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Ausgabe:

1896 Nr. 9

Spalte:

230-234

Autor/Hrsg.:

Meinhold, Johannes

Titel/Untertitel:

Jesus und das Alte Testament 1896

Rezensent:

Fay, Friedrich Rudolf

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229

Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 9.

230

Smith, late Prof. VV. Robertson, M. A., LL. D., The pro-
phets of Israel and their place in history to the dose of
the eighth Century. New edition. With introduction
and additional notes by Rev. Prof. T. K. Cheyne,
M. A., D. D. London, Adam & Charles Black, 1895.
(LV1II, 446 S. gr. 8.) Geb.

Der Neudruck diefes im J. 1882 zuerft erfchienenen
Buches (vgl. Th. Lit.-Ztg. 1885, Sp. 92) ift ein Beweis für
das lebhafte Intereffe, das das englifche Publicum den
Arbeiten des leider allzufrüh der Wiffenfchaft entriffenen
Verfaffers entgegengebracht hat. Das hier behandelte
Thema ift enger begrenzt, als das der bekannten Schrift
xThe Old Testament in the Jewish Churck (Edinburg
1881 vgl. Th. Lit.-Ztg. 1881, Sp. 250), und wenngleich
es auch für des Hebräifchen Unkundige verftändlich ift, fo
(teilt es doch an den Lefer viel höhere Anforderungen
als jene. Aber es läfst zugleich die wiffenfehaftliche und
religiöfe Denkweife des Verfaffers viel beffer erkennen,
es ift auch frei von einer gewiffen Unklarheit, in der fich
die frühere Schrift bezüglich des Infpirationsdogmas noch
bewegte. Die wiffenfehaftliche Bedeutung des Verfaffers
lag freilich vielmehr noch auf dem allgemein femitiftifchen
als auf dem altteftamentlichen Gebiet, gleichwohl wird
man lieh feine Eigenart am liebften an der Hand des
vorliegenden Buches vergegenwärtigen.

Göttingen. R. Smend.

Valeton, Prof. D. J. J. P., Vergängliches und Ewiges im
Alten Testament. 3 Reden. Berlin, Reuther & Reichard,
1895. (VII, 47 S. gr. 8.) M. 1. —

Die vorliegende Schrift enthält 3 aus einer 1892 erfchienenen
Sammlung holländifcher akademifcher Ein-
leitungsvorlefungen ausgewählte und ins Deutfche überfetzte
Vorträge des Verf.'s. — Der erfte S. 1 —18 handelt
von der Bedeutung des altteftamentlichen Studiums für
den Verkündiger des Evangeliums. Von den Stoffen der
blofsen Literarkritik werde der Pfarrer nicht viel prak-
tifchen Gebrauch machen können, defto mehr aber von
dem unmittelbaren Studium des A.T.'s felbft. Wie viel
könne er daraus für Erkenntnifs der Wege Gottes in
der Gefchichte gewinnen; ein wie ganz anderes lebendigeres
Verftändnifs der von der dogmatifchen Sprache
aufgenommenen Ausdrücke werde er erlangen, wenn er
die Urquellen derfelben im A.T. ftudire. Der Verf. zeigt
dies befonders an Ausdrücken wie glauben, verhöhnen,
heiligen, Sohn Gottes u. A. Auch könne man aus den
Gefchichten, Weisfagungen und Liedern des A.T.'s eine
reiche Kenntnifs des menfehlichen Herzens fchöpfen. —
Der zweite Vortrag betrifft die Stellung der Propheten
in Israels Religion S. 19—33. Ungefcheut tritt er für die
hiftorifche Stellung derfelben vor dem Sopherismus ein
und kehrt ohne Bedenken die Formel Gefetz und Propheten
um in Propheten und Gefetz, für letztere fich
auch auf AG 26, 22 ftützend. Jene fei die richtige Formel
für das Werden des Kanons, diefe aber für die Chronologie
der Träger der altteftamentl. Offenbarung felbft.
In der Darftellung des Prophetismus felbft fchliefst fich
der Verf. vielfach an Duhm's Theologie der Propheten
1875 an. Er erkennt im Prophetismus die zur Vervollkommnung
der Religion in Israel treibende Kraft. Das
Geheimnifs feiner Gröfse und Stärke liege in dem per-
fönlichen religiöfen Leben feiner Träger, worüber der
Verf. viel Schönes und Treffendes fagt. — Der dritte
Vortrag S. 34—47 findet das Wefen der Religion Israels
nicht in befferen Begriffen von Gott, die fich die Menfchen
in Israel gebildet hätten, fondern in Gottes Selbftoffen-
barung. Und in der That, wenn Gott nicht blofs ein
Begriff, fondern ein lebendiges Wefen ift, fo können wir

nur von ihm felbft erfahren, wie er befchaffen ift. — Sand zu werfenr (S. XX). Doch nicht die' c'Z "' r"Ä
Wir möchten empfehlen, diefe Vorträge nicht ungelefen es, ,die im letzten Grunde' dem Verf die IAed d

zu laffen. Nach p. IV möchte der Verf. fern bleiben
von allem theologifchen Parteitreiben. Das ift ein fchwer
erfüllbarer Wunfeh, wenn man feine Arbeiten ins Deutfche
überfetzen läfst.

Jena. C Siegfried.

Nie inhold, Prof. Lic. Johs., Jesus und das Alte Testament.

Ein zweites ernftes Wort an die evangelifcheu Chriften.
Freiburg i. B., J. C. B. Mohr, 1896. (XXIV, 143 S.
gr. 8.) M. 2.20

Seinem erften ,ernften Worte an die evangelifchen
Chriften aller Parteien', das von uns im vorigen Jahrgange
diefer Zeitung (Nr. IO, Sp. 264—268) befprochen
wurde, hat der verehrte Verf. jetzt ein zweites folgen
laffen, für das wir ihm, um es nur gleich von vornherein
zu fagen, zu aufrichtigem Danke verpflichtet find. Jene
grundehrliche Wahrhaftigkeit, gepaart mit wiffenfchaft-.
licher Tüchtigkeit, die feine erfte Schrift ,Wider den
Kleinglauben' auszeichnete, eignet auch diefer Abhandlung
über Jefus und das Alte Teftament'. Bekanntlich
ift dasfelbe Thema von Kähler am 23. April
v. J. auf der Gnadauer Conferenz behandelt worden und
zwar in einer Weife, die, wie die Chronik der chriftlichen
Welt (1895, Nr. 21) zu berichten wufste, nicht ohne
Widerfpruch geblieben ift. Aus welchem Grunde, wir 1
fich nachher ergeben. Schliefslich ift alles, was wiffenfehaftliche
Theologie heifst, der eigentlichen Gemeindeorthodoxie
und ihren Vertretern gegenüber in der gleichen
Verdammnifs.

Das Vorwort (S. I—XXII) befchäftigt fich einestheils
mit den auf Gräfe und Meinhold zufammen gerichteten
Angriffen von Bodelfchwingh's und der ,Bekenntnifsfreunde'
(S. I—XIV), theils mit den Streitfchriften, die ,mehr oder
minder' auf Meinhold's Brofchüre ,Wider den Klein-
glauben' ,Rückficht nahmen' (S. XIV—XXII). Wenn M.
in jenen Angriffen die Pflichten der Bruderliebe verletzt
und zwar ,auf das gröblichfte' (S. IV) verletzt fleht, fo
können wir ihm das vollftändig nachempfinden. ,Es ift
doch fürwahr ein wunderliches Gebahren, wenn man uns
wegen unferer wiffenfehaftlichen Ueberzeugung zur
Bufse ruft' (S.V, VI). ,Das fchlimmfte Zeichen der Zeit
ift mir, dafs bei all den Rufern im Streit und ihrem Gefolge
auch keine Spur von dem Gedanken an einen
etwaigen Irrthum ihrer Lehre auftaucht; dafs immer ohne
Unterlafs das Chriftenthum und jene überwundene Lehre
vom Chriftenthum verwechfelt wird' (S. VIII). Sie halten
fleh mehr oder minder, um uns milde auszudrücken, für
unfehlbar. Wer fich unfehlbar dünkt, ift immer unduld-
fam. Was foll aber die Unduldfamkeit in unferer evangelifchen
Kirche? Da ift kein Raum für fie. ,Eine Kirche,
welche fleh evangelifch nennt, (mufs) durchaus den ver-
fchiedenen Richtungen gerade auf dem Gebiete der Lehre
freien Raum laffen' (S. X). Wie die Väter der reformirten
Kirche es in diefer Beziehung im fechzehnten Jahrhundert
zu Wefel, Antwerpen und Middelburg gehalten
haben, ift auf S. XII lehrreich zu lefen. Da wehte noch
ein anderer Geift, als fpäter auf der Synode zu Dord-
recht (1618)! Im zweiten Abfchnitt des Vorworts
(S. XIV—XXII) unterwirft der Verf. die auf feine Brofchüre
.Wider den Kleinglauben' mehr oder minder
Rückficht nehmenden Schriften fcharfer, doch nicht ungerechter
Kritik. Kähler (,Unfer Streit um die Bibel')
wird wohlwollend behandelt, kräftiger werden Orelli
und die beiden Müller in Erlangen und Barmen ange-
fafst, zuletzt kommt der jüdifche Rabbiner Dr. Fink an
die Reihe. ,Damit der Humor der Sache nicht fehle, hat
auch ein Rabbiner in edler Dreiftigkeit das Kampfrofs
beftiegen' (S. XIX. XX). Indefs ,der Herr Rabbiner war
nicht feft genug gefattelt. Es war leicht, ihn in den