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Ausgabe:

1896 Nr. 9

Spalte:

249-250

Autor/Hrsg.:

Reuss, Eleonore

Titel/Untertitel:

Philipp Nathusius Jugendjahre. Nach Briefen und Tagebüchern 1896

Rezensent:

Eck, Samuel

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Seite 1

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249

Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 9.

250

ift fchleckt nicht mit Enders S. 214= fchlecht zu nehmen,
fondern fchlecket, fchleckig = nafchhaft. S. 6b, Z. 19
kartünfflin vielleicht chartunculae so dafs entweder eine
Ablautung anzunehmen ift oder ein Druckfehler ftatt
kartünklin. Eberlin will fagen: die Käsjäger, d. h. die
Bettelmönche lefen ihre Predigten aus alten zerlefenen

eine ,pantheiftifch' angehauchte Frömmigkeit Schleier-
macher'fchen Gepräges. Aber bei erwachendem Selbft-
bewufstfein ziehen den Knaben unmittelbarer ,Goethe
und die Bibel' an. Man wird die Bedeutung diefer Verbindung
auch um Goethe's willen nicht hoch genug
fchätzen können. Zunächft jedoch führt Goethe zu

Skarteken. S. 65, Z. 5 giebt bychten wohl einen Sinn: Bettina von Arnim. Für ihr Charakterbild bietet das
Die Mönche bringen Beichtgeheimnifse auf die Kanzel. Buch manche werthvolle Beftätigung bekannter Züge

Aber nach dem Zufammenhang dürfte ein Druckfehler
des Urdrucks ftatt bychern vorliegen. S. 75, Z. 21 ift
rüwlich nicht in trüwlich zu ändern, fondern nur ortho-
graphifch verfchieden von rylich, Z. 31, was Ed. 2 mit
rewlich gab = reichlich. S. 76, Z. 14 möchte ftatt taflent
raflent zu lefen fein. Vgl. das schwäbifche raffeln. Z. 1
v. u. ift ftadt nicht in ftandt zu ändern, es ift das eingedeutschte
Status. S. 94, Z. 23 ift anfang nicht zu ändern,
fondern — anfänger, Vorgänger, vgl. S. 96, Z 7 v. u.
S. 95, Z. 3 L v. ff. | läsen. S. 101, Z. 12 1. lle lchier. S. 104,
Z. 24 ift wyl = velum, denn ,die klofterleut' lind Mönche
und Nonnen. Z. 26 ift nidig nicht niedlich, wie S. 219
erklärt ift, fondern neidig, fchwäbifch = neidifch. S. 105,
Z. 14 ift N. vielleicht mit Null aufzulöten. S. 116, Z. 15
find achtburger nicht octoviri, fondern ächte Bürger,
Patricier der Städte. Z. 2 v. u. 1. alfo: | . S. 138, Z. 27
zu fpäng = fpende, vgl. verfchlingen, verfchlinden. S. 157,
Z. 1 ift doch wohl ftatt träher trähen = thräne zu lefen.
Oder ift es dialektifch möglich, es = trauer zu nehmen?
S. 206, Z. 20 ift Hausfchein zu tilgen, denn Oekolampad's
Familienname ift Hüsgen, Heusgen, ein noch am Rhein
gebräuchlicher Name. S. 207, Z. 12 1. ftatt Sinsbach
Sinsheim. S. 213 hat Enders die Stelle S. 42, Z. 7 nicht
zu deuten gewufst, da er das fchwäbifche merr = man

Aus den Umgarnungen diefer romantifch-geniehaften
Haltlofigkeit zieht eine italienifch-griechifche Reife. In
der Kunft der Gegenfatz zwifchen antik und chriftlich,
im Volksleben derjenige zwifchen katholifch und evan-
gelifch — beides führt zu ernftem Studium des Neuen
Teftaments und zu erneuter Hingabe an Schleiermacher.
Der preufsifche Bifchofftreit zeitigt unter diefen Voraus-
fetzungen eine erfte kirchenpolitifche Brofchüre ,Ulrich
von Hutten' gegen Görres' ,Athanasius'. Schon ift unter-
deffen die Verurtheilung des eignen Ausgangspunktes in
dem Satz vollzogen: ,diefes rationaliftifch flache Geträtfch,
was die Welt treibt, ift mir unerträglich, zum Ekel' (S. 175).
In der Braut Marie Scheele — auch fie im rein rationa-
liftifchen Pfarrhaus aufgewachfen — tritt der noch unklaren
religiöfen Stimmung des jungen Mannes eine in
der That köftliche Mifchung ficherer und kindlicher
Frömmigkeit entgegen. Der Weg ,zu den Pietiften' fleht
offen. Am 23.0ct. 1840 fchreibt er: ,die Pietiften mit ihrem
Wunderglauben find noch auf dem Holzweg. Das Aus-
fcheiden einzelner Wunder in ihr [der Welt] ift ganz
unthunlich'. Hingegen am 24. Jan. 1841 heifst es: ,es war
wohl nothwendig und bedeutfam, dafs Chriftus zugleich
der leibliche Wunderthäter war' (S. 246. 270). Faft wie
ein Compromifs zwifchen den früheren .weltlichen' und

nicht kannte. Der Sinn der Stelle ift klar. Zu Anm. ; den neuen ,pietiftifchen' Intereffen taucht S. 274 h eine
S. 221 betr. 122, Z. 2 ift zu bemerken, dafs der Schwabe Auffaffung vom Reiche Gottes auf, die vor wenig Jahren
den Oheim Vetter heifst. *S. 222: Zu S. 138, Z. 4 ift über noch fehr weitgehender Zuftimmung begegnet wäre; ob

die Waldbrüd er im Lande Wirtemberg zu vergleichen
Clefs, Verfuch e. kirchl. pol. Landes- und Culturgefchichte
von W. 2, 2 S. 191 ff., 200 und Carl Friedrich Haug
(Mittheilungen aus feinem Leben. Stuttgart 1869), (S. 53 ff.
treffliche Ortsgefchichte von Entringen) S. 82. Die durch
Bebel übel berüchtigten Waldbrüder waren befonders in
der Nähe von Tübingen häufig, hatten z. B. in den Wäldern
bei Entringen und Herrenberg, ebenfo bei Dettingen
O.-A. Rottenburg Klaufen. Sie (landen unter einem
Vater und nährten fich von Handarbeit, z. B. vom Löffelmachen
. Der Vater der Klaufe bei Dettingen, Alex.
Hirrlinger, trat 1526 zur Reformation über. Bl. f. württb.
K.-G. 1888, 57. Zu Entringen S. 226 vgl. Haug S. 83.
Die Sitte, aus Stiftungen Armen Früchte in theucrer Zeit
auf Erfatz in befferen Jahren vorzuftrecken, fand fich
öfters in Schwaben. Bei Aufhebung der Zünfte durch
Heinr. Has wurden häufig die Gelder der Zünfte für
diefen Zweck angelegt.

Möge Enders bald den zweiten Band folgen laffen
und auch einige Schriften von H. Kettenbach, Seb. Lotzer
und Andr. Keller geben!

Nabern. G. Boffert.

heute noch, weifs ich nicht. Endlich mag noch erwähnt
werden, dafs Johannes Falk in feiner Eigenfchaft als
Freund Goethe's den Wegweifer in die innere Miffion
bildet (S. 46. 197. 266).

Rumpenheim. S. Eck.

Reuss, Eleonore Fürftin, Philipp Nathusius Jugendjahre.

Nach Briefen und Tagebüchern unter Mitwirkung von

D. Martin von Nathufius. Berlin, Beffer, 1896. (III,

283 S. gr. 8.) M. 4. —

Nicht gerade viel Neues an kirchengefchichtlichem
Stoff bietet diefe anmuthige Schilderung der Jugendjahre
11815—41) des fpäteren confervativenSchriftftellers Philipp
Nathufius. Bei aller Eigenthiimlichkeit der rein dilettanten-
haften Bildung des offenbar hochbegabten Mannes giebt
feine Entwickelung doch faft bis ins Einzelne ein getreues
Bild des allgemeinen Ganges der Dinge. Den I tahrungen vieler edelfter Geifter

Wurzelboden bildet die nüchterne Ehrlichkeit eines ratio- 1 die der Verf. fdbft in einer frühe 7 ^rIahrung,
h'fchen Haufes. Der Erzieher Elfter pflanzt darauf | gemacht hat, thatfächlichen Beweis Z,vveifclsperiode

Fricke, Prof. D. G. A., Ist Gott persönlich? Erneute
Unterfuchung des Problems der Gottesfrage. Leipzig,
G. Wigand, 1896. (78 S. gr. 8.) M. 2.

Der Verf. hat einft vor 50 Jahren feine akademifche
Laufbahn mit einer Unterfuchung der Gottesbeweife
inaugurirt. Seitdem ift diefes Thema Gegenftand feines
Nachdenkens geblieben, Gegenftand wiederholter Vor-
lefungen geworden. In der vorliegenden Publication,
einem Leipziger Univerfitätsprogramm, wünfcht er ,für
fich felbft mit der Sache einen Abfchlufs zu machen'
(S. 4). Er erörtert nicht, wie man aus dem Titel fchliefsen
könnte, fpeciell die Frage nach der Perfönlichkeit Gottes,
fondern vielmehr die Frage nach der Exiftenz des
perfönlichen Gottes, nach dem wiffenfchaftlichen Rechte
unteres Glaubens an diefe Exiftenz.

Vorweg zeigt er, dafs eine wiffenfchaftliche Begründung
der Gewifsheit des perfönlichen, weltverfchiedenen
Gottes nothwendig, möglich und Zweiflern gegenüber
wirkfam fei. Nothwendig ift fie aus praktifchen Gründen,
um den hohlen, dilettantifchen Atheismus zu überwinden,
und aus theoretifchen Gründen, weil ohne folche Beweisführung
die Theologie aufhören würde Wiffenfchaft zu
fein. Möglich ift fie, weil Gott eben nicht ein unpersönliches
Abftractum ift, fondern in feinen Wirkungen ,das
bezeugtefte, fichtbarfte und darum auch erkanntefte
aller Wefen, und der Unfichtbare nur als das alles Sichtbare
durchdringende Princip' (S. 19). Dafs folche Beweisführung
aber wirkfam ift, dafür giebt neben den Erfahrungen
vieler edelfter Geifter auch die Erfahre