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Ausgabe:

1896 Nr. 10

Spalte:

273-274

Autor/Hrsg.:

Eggeling, Otto

Titel/Untertitel:

Die heilige Schrift vom Standpunkte der ästhetischen Theologie gewürdigt 1896

Rezensent:

Lobstein, Paul

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Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 10.

274

und die Protocolle der zahlreichen Sitzungen des Con-
greffes ihren Landsleuten zugänglich machten. Auf Grund
diefer Urkunden hielt der den Lefern der Th. Lit.-Ztg.
(Jahrg. 1896, Nr. 4) bereits bekannte Prediger in Stockholm
, Lic. Fries, der Schüler und College des der theo-
logifchen Wiffenfchaft zu früh entriffenen, auch in Deutfch-
land hochgefchätzten Theologen und Predigers Fehr,
im April 1895 vor einem akademifch gebildeten Publicum
einen Vortrag, den er in erweiterter Geftalt herausgab, und
der vorzüglich geeignet ift, weiteren Kreifen die Kennt-
nifs der in Chicago verhandelten Fragen zu vermitteln
und das Intereffe für die gegenwärtig zur Discuffion
flehenden Probleme der Religionsgefchichte und der
Religionsphilofophie zu wecken und zu verbreiten. Zwar
giebt der Verf. keinen vollftändigen, chronologifch geordneten
Bericht über die fämmtlichen auf dem Congrefs
ftattgehabten Verhandlungen, aber er macht auf die
wichtigften in den Verfammlungen zur Sprache gebrachten
Gegenftände aufmerkfam, und verfleht es vor Allem,
durch zahlreich eingeftreute Bemerkungen, durch reli-
gionsgefchichtliche Vergleiche, durch gefchickt ausgewählte
und den verfchiedenften Verfaffern entlehnte
Belege die in ihm beleuchteten Fragen in den lebendigen
Flufs der öffentlichen Uebatte hineinzuflellen. Es fleht
ihm dabei eine fehr umfaffende Belefenheit zu Gebote;
namentlich erhellt aus den Anmerkungen, durch welche
F. feinen Vortrag bereichert hat, wie fehr er in der
religionsgefchichtlichen und theologifchen Literatur zu
Haufe ift. Das Urtheil des Verf.'s ift ein durch keine
flatutarifche Lehrformel, durch kein Schlagwort der
Schulen oder Parteien gebundenes; vielleicht werden
manche Lefer die weitherzige Irenik F.'s allzu optimiftifch
finden. Die Beurtheilung der Arbeiten des Congreffes
ift eine im Wefentlichen freundliche und zuweilen recht
günftige; das Ergebnifs derfelben geflaltet fich dem Be-
richterflatter zu einer grofsartig angelegten Apologie des
Chriftenthums. Er wünfcht deshalb eine möglichft baldige
Wiederholung des in Chicago verfuchten Unternehmens,
und verfpricht fich von künftigen Congreffen, in denen
fich Gelehrte und Denker, religiös und wiffenfchaftlich
gebildete Perfönlichkeiten von Oft und Wert begegnen
möchten, reiche Frucht und bleibenden Segen. Der
Vortrag klingt in einen prophetifchen Dithyrambus aus,
der die Wohlthaten jener ökumenifchen Religionstage
in Worten preift, welche den Ernft und die Wärme der
Religiofität des Redners bekunden und ihm auch dann
zur Ehre gereichen würden, wenn feine kühnen Erwartungen
durch den weiteren Verlauf der Ereignifse nicht
beftätigt werden follten.

Strafsburg i. E. P. Lobftein.

Eßeling, Otto, Die Heilige Schrift vom Standpunkte
der ästhetischen Theologie gewürdigt. Braunfchweig,
Schwetfchke & Sohn, 1895. (64 S. gr. 8.) M. I. —

Diefe Schrift bietet zugleich mehr und weniger als
der Titel erwarten läfst: mehr, denn fie handelt nicht
nur von der Bibel, fondern von der religiöfen Weltbetrachtung
überhaupt in ihrem Unterfchied von der
wiffenfchaftlichen Welterklärung; weniger, denn fie tritt
nicht in eine principielle Erörterung des in der Ueber-
fchrift angedeuteten Problems ein. Es iftt nicht leicht,
den inneren Zufammenhang der fünf lofe an einander
gereihten Capitel herauszufinden. Diefelben lauten: I. Die
Sprache des Glaubens (5—20), II. Das Wunder (21—34),
III. Die Dichtung im alten Teftament (35—44), IV. Das
Schönfte in Rom (45—57), V. Der Himmel (58—64).
Der Standpunkt des Verf.'s ift im Wefentlichen der Kant-
Fries'fche, und die nähere Verwandtfchaft mit De Wette
und Apelt tritt an mehreren Stellen deutlich hervor
(S. 44. 22—24). Indeffen hat der Verf. die praktifche
Bedingtheit der religiöfen Erkenntnifs nicht feiten auf
eine glücklichere Formel gebracht, als dies auf der Stufe

der De Wette'fchen Religionsphilofophie gefchehen ift.
Zum Theile fehr gelungen find die Ausführungen über
Offenbarung und Wunder; die Kritik der altproteftanti-
fchen und der Rothe'fchen Auffaffung gehört zu dem
Beften, was die Schrift enthält, und auch die pofitiven
Erörterungen des Verf.'s ftellen die in neuefter Zeit
wieder fehr umftrittenen Fragen in die einzig richtige
Beleuchtung der religiös-teleologifchen Glaubenserfahrung.
Etwas räthfelhaft klingen die Ueberfchriften der zwei
letzten Capitel. ,Der Tod Jefu ift aller Macht und Herrlichkeit
, welche die Kirche Roms befitzt und befafs,
Urquell. Ihm entwuchs die Wunderwelt von Roms
fchönen Gebilden und er felbft ift das Schönfte, was
noch heute in der Stadt der fieben Hügel verkündet
wird' (S. 47. 57). Die letzten Seiten find der katholifchen
und der evangelifchen Darftellung des Himmels gewidmet
und enthalten namentlich eine geiftvolle Vergleichung
Dante's und Milton's. Die Schrift ift reich an über-
rafchenden Apercus, an werthvollen pfychologifchen Beobachtungen
, an intereffanten und lehrreichen Zufammen-
ftellungen; fie bekundet ein feines Verftändnifs für die
Schönheit und Erhabenheit der biblifchen Urkunden; fie
zeichnet fich durch weitherziges und mildes Urtheil aus;
aber fie läfst auch das Ungenügende der einfeitigen
Handhabung äfthetifcher Kategorien auf religiöfem Gebiet
fehr klar und lebendig erkennen. (Man vgl. z. B. des
Verf.'s Beurtheilung der Lehre vom verföhnenden Opfertode
Chrifti, S. 48 ff.) Die treffende Schilderung des
,alten Reufs', welchem der Verf. perfönlich begegnete
und deffen er mit warmen Worten gedenkt (S. 35—36),
werden alle feine Schüler mit bewegtem Danke lefen.
Strafsburg i. E. P. Lobftein.

Koetsveld, C. E. van, Kinderpredigten. Aus dem Hol-
ländifchen überfetzt von Pfr. Dr. O. Kohlfchmidt.
1. Bd.: 10 Kinderpredigten über altteftamentliche
Texte. Leipzig, Janfa, 1895. (IV, 101 S. gr. 8.) M. 1. 50;

geb. M. 2. —

Dafs Predigten für Kinder zu dem Schwierigflen
gehören, was es giebt, ift bekannt. Um fo willkommener
ift jede gute Hülfe auf diefem Gebiet. Hier haben wir
eine geradezu ausgezeichnete. Der rühmlichft bekannte
Verfaffer hat ein ganz hervorragendes Talent, zu Kindern
fo zu reden, dafs es fie intereffirt und packt. Das erfieht
man mit Freuden aus diefem Bändchen, trotzdem dafs
der Autor mit Recht im Vorwort bemerkt, das Papier
gebe folche Predigten nur halb wieder: man kann fich
wohl vorftellen, dafs der Mann, der fo fchreibt, vortrefflich
mufs gefprochen haben. Das Geheimnifs feiner Kunft
befteht — abgefehen von der höchft gefchickten Auswahl
der Texte — wohl vornehmlich darin, dafs v. K. überall
erzählt, auch wo der Text nicht erzählender Art ift, und
dafs er ausgezeichnet erzählt. Er hat die Gabe, die Dinge
von vornherein plaftifch zu fehen, die Perfonen werden
lebendig, die Situationen treten dem Hörer vor Augen,
eine kräftige und dabei gefunde Phantafie hat fie neu
belebt. Namentlich auf pfychologifchem Gebiete leiftet
er da Vorzügliches; er weifs die Seelenzuftände auszumalen
, dafs man fie miterlebt, und das mit den ein-
fachften Mitteln. Dabei wird die Erzählung fpannend
angelegt und nur feiten zu weit ausgedehnt. Ebenfo vortrefflich
ift aber dann die Anwendung des Erzählten, ebenfalls
einfach, warm, ernft und eindringlich, fern von aller unkindlichen
religiöfen Phrafeologie. Es ift felbftverftändlich,
dafs zu diefem Behufe die altteftamentlichen Gefchichten
etwas zurechtgerückt, idealifirt und moralifirt werden
rnüffen. Vor der neueften hiftorifchen Kritik könnte
keineswegs alles beliehen, was da vorgetragen wird. Auf
der andern Seite wird jedoch auch nichts Unmögliches
und Unnatürliches dargeboten. Er behandelt die Erzählungen
etwa in der Art, wie die Herbartianer die
Grimm'fchen Märchen: überall wird der moralifch-