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Ausgabe:

1896 Nr. 7

Spalte:

183-184

Autor/Hrsg.:

Mirbt, Carl

Titel/Untertitel:

Quellen zur Geschichte des Papstthums 1896

Rezensent:

Mueller, Karl

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Seite 1

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i«3

Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 7.

184

Wortes fchon im Hebräifchen in den ,debarim' von J
und E vorzuliegen.

Leipzig. A. So ein.

Mirbt, Prof. Dr. Carl, Quellen zur Geschichte des Papstthums.

Freiburg i/B., J. C. B. Mohr, 1895. (XII, 288 S. gr. 8.)

M. 4. —; geb. M. 5. —

Der Zweck diefer Publication id, ,lefenswerthes aber
zum Theil fchwer zu befchaffendes Material den Freunden
der KG., in erfter Linie den Studirenden der Theologie
zugänglich zu machen'. Sie haben allen Grund, dafür zu
danken. Denn in der That ift hier eine grofse Anzahl
Urkunden bequem zufammengeftellt, nach denen man
immer wieder greifen mufs — beim Studium wie im
Seminar — und die man bisher zum grofsen Theil gar
nicht immer um fich haben konnte. Das Werk leidet
ähnliche Diende wie Denzingers Enchiridion, nur nach
anderer Seite. Der Umfang konnte im Wefentlichen nicht
praktifcher gewählt werden. Der Preis id recht mäfsig,
die Ausdattung vortrefflich, der Druck ■—■ foweit ich
Proben angedellt habe — correct, die Einrichtung prak-
tifch: nur fehlt leider die Zeilenzählung, auf die man
nicht oft genug dringen kann, und ein Regider.

Ueber die Auswahl mit dem Herausgeber zu dreiten,
id natürlich keine Kund: ich kann aber im Grofsen und
Ganzen nur zudimmen. Doch möchte ich einiges zu
erwägen geben.

Ich meine, dafs in einem folchen Quellenwerk mög-
lichd wenig Stücke aufgenommen werden follten, die
fich fchon in andern Sammlungen finden, die fich ungefähr
an denfelben Kreis wenden. Sond entdeht nicht
nur eine Ergänzung, fondern zugleich eine Concurrenz.
Darum hätten m. E. die Stücke, die in Denzinger
dehen, zum gröfsten Theil wegfallen follen: von Nr. 150
(Vaticanum) etwa auch 149 (Syllabus) möchte ich das
nicht unbedingt fagen — de können in einer Quellen-
fammlung zur Gefchichte des Papdthums kaum fehlen,
wohl aber von 104 f. (Florentiner Union), 128 {Professio
fidei Tridenlinae), 132 (Innocenz X gegen Janfen), 139
(Clemens XI gegen Pafch. Quesnel). Aus demfelben
wie aus ähnlichen Gründen hätte ich weggelaffen 109
Luther's 95 Thefen, die allmählich fo leicht zugänglich
find als möglich, und vor allen Dingen 115—125 die
Decrete des tridentinifchen Concils. Sie dehen nicht
nur bei Denzinger, fondern find auch bekanntlich mit
anderen Actendücken desfelben Concils in einer ganz
billigen Ausgabe von Tauchnitz zu haben. Sie füllen
aber bei Mirbt allein 63 S., mehr als ein Fünftel des
ganzen Buchs. Mirbt felbd hat das Gefühl, dafs er
das römifche Dogma zu dark berückfichtigt habe (Vorwort
). Ich kann ihm darin nur Recht geben. — Der leere
Raum, der fo geblieben wäre, hätte vielleicht zum Theil
ausgefüllt werden können durch Stücke, die man ganz
gern auch mit dabei hätte: z. B. den erden Brief des
römifchen Clerus an den karthagifchen 250, ein oder die
andere weitere Decretale von Siricius und feinen Nachfolgern
, die fich auf Verfaffung, Cultus u. ä. beziehen;
dann etwa das Privilegium Ottonis I, einige Stücke aus
der Polemik zwifchen Friedrich II und feinen päpdlichen
Gegnern; ferner Bullen, die auch das Verhältnifs des Papdthums
zu den aufserdeutfehen Ländern im 12. u. 13. Jh.
betreffen, etwa aus der Zeit Innocenzens III und vor allem
Bonifazens VIII (hier findet fich nur Uuam sanetam); dann
etwa ein Stück aus einem der Proceffe gegen Ludwig d. B.,
weiter eine oder die andere päpdliche Ablafsbulle und
etwa einzelne Schilderungen über die Zudände in Rom —
vielleicht aus dem 12., 13., 15., 16. u. 19. Jh.: in diefem
Zufammenhang wären etwa auch die Urfprünge des Attributs
der babylonifchen Hure unterzubringen gewefen.
Auch aus der neueren Zeit hätten fich Wohl noch einige
Stücke anbringen laffen, namentlich aus der Gegenreformation
: das Glückwunfchfchreiben Urban's VIII an Tilly

! nach Magdeburgs Zerdörung, irgend etwas, das den
franzöfifchen oder englifchen Protedantismus betrifft (z. B.
Bartholomäusnacht u. ä.). Für das 19. Jh. will ich lieber
keine Wünfche äufsern, da hier die Auswahl befonders
fchwierig id.

Die Aufnahme des ungarifchen Fluchformulars hat
Mirbt eine Rüge der Köln. Volks-Z. zugezogen, die in dem
bekannten Urbanen Stil diefer Art von Preffe gehalten id.
Er vertheidigt fich dagegen ganz correct in Ch. W. 1895
Nr. 47. Dagegen hat er, wie ich bemerken möchte, in
Nr. 45 f. (über die Vicare des RBifchofs Ep. 6 u. 14
Leonis Mi) zwei Stücke ohne Vorbehalt aufgenommen,
deren Echtheit durch J. Friedrich (Die Sammlung der
Kirche von Theffalonich und das päpdliche Vicariat für
lllyricum SB. MA. 1891, 812 ff.) fo fchwer angefochten id,
dafs auch Mommfen fich diefer Kritik angefchloffen hat
(NA. 1892, S. 357 Nr. 47). Bei Nr. 29 (Nicän. Concil) hätte
in der Literatur Sohm nicht fehlen dürfen. Die Bulle
Unam Sanetam hätte nicht nach Raynaldus, fondern
nach dem Pacfimile Denifles in den Specimina palaeo-
graphica regestorum Romanorum pontificum. Romae 1886
tab. 46, abgedruckt werden follen. Durch diefes Facfimile
find wir ja auch zum erden Mal authentifch über das
Datum unterrichtet worden: X1IIIkal. dec. = 18.Nov. 1302.

Breslau. Karl Müller.

1. Stutz, Priv.-Doz. (jetzt a.-o. Prof.) Dr. Ulr., Geschichte

des kirchlichen Benefizialwesens von feinen Anfängen
bis auf die Zeit Alexanders III. I. Bd. I.Hälfte. Berlin,
H. W. Müller, 1895. (371 S. gr. 8.) M. 12. —

2. — Die Eigenkirche als Element des mittelalterlich-germanischen
Kirchenrechtes. Antrittsvorlefung, gehalten
am 23. Oktbr. 1894. Ebd., 1895. (45 S. gr. 8.) M. —. 80

1. Die Arbeit von Stutz über das kirchliche Bene-
I ficialwefen id auf zwei Bände berechnet, von denen bis-
! her nur die Hälfte des erden vorliegt. Die Thefe des
Verf.'s id, dafs das kirchliche Beneficium fich nicht aus
den Zudänden der römifchen Zeit, fondern aus dem
germanifchen Eigenkirchenwefen entwickelt habe und nur
aus ihm habe entwickeln können. Der 1. Halbband dellt
daher die Grundlage des kirchlichen Beneficialwefens,
die Entwicklung des Eigenkirchenwefens bis zu
feinem definitiven Sieg in den Kirchen zweiter und dritter
Ordnung dar, und bildet infofern ein gefchloffenes Ganzes.
Als ,Eigenkirchenwefen' aber bezeichnet der Verf. denZu-
dand, dafs jede Kirche einen Eigenthümer hat, den Herrn
des Grunds und Bodens, auf dem fie deht, einen Eigenthümer
, dem nicht blofs das .nackte' Eigenthumsrecht,
fondern bedimmte Nutzungen, Antheil an den Einkünften
fowie die Leitung und Verwaltung der Kirche zudeht.

Diefe Thatfache des Eigenkirchenwefens als einer
germanifchen Inditution id ja fchon lange bekannt und
auch von kirchengefchichtlicher Seite neuerdings in's Auge
gefafst worden: ich habe mich in meiner KG im Wefentlichen
auf Grund der Forfchungen von Juriden wie Ficker,
Hinfchius, Löning u. A. bemüht, fie in ihrer Bedeutung
für die Entwicklung der mittelalterlichen Kirche und befonders
der Kämpfe vom 9.—12. Jahrh. zu verfolgen.
Aber meine eigenen Quellendudien find dabei nicht fo
tief gegangen, dafs ich mir das Recht zufprechen könnte,
über ein Werk von fo weit umfaffender Arbeit und
zugleich vielfach fpeeififeh juridifcher Haltung ein eingehendes
Urtheil abzugeben. Ich befchränke mich alfo
darauf, dem Verfaffer zu bezeugen, dafs ich fein Buch
mit gröfstem Intereffe und reicher Belehrung dudirt habe,
und den Lefern der ThLZ. über feine Ergebnifse zu
berichten. Da es aber kaum anginge, nur die Punkte
hervorzuheben, wo der Verf. von den bisherigen An-
fchauungen abweicht, fo ziehe ich es vor, die ganze
j Entwicklung zu zeichnen, wie fie fich auf Grund des
! Buchs dardellt.