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Ausgabe:

1896 Nr. 8

Spalte:

204-206

Autor/Hrsg.:

Peters, Carl

Titel/Untertitel:

Das goldene Ophir Salomo‘s. Eine Studie zur Geschichte der phönikischen Weltpolitik 1896

Rezensent:

Siegfried, Carl

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203

Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 8.

204

,echt theokratifchen König' Salomo auf ,Abwege' ge-
rathen zu laffen. S. 166 fchuf Jerobeam in Bethel und
Dan eigene Reichsheiligthümer, die aber nach ebenda
A. 1 älter waren als das jerufalemifche Heiligthum. Das
Ziel der ganzen Religionsentwickelung ift S. 192 eine
Repriftination des mofaifchen Gefetzes, welche vom
Verf. nach den glänzenden Ausführungen über das
letztere (S. 105—116) hier bedauert zu fehen, man fich
wundert. — Ein dritter Theil führt die Ueberfchrift
,Lehrtheil'. Hier ift eine Art biblifcher Dogmatik des
A.T.'s gegeben, zu der als Bauftoffe fämmtliche Materialien
der biblifchen Bücher, die religiöfen Gehalt bieten, benutzt
find. Hier zeigt fich fo recht die gediegene Kennt-
nifs des A.T.'s, die der ruhmvolle Ausleger desfelben in
langen Jahren gefammelt hat. Nichts ifl ihm entgangen,
was zu den einzelnen Lehren gehört. Aus diefer Fundgrube
werden noch lange Zeiten fchöpfen. Freilich kann
man auch hier den Zweifel nicht unterdrücken, ob es
denn je eine Zeit gegeben habe, in der Alles Diefes
nebeneinander (Bundesbuch neben den jüngften Pfalmen,
neben Qohelet und Maleachi) als Lehre des A.T.'s gegolten
habe; S. 283 kommt dem Verf. felbft ein derartiger
Zweifel. Das Ganze zerfällt in drei grofse Abtheilungen
: Lehre von Gott, vom Menfchen und vom
Heilsweg oder Reiche Gottes. Die Lehre von Gott behandelt
zuerft den Gottesbegriff des A.T.'s an fich, dann
die Entfaltung diefer Idee zu den einzelnen göttlichen
Eigenfchaften. Die Lehre vom Menfchen betrifft vor-
zugsweife die fittliche Natur des Menfchen, befonders
nach der Seite ihrer Verirrungen. In der Lehre vom
Heilsweg, die im Einzelnen auch fehr viel Schönes und
Belehrendes bietet, zeigt fich der Conftructionsfehler, der
in der ganzen Darflellung der israelitifchen Religionsentwickelung
beim Verf. liegt. Der im Gefetz befchrie-
bene Heilsweg wird an die Spitze geftellt. Da er bereits
ganz vollkommen ift, fo begreift man nicht recht, was
im zweiten Abfchnitt diefes Theils die Propheten eigentlich
noch wollen. So fchön die Ausführungen über die
einzelnen Propheten vielfach find, fo vermifst man doch
jeden organifchen Zufammenhang des Prophetismus mit
dem vom Verf. fo genannten Mofaismus und fieht namentlich
nicht ein, wie eine folche Bewegung wie die pro-
phetifche in eine Repriftination diefes Mofaismus auslaufen
konnte. — Auch bekommt man vielfach den Eindruck
, dafs hier von einem modern dogmatifchen oder
apologetifchen Standpunkt aus über das A.T. geredet
wird, vgl. z. B. S. 303—305.

Ein näheres Eingehen auf die maffenhaften Einzelheiten
glauben wir Siefen Blättern nicht zumuthen zu
dürfen. Zum Zeichen, dafs wir forgfältig gelefen haben,
fei nur gefragt, ob S. 483 Z. 1 ,gute' nicht Schreibfehler
für ,fchlechte' fei? Ferner fei bemerkt, dafs S. 125, Jof. 6'
ft. Jef. 6, S. 170 ,tyrifchem König Etbaal' ft. fyrifchem,
S. 255 Ii» ft. 'px, S. 328 ygvtp ft. VQycp, S. 374 ft.
ynn zu leien ilt u. a. m. Seltfam klingt S. 392 ,ein Ort
wohin man TT1', S. 16 die Bezeichnung von Dieftel's
Gefch. des A.T.'s als ein ,grofses Buch'. — Die Dar-
ftellung ift von bisweilen etwas ermüdender Breite und
leidet überhaupt an einer gewiffen doctrinären Trockenheit.
Andererfeits auch an Schönmalerei. Man vergleiche z. B.
S. 126 die Betrachtungen über den heiligen Plrnft des Din,
über den Jahvezorn S. 261 ff. u. a. m. — Gegen andere
Standpunkte, namentlich gegen die neuefte Wendung
der Pentateuchkritik verräth auch hier D. eine gewiffe
feltfame Gereiztheit. Die Graf'fche Hypothefe hat feine
Kreife gewirrt und fo werden denn abgefehen von S. 55 ff.
die ,neueren Gefchichtsconftructeure' meift nur in Anmerkungen
kurz und unwirfch abgewiefen S. 166. 168.
182 u. f. w. Neue Bücher pflegten den Verf. ohnehin zu
verftimmen, da fie ihm eine nach feiner Meinung meift
beffer zu nutzende Zeit kofteten, und er zu gewiffenhaft
war, um fie ungelefen zu laffen. — Wir glaubten unfere
Meinung offen herausfagen zu follen. D. fteht in der

Gefchichte der altteftl. Wiffenfchaft grofs genug da, um
auch etwas Widerfpruch vertragen zu können.

Jena. C. Siegfried.

Seesemann, Otto, Die Aeltesten im Alten Testament. Diff.
Leipzig, Fock, 1895. (58 S. gr. 8.) M. 1. —

Die Ergebnifse feiner Unterfuchung formulirt der
Verf. felbft S. 57 folgendermafsen: ,Die Aelteften fcheinen
urfprünglich Familienhäupter zu fein. Auch nach der Einwanderung
in Kanaan behalten fie in den einzelnen Ort-
fchaften ihr Anfehen, ja die Anfiedelung an feiten Orten
bringt eine ftraffere Ordnung mit fich; dadurch wächlt
das Anfehen der Aelteften, wofür wir befonders in den
Stadtälteften des Deut, den Beleg haben. Ob und wie
weit hierbei kanaanäifch-phönizifcher Einflufs mitfpielt,
ift nicht zu entfcheiden. Durch das Königthum werden
die Aelteften in den Hintergrund gedrängt, was befonders
in den Hauptftädten bemerkbar ift, während fich auf dem
flachen Lande und in kleineren Städten die Aelteften in
alter Weife erhalten. In diefer Periode fcheint aufserdem
der Uebergang der Bedeutung „Aeltefte" in „Vornehme"
ftattgefunden zu haben. Mit dem Aufhören des Königthums
aber tritt die alte Gefchlechtsverfaffung wieder
hervor, bis wir in nachexilifcher Zeit die Aelteften als
oberfte Behörde an der Spitze der jüdifchen Gemeinde
flehen fehen'.

Das Refultat hat etwas Schwebendes und Schwankendes
. Man darf aber daraus dem Verf. keinen Vorwurf
machen, weil im alten Israel wie wohl überhaupt
im alten Orient es niemals zu fetten politifchen Bildungen
im Sinne eines modernen Staatswefens gekommen ift.
Es war nicht blofs in der Richterzeit fo, dafs ,ein jeglicher
that was ihm nützlich däuchte'. Die leitenden Mächte
wechfelten je nach der Befchaffenheit ihrer Träger. Nicht
blofs nach dem Exil, auch bei Rehabeam's Regierungsantritt
fehen wir offenbar die Aelteften, von denen man
unter David und Salomo nichts gemerkt hatte, auf
einmal wieder als die entfcheidenden politifchen Mächte
hervortreten. — Der Verf. hat mit grofser Sorgfalt das
gefammte Stellenmaterial exegetifch geprüft. Er befpricht
zuerft die Stellen des Hexateuchs in den Quellen E und
J, P, Deut, (er ordnet fo, weil bei P die Aelteften nur
in zwei Stellen und zwar in blofser Repiftrination einer
älteren Einrichtung [S. 19] vorkommen). Dann folgen die
Aelteften in den hiftorifchen Büchern, bei den Propheten
(Joel, Jef., Jer., Ez. [Joel ift vorangeftellt, weil hier die
z'kenim augenfcheinlich in einem ganz allgemeinen Sinne
verftanden find] vgl. S. 43 f.). Zuletzt lind die K'tubim
(Efra, Chrom, Pf., Prov., Ruth, Kl.) durchgenommen. Von
Werth find auch die Unterfuchungen über den plurali-
fchen Gebrauch der Benennung und über das feltene
Vorkommen des Singulars (S. 4—6).

Jena. C. Siegfried.

Peters, Dr. Carl, Das goldene Ophir Salomo's. Eine Studie
zur Gefchichte der phönikifchen Weltpolitik. München,
Oldenbourg, 1895. (VI, 64 S. gr. 8.) M. 1. 50

Die Schrift des verdienten Afrikareifenden ift fehr
intereffant zu lefen und beruht auf fleifsigen und gründlichen
Studien; gleichwohl glauben wir nicht, dafs ihre
Ausführungen über die Stufe geiftreicher und Auffehen
erregender Combinationen hinauskommen. Nach voll-
ftändiger Darlegung des biblifchen Materials, wobei aber
die Chronik neben den Königsbüchern als völlig gleich-
werthige Quelle behandelt und nach I. Ch. 29, 4 auch
dem David Ophirfahrten zugetraut werden (vgl. auch S. 61)
und nach einem Ueberblick über die Literatur der Ophir-
frage (S. 1—12) geht der Verf. auf die vier Hypothefen,
welche bis in die neuefte Zeit noch Vertreter gefunden
haben, näher ein. Die erfte, welche Ophir mit ,Ferne' oder