführungen gegen
W. R. Smith's Hypothefe vom Totemismus bei den Semiten
— als befonders eifriger Beftreiter war auch La-
garde zu nennen — war anzuführen, dafs nicht nur das
Vorkommen von Thiernamen als Stammnamen, fondern
auch das Vorkommen heiliger Thiere und das Verbot,
beftimmte Thiere zu effen, zu erklären ift. Das leiftet
Smith's Hypothefe. Die Annahme, diefe Thiere hätten
als von der Gottheit in Befitz genommen gegolten, fchiebt
die Frage nur zurück. Denn man fragt fich, wie kam man
zu einer folchen merkwürdigen Annahme, und ift fie vielleicht
blofs Vermittelung zwifchen verfchiedenen religi-
öfen Auffaffungen? Dabei bemerke ich ausdrücklich,
dafs man das Vorhandenfein von Totemismus bei den
alten Semiten annehmen kann, ohne vorauszufetzen, dafs
alle die Anfchauungen und Einrichtungen bei ihnen vorhanden
gewefen find, die fonft bei Völkern mit Totemismus
beobachtet werden. Das Matriarchat z. B. ift
zweifellos nicht die Grundlage der Bildung der Familie
bei den Semiten. Ob der Dienft der Wüftendämonen
mit Azazel auf eine 'Stufe zu fetzen und fpäterer Zeit
zuzuweifen ift, ift mir aus manchen Gründen zweifelhaft
geworden.

Giefsen. Bernhard Stade.

Bensly, f Prof. R. L., M. A., The fourth book of Maccabees
and kindred documents in Syriac, first edited on manu-
script authority. With an introduetion and transla-
tions by W. E. Barnes, B. D. Cambridge, University
Press, i895.(LXXIV, 154S. m. 1 Fcsm. gr. 8.) Geb. 10 s.

Die hier veröffentlichte Literatur betrifft, wie der
Titel befagt, insgefammt die Gefchichte vom Martyrium
Eleafar's und der fieben Brüder, wie fie in der ntoi
avTox.oaTOQog loyia/iioi betitelten, einft gemeinhin dem
Jofephus zugefchriebenen (vgl. auch den unten zu be-
fprechenden anonymen Hymnus 541) Erbauungsrede
berichtet wird, und befchäftigt fich demnach mit der Verherrlichung
jener II. Makk. 6. 7 erzählten Legende. Ein
Theil der Documente ift uns bereits bekannt: fo das Gedicht
Ephraem's{Hymni etsermones ed. Lamy tom. III 686 ff.)

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