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Ausgabe:

1896

Spalte:

272-273

Autor/Hrsg.:

Fries, S. A.

Titel/Untertitel:

Betydelsen af Religionskongressen i Chicago 1896

Rezensent:

Lobstein, Paul

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Die erften 350 Seiten des erften Bandes nimmt die
Schilderung der politifchen Kämpfe von 1610 —1629 ein,
mit welchem Jahr durch die Eroberung von Rochelle
und durch die Ergebung Rohan's die politifche Macht
des Calvinismus vernichtet war —■ unerquickliche Jahre
wegen der Vermifchung der religiöfen Gegenlätze mit
den felbftfüchtigen Beftrebungen der Grofsen, wegen der
Zerfahrenheit und Getheiltheit der Proteftanten, fowie
wegen des zunehmenden Abfalls des hohen Adels. Den
Haupthelden der Proteftanten Du Pleffis-Mornay, Sully,
Ronan hat Baird eine zutreffende Charakteriftik gewidmet
, die heldenmüthige Vertheidigung von St. Afrique
und Rochelle wird ausführlich gefchildert, und mit Recht
dabei hervorgehoben, welche Summe von politifcher Freiheit
überhaupt mit der Unterdrückung des politifchen
Calvinismus zu Grunde ging. Die 30 Jahre bis 1660 bilden
die ruhigfte Zeit des franzöfifchen Proteftantismus,
freilich eine Ruhe vor dem Sturm, aber doch Tage
äufserer Blüthe, religiöfer Sicherheit, regfter wiffenfchaft-
licher Thätigkeit. Sie bieten dem Verf. die erwünfchte
Gelegenheit, eine allgemeine Schilderung des franzöf.
Proteftantismus nach Bevölkerung, Lehre, Verfaffung,
Cultus u. f. w. zu geben; eine etwas ausführlichere
Würdigung der franzöfifch-reformirten Theologie nach
der Stellung, welche fie in der geiftigen Entwicklung des
Proteftantismus überhaupt einnahm, hat der Verfaffer
wohl abfichtlich dem Bilde nicht hinzugefügt. Mit der
Selbftregierung Ludwig's XIV. begann die Unterminirung
des Edictes, der ungleichfte bejammernswerthefte Kampf
zwifchen einer übermächtigen, gewaltthätigen und (krupel-
lofen Staatsgewalt und einer wehrlofen religiöfen Minderzahl
. Jahr für Jahr, Gewaltthat um Gewaltthat wird be-
fchrieben, es ift eine traurige Eintönigkeit, deren Schuld
auf das ganze katholifche Frankreich fällt, vielleicht aber
mehr auf Ludwig XIV., als Baird annimmt, indem der
König von Anfang feiner Regierung an alles wufste und
befahl. Die alte Fabel, welche das Aufhebungsedict
einer Ausmacherei zwifchen Frau von Maintenon und
dem Pere La Chaife zufchrieb, wird mit Recht bei Seite
gelaffen. Dagegen vermifst man ungern eine Bezugnahme
auf Döllinger's vorzüglichen Effay: Die einflufsreichfte Frau
in Frankreich. Mit Recht wird ferner die Heuchelei der
Bekehrenden gebrandmarkt, welche in dem grofsen Erfolge
fo gern ebenfo grofse Wunder Gottes fahen und
leichten Herzens über bürgerliche und geiftliche Mifshand-
lungen und Graufamkeiten hinwegfahen; ebenfo ftimmen
wir dem Verfaffer auch darin bei, wenn er über die
Schwäche derer, welche abfielen, kein Urtheil fich erlaubt.
Dafs der Tag der Aufhebung des Edictes von Nantes
der 17. Oct. 1685 fei, ift mir doch nicht fo ficher, wie
Baird annimmt, wenn auch H. Martin, Douen, Anuez
und Puaux allerdings mit ihm übereinftimmen. Sicher
ift nach Rouffet, Histoire de Louvois T. III p. 477 ff.
dafs Ludwig am 15. Oct. den Entwurf der Declaration
las und billigte, aber einige kleine Abänderungen wünfchte,
welche fo fchnell als möglich vorgenommen wurden.
17. Oct. wurde das unterzeichnete Edict fchon dem Intendanten
Foucault [Memoires p. 135) zugefandt mit
anderen Briefen des Königs; p. 130 fchreibt aber Foucault:
Louvois hat mir eine Copie der Declaration gefchickt
le 16. Octobre; ich halte daher den 16. Oct. immer noch
für das wahrfcheinlichfte Datum. Die grofse Auswanderung
mit den übrigen Fkolgen der Aufhebung wird richtig,
aber nicht fehr ausfuhrlich behandelt. Baird verweift
auf die bekannten Werke von Weifs und Poole; erwähnt
mag aber auch hier werden die II, 106 angeführte
Aeufserung von Jul. Simon, dafs unter den hervorragenden
deutfchen Stabsofficieren, welche im J. 1870 in
Frankreich einrückten, 70—80 Nachkommen von Hugenottenflüchtlingen
waren. Eine viel tiefere Rache, wenn
man fo will, nahm aber die Gefchichte durch das Sinken
des religiöfen Geiftes in Frankreich im 18. Jahrhundert,
wie fich dies ebenfo in dem Unglauben jener Zeit als in

der Bedeutungslofigkeit der katholifchen Theologie verglichen
mit der des 17. Jahrhunderts zeigte, nicht minder
aber auch darin, dafs die Abftumpfung gegen Gewaltthat
und Tyrannei der Volksfeele immer tiefer eingeimptt
wurde: die blutigen Scenen der Revolution und der
Commune haben davon Zeugnifs abgelegt. Verhältnifs-
mäfsigausführlicher als manche andere Periode befchreibt
Baird die Zeit von 1685 —1715, befonders den Camifarden-
krieg; es ift dies fehr dankenswerth, denn jene Zeit ift
trotz des Werkes von O. Douen, Les prcmiers pasteurs
du Desert weniger bekannt und fehr fchwierig darzu-
ftellen. Die Gefchichte mufs fich eigentlich in eine
Menge einzelner Erzählungen verlieren, der verbindende
Faden fehlt und findet fich erft wieder bei der Thätigkeit
von A. Court. Gerade über den Camifardenkrieg
ift ein nüchternes Urtheil, wie Baird es von deffen wechfel-
vollen Ereignifsen und eigenthümlichem Helden giebt,
von hohem Werthe; er hat fich auf die pfychologifche
Befchreibung der wunderbaren Gaben wenig eingelaffen,
dafür den Verlauf der Kämpfe überfichtlich zufammen-
geftellt und insbefondere den Charakter des tapferen
Cavaliers, der aber ein höchft ungewandter Diplomat
war, richtig gezeichnet. Nachdrücklich tritt er auch der
oft wiederholten Behauptung von fremden Emiffären,
welche die Camifarden zum Aufftand reizten, entgegen.
An die Stelle der grauenvollen Kriegführung und des
bedenklichen Prophetismus trat feit 1714 die ftille, ener-
gifche, zielbewußte und nüchterne Thätigkeit A. Courts
(fein Geburtstag ift 27. März 1695, nicht 1696) und feiner
wackeren Genoffen; nur überfichtlich in den Hauptzügen
hat Baird dies gefchildert, ganz kurz ift z. B. die Wirk-
famkeit Duplan's behandelt, P. Rabaut tritt mehr in den
Vordergrund (der eigenthümliche Hilfeverfuch Armand's
wäre doch wohl zu erwähnen gewefen, f. meine Gefchichte
der Kirche der Wüfte S. 188 ff.): aber gern verfolgt der
Lefer den Wiederaufbau der zerftörten Kirche, die fort-
fchreitende Duldung bis zur Gewährung des Toleranz-
edictes und, was befonders dankenswerth ift, die Schick-
fale der proteftantifchen Kirche Frankreichs durch die
Stürme der Revolution bis zum J. 1802. Hier ift ja noch
eine Lücke in der Gefchichtfchreibung, und während
von katholifcher Seite in der letzten Zeit eine beträchtliche
Anzahl Schriften über das Verhalten ihrer Kirche
und ihrer Geiftlichen in jener ftürmifchen Zeit erfchienen
ift, fehlt es noch an einer zuverläffigen Arbeit für die Proteftanten
. Mit einem warmen Hinblick auf die angefehene
Stellung, welche die der Zahl nach* fo fchwachen Proteftanten
in Staat und Gefellfchaft einnehmen, mit der
feften Zuverficht, dafs die Sache der Hugenotten keine
verlorene fei, fchliefst das verdienftvolle Buch.

* Anm. Die Angabe, dafs die franzöfifchen Proteftanten
gegen eine Million ftark feien unter 37 Millionen Franzofen
überhaupt, halte ich für zu hoch; Levaffeur, La
population francaise giebt I, 339 für das J. 1872 an:
468000 Calviniften, 80000 Lutheraner und 30000 andere
Denominationen, zufammen c. 580000 Proteftanten.

Stuttgart. Theodor Schott.

Fries, Lic. S. A., Betydelsen af Religionskongressen i Chicago.

Stockholm, K.J. Bohlins Förlag, 1895. (66 S. 8.) 50 öre.

Der vom 11.—27. September 1893 in Chicago gehaltene
allgemeine Religionscongrefs hat vielleicht im
Auslande ein gröfseres Auffehen erregt als bei uns in
Deutfchland, wo bekanntlich kein einziger Lehrftuhl für
Religionsgefchichte zu finden ift, während folche in
Grofsbritanien, Holland, Frankreich, der Schweiz, Skandinavien
, Amerika errichtet worden find. Kaum waren
die in englifcher Sprache veröffentlichten Acten des
Congreffes erfchienen [The World's parliament of reli-
gions, 1893), als zwei fchwedifche Gelehrte, L. Bergftröm
[ in Upfala, und K. J. Bohlin in Stockholm, die zwei
ftarken Bände von 800 Seiten ins Schwedifche überfetzten