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Ausgabe:

1896 Nr. 7

Spalte:

182-183

Autor/Hrsg.:

Grimme, Hubert

Titel/Untertitel:

Mohammed. 2. Teil: Einleitung in den Koran 1896

Rezensent:

Socin, Albert

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l8l Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 7. 182

werden durch den Eindruck, dafs ihm hier eine ganz
fubjectiviftifche Kritik zugemuthet werde. Dennoch find
auch da Einzelbeobachtungen werthvoll, obgleich das
Gefammtergebnifs m. E. gegen fich felbft und damit auch
ge^en die Methode fpricht, durch die es gewonnen ift.

Für A requirirt Jüngft aus 1, 1—II, 18 vier Stücke:
1. Die Conftituirung der Urgemeinde, beflehend aus I,
6 — 14 mit einem von R in v. 2 f. überarbeiteten Eingang
(excl. 9—Ii und einige Worte in v. 8. 12. 13 f.), 2, 4. 12 f.,
13—36 (excl. v. 24—31. 34 f.), 37—4ia (excl. 40), 43 c.
46—47 a (die Ergänzungen in c. 1 flammen tämmtlich von
R, die in c. 2 gröfstentheils aus B). 2. Die Befehdung
durch die Juden 3, I —4, 33 (excl. kleine Einfchaltungen
von R und Stücke der Petrusrede aus B). 3. Die Stephanus-
gefchichte, beflehend aus 6, 9 f. 12—14. 7, 1— 21. 29—34.
44—50. 58b—60. 8, ibc. 4. Pauli Bekehrung 9, 1 — 5.
22 b—25. 30b (dazwifchen hinein hat R mit Hilfe etlicher In religionsgefchichtlicherBeziehung kommtGrimme's

eigener Notizen einen Bericht von B gearbeitet). Hier ■ Arbeit entfchieden einem Bedürfnifs entgegen: wir be-
überall wird der nachprüfende Lefer den Gründen des ; fitzen, mindeftens in deutfcher Sprache keine kurzgefafste
Kritikers feiten die Kraft beimeffen können, die Quellen- ; Darftellung der Lehre des Islam: eine folche ift aller-

Schrift, wenn fie auch bald auf B, bald auf R. zuweilen
auf A angewandt werden. So ift die Schrift als ein
Beitrag zur Klarftellung der Probleme, deren Löfung es
gilt, zu begrüfsen. Mit etwas ftrengerer Selbftkritik hätte
Verf. darüber hinaus gewifs auch einen werthvollen Beitrag
zur Löfung liefern können.

Berlin. von Soden.

Grimme, Prof. Dr. Hubert, Mohammed. 2. Teil: Einleitung
in den Koran. Syftem der koranifchen Theologie
. Mit 2 Anflehten der Städte Mekka und Medina
in Lichtdruck. (Darftellungen aus dem Gebiete der
nichtchridlichen Religionsgefchichte. Ii. Bd.) Münder
i. W., Afchendorff, 1895. (XII, 186 S. gr. 8.) M. 3. 50

hypothefen zu tragen. Oft id es nur ein .Eindruck',
unter dem J. feine Entfcheidungen trifft, aus denen dann
andere für ihn folgen. Noch bedenklicher aber macht
die nothwendigeErgänzungshypothefe, die Recondruction
der Quelle B. Zwar Exidenzfähigkeit wäre ihr nicht abzusprechen
, wenn fie auch mit ihrem frühen Abfchlufs
wie ein Torfo erfcheint. In derfelben — fie id Fort-
fetzung einer Quelle des Ev. Luc. — war erzählt die
Nachwahl des Matthias 1, 15—26, das Sprachenwunder am
Pfingdfed2, 1 —11 (excl. 4) mit einer Petrusrede (f. nachher),
das Leben in der Urgemeinde (f. nachher), die Stephanus-
verfolgung (aufser etlichen Worten in 6, 3. 7. 12 alles
in 6, 1—8, 3 umfaffend, was nicht zu A gehört), die Bekehrung
des Saulus 9, 6—20a. 26—28 (excl. v. 16 = R),
das Eingreifen des Herodes 12, I—23 (excl. 4a. 5b—6a.
15a. 18 = R), die Heidenmiffionen des Petrus 9,32—10,

dings aus Krehl's P*eder zu erwarten und zu erhoffen.
Diefelbe dürfte durch das vorliegende Werk, fo fehr wir
deffen Verfaffer Fleifs und Befonnenheit nachrühmen
können, nicht überflülfig gemacht werden. Die Entftehung
der islamifchen Dogmen nicht minder wie die der Ethik —
wenn man hier überhaupt diefes von Grimme vielleicht
mit Abficht vermiedene Wort brauchen darf — hängt ja
doch mit Mohammed's eigener Entwicklung auf's Englte
zufammen, und es kommt fehr darauf an, in welcher
Weife die fchwierige Frage gelöft wird, an welchem
Punkte beim arabifchen Propheten die religiöfe Erregung
kühlen, von Politik abhängigen Erwägungen Platz gemacht
hat. Jeder, der diefem Problem gegenüber Stellung
zu nehmen ftrebt, wird fich freilich öfter fagen müffen,
dafs es für uns unmöglich ift, einen derartigen Charakter,
in welchem eine Menge für uns unvereinbarer Züge Platz

48 (excl. 10. 36—43 = R) und des Philippus 8, 5—40 ! hatte, zu ergründen. Augenfcheinlich war Mohammed
(excl. v. 9b. 10. 13 f.Siaram — 18 rtvSVfja. 25. 40b = R), | vielfach von momentanen Stimmungen abhängig und
die Verflandigung mit Paulus 11, 1 —17 (excl. 16. 17 b == R), I wufste oft felbft nicht, was er wollte; wir dürfen nicht
15, 13—20 (excl. ifg ftr — aXla = R) 9, 31 (!). Ift es , von ihm verlangen, dafs er nach unferen logifchen Ge-
fchon ein literarifches Wunder, dafs fich aus zwei gegen- fetzen dachte.

feitig ganz felbftändigen Berichten der Stephanusepifode Abgefehen davon alfo. dafs in Bezug auf manche

fowie der Paulusbekehrung je einer geftalten liefs durch Einzelheiten die Probleme wohl noch tiefer liegen, hat
blofses Ineinanderfchieben, fo ift es ganz unglaublich,
dafs derfelbe Verfaffer, der fonft mit feinen Quellen fehr
fchonend verfuhr, das in B vorgefundene Bild von der

Grimme feine Aufgabe in anfprechender Weife gelöft.
Er behandelt zunächft die Entftehungsgefchichte des
Korans und die Form und Reihenfolge der Suren, letztere
Urgemeinde in folgende abgeriffene Sätze zerftückelte: ! nach durchaus felbftändigen Erwägungen; wir können
2, 41b—25. 34—40 (excl. 38b 39a). 6, 7bc(!) 2, 43 a. feinen confervativeren Standpunkt freilich nicht durchweg
5, 12a 15 f. 2, 45. 4, 36f. 11, 24a (!) 5, 14. 5, 1 —11, die
Pfingftrede des Petrus aber zerrifs und die Fetzen unterbrachte
in 3,25b. 21 — 24. 18. 14a. 2,24—31. 39h 13,
40 f. ('!). Und dabei hat der Taufendkünftler von Redactor,
der fonft mit feinen Verbefferungen der Vorlagen gar
nicht fparfam ift, in den beiden fo von ihm aus ganz
disparaten Stücken conftruirten Petrusreden in c. 2 u. 3

theilen. Befonders erfcheint uns ferner die neue Theorie
über die Hebungen in den ,Verfen' nicht ganz einleuchtend.
In der Darfteilung der koranifchen Dogmatik, deren erfter
Theil die Lehre von Gott enthält, geht Grimme in
anerkennenswerther Weife genetifch vor. Natürlich kommen
hier auch die Fragen nach den Entlehnungen aus
Judenthum, Chriftenthum und arabifchem Heidenthum

genau wie bei der Stephanusrede auch nicht ein einziges : zur Erörterung; in Bezug auf das erftere ift mit Recht
Wort zu deren Aneinanderpaffung feinerfeits beizufügen < das bekannte Werk Weber's Syftem der altfynagogalen
nöthig gehabt. Das find denn doch wohl Undenkbar- | paläftinenfifchen Theologie verwerthet. Beachtenswerth

keiten, bei deren Ausklügelung man nur den Scharffinn
des Kritikers bewundern kann, aber beklagen mufs. dafs
er dazu verfchwendet worden ift. Es fcheint mir unbillig,
Beifpiele der Eindruckskritik aufzuzählen, da fie durch
die zutreffenden Beobachtungen reichlich aufgewogen
werden, mit denen jeder fernere Verfuch, die Compofition

find Grimme's Auseinanderfetzungen über die fchriftliche
Offenbarung und die Zurückführung des Inhalts von
Sure 36, 12 auf eine chriftliche Legende. — Etwas weniger
befriedigt hat uns die Darfteilung der Pflichtenlehre;
fchon die Eintheilung in zwölf Gebote erfcheint einiger-
mafsen willkürlich. Auch wäre wohl zu betonen gewefen,

von 1 —11, 18 zu erklären, zu rechnen haben wird. Bei der , dafs die Ethik des Islam im Grunde recht mangelhaft ift.
am Schlufs verfuchten Charakteriftik der drei Geifter, | Wir wünfehen dem Buche zahlreiche Lefer; hoffent-
die nach J. zu dem Ganzen beigetragen, der Verfaffer J lieh erlebt es eine zweite Auflage. Bei derfelben wäre
von A und B und des R, vermag J. nur dadurch R und hier und da die Literatur über diefe und jene Einzel-
B fcharf zu trennen, dafs, wo dies nicht gelingen will, fragen etwa ftärker zu berückfichtigen, fowie manche
bei R bewufste oder unbewufste Beeinfluffung durch B Kleinigkeiten zu verbeffern. So fchreibt Grimme aufangenommen
, bei B Einfchaltungen des R ausgelöft | fallender Weife S. 122 raqda ftatt rakda. Dafs elhajrjr
werden. Doch findet fich auch hier eine Reihe treffender (S. 127) das Fell ift. könnte ebenfalls beanftandet werden
Bemerkungen über den Charakter des Verf.'s unferer mir fcheint umgekehrt die arabifche Bedeutung des