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Ausgabe:

1896 Nr. 7

Spalte:

179-182

Autor/Hrsg.:

Jüngst, Johs.

Titel/Untertitel:

Die Quellen der Apostelgeschichte 1896

Rezensent:

Soden, Hermann

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Theologifche Literaturzeitung. 1896. Nr. 7.

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t/.i<pavij zu erklären ift) initiutn habet manifestum et con-
summatio est manifesta zu lefen. 10, 7 verdient ent-
fchieden die Lesart von M (vgl. Aeth.) luge tu oder von
Ambrofius et luget den Vorzug, V. 8 ift wohl mit diefem
und Arm. sumus flatt estis zu lefen. So bedarf auch
der B.'fche Text hie und da noch der Verbefferung,
einen fo Ungeheuern Fortfehritt er über unfere bisherigen
Ausgaben hinaus bedeutet, — unterfcheidet er fich doch
vom Fritzfche'fchen Text allein in Cap. 3—14 an nicht
weniger als einigen 320 Stellen.

Den einleitenden Bemerkungen J.'s wird man, wie
fchon oben gefchah, auch im Uebrigen der Hauptlache
nach zuftimmen können. Dafs bei Nicephorus Homologeta
(Fabricius, Cod. Apocr. N.T. I, 951 ff.) unter der
Efraapokalypfe die unter diefem Namen bekannte Schrift,
nicht der vierte Efra zu verftehen ift, wäre möglich,
wenngleich es fich nicht erweifen läfst. Sehr vorfichtig
ift die Zufammenftellung von Citaten aus unferem Buch;
vielleicht noch nicht vorfichtig genug. Denn felbft die
Verwandtfchaft zwifchen IV. Efra 4, 5 und Barn. 12, I;
Greg. Nyff., tiqoq lovd. 7 und Pf.-Hieron., Comm. in
Marc. XV, 33 führt noch nicht einmal mit Wahr-
fcheinlichkeit auf literarifche Benutzung; der Glaube
an ein folches Zeichen vor dem Ende wird fich gewifs
auch fonft gefunden haben. Noch weniger ift Tert., de
praescr. haer. 3 auf IV. Efra 8, 20 oder adv. Marc. IV, 16
auf IV. Efra 15, I zurückzuführen. Auch Hippolyt's und
Cyprian's Bekanntfchaft mit unferem Buch fcheint mir
nicht erwiefen; die Sage von der Wiederherftellung des
alten Teftaments durch Efra weift nur bei Priscillian mit
Sicherheit auf dasfelbe zurück. Was die Anfangscapitel
betrifft, fo hat J. zum erften Mal auf die Berührung zwifchen
IV. Efra 1,33 T/und den Acten der Disputation Silvefter's
mit den Juden (bei Cedrenus I, 525 Migne) hingewiefen
und diefelbe mit Recht aus der Abhängigkeit diefer von
dem fpanifchen Text unterer Schrift (die Weglaffung der
Stelle bei C aber durch homoiotcleutoii) erklärt. Dagegen
find die Sibyllinen weder in II, 245 mit IV. Efra I, 391.
literarifch verwandt, noch an andern Stellen von Cap.
15 f. abhängig. Uebrigens hat diefe nicht von Gut-
fchmid, wie J. will, fondern Hilgenfeld aus dem Jahr
268 datirt. Andere Verfehen find feiten, zu dem Artikel
von Ifelin in der theol. Zeitfchrift aus der Schweiz
hätte Jahrgang und Seitenzahl (1887, 59 ff.) angeführt
werden follen, neben ihm vielleicht auch der Auffatz
von Gottheil, Hebraica IV. 1887/88, 14ff. und Chabot,
Revue semitique 1894, 242 ff., ebenfo aufs er Kabifch
(deffen Hypothefe fehr ungenau angegeben wird) auch
Faye, Lcs apocalypses juives 1892, 14 ff. 35 ff. 103 ff.
155 ff. Der Druck ift mufterhaft forgfältig, das Verzeich-
nifs am Ende leider nicht vollftändig.

Aber all diefe kleinen Ausfüllungen können das hohe
Verdienft, das fich Bensly, fowie James undRobinfon
durch diefe Ausgabe erworben haben, nicht fchmälern;
möchte fie dazu beitragen, dafs das werthvolle und
intereffante Buch immer allgemeiner und eingehender
ftudirt wird.

Halle a. S. Carl Clemen.

Jüngst, Jons., Die Quellen der Apostelgeschichte. Gotha,
F. A. Perthes, 1895. (V, 226 S. gr. 8.) M. 4. —

Das Ergebnifs diefer neuen Forfchung nach Quellen
der Apoftelgefchichte ift wefentlich einfacher, als das der
unmittelbaren Vorarbeiten unferes Verf.'s, obwohl er deren
Spuren und deren Methode nicht feiten folgt. Für ihn
ift unfere Apoftelgefchichte fozufagen eine zweite Auflage
des Werkes eines Vorgängers (A), das der Herausgeber
(R) in feinem erften Theil mit einer Specialge-
fchichte der Anfänge des paläftinenfifchen Chriftenthums
(B) zufammengearbeitet, aufserdem mit einer Fülle eigener,
im erften Theil meift auf kürzere Bemerkungen fich be-
fchränkenden, im zweiten Theil auch ganze Epifoden

aus mündlicher Ueberlieferung einflechtenden Einfchalt-
ungen erweitert hat. Das Material aus B ift in c. 1 — Ii,
18 untergebracht mit Ausnahme von 12, 1—24. 13,40 h,
15,13—20. — Abgefehen von diefen drei Stücken präfentirt
fich alfo der zweite Theil von II, 19 ab als eine erweiternde
Bearbeitung einer einzigen Quelle, womit Verf.

I für diefen Theil zurücklenkt in die früheren Bahnen der
Unterfuchung, die er durch feine Beobachtungen an nicht
wenigen Punkten gefördert hat. In dem, was er aus
15, 36—21, 20 und c. 27 f. der Quelle ab- und dem
Verfaffer der Acten zuweift, trifft er meift mit den For-
fchern, die für diefen Theil ähnliche quellenkritifche An-
fchauungen vertreten, zufammen, fo dafs an diefem Punkte
der Confenfus zufehends wächft. Abgefehen von einzelnen
Worten, in deren Ausfcheidung Verf. mir oft allzu
fcharffinnig fcheint, ift mir nur zweifelhaft das Recht der
Ausfcheidung der Timotheusbefchneidung 16, 2 — 5 (aufser
3 a!) und der Agabusweisfagung 21, 10 f. aus A, und noch
mehr das Recht der Zuerkennung eines Theils der Milet-
rede, nämlich 20, 20—22. 31 f. 36 f., an A. Wenn aber J.
auch aus c. 21—26 weitaus das Meifte (an gröfseren
Stücken fcheidet er nur 21, 20b—26. 22, 30—23, 10. 24,
14c—16. 26, 6—8 aus) A zuweift, fo fcheinen mir die
hiefür beigebrachten Gründe nicht entfeheidend. Inter-
effant ift des Verf.'s Reconftruction von A in dem Theil
II, 18—15, 35. Zwar in c. 13 f. handelt es fich nur um
Fragen von derfelben Tragweite und demfelben proble-
matifchen Charakter, wie die eben erwähnten. J. will
die Elymasgefchichte und die Lahmenheilung R, dagegen
den gröfsten Theil der Antiochiarede A zuweifen. Aber
ein eigenartiger und beftechender Gedanke ift es, dafs R

I den nach Jüngft A zugehörigen Theil von c 15, d.h.v. I—4,
30a. 32—35, in feinem Platz mit der ebenfalls A zuge-

j hörigen Perikope II, 27—30. 12, 25ab vertaufcht habe,
fo dafs die Stücke aus c. 15 urfprünglich zwifchen 11,26
und 13,1, dagegen 11,27—30. 12,25 ab urfprünglich nach
c. 131. geftanden hätten. Es wäre dies eine überrafchende
Beftätigung von literarkritifchem Ausgangspunkt für die
unter den Hiftorikern des apoftolifchen Zeitalters vertretene
Plypothefe, dafs thatfächlich die Verftändigung
Pauli mit den Judenchriften vor und nicht nach der Act.

| 13 f. erzählten Miffion ftattgefunden habe. Wenn nur die

| Gründe für die Zugehörigkeit beider Versgruppen zu A

1 überzeugender wären. — Aber nicht nur im 2. paul. Theil,
auch in c. 1 —11, 18 foll A die Grundlage von Act. bilden.
Und hiemit kommen wir auf den fchwächeren Theil
der Arbeit. Schon in den bisher befprochenen Ab-
fchnitten ift die Methode nicht ohne Schwächen. Der
Verf. unterfucht Vers um Vers, und wo ihm nach feinem
Sprach- und Stilgefühl etwas aufftöfst, da fchlicfst er auf

i eine andere Hand, als ob dem betreffenden Verfaffer
erfter Hand Unebenheiten, kleine Umftändlichkeiten, gelegentliche
Wiederholungen nicht zuzutrauen wären, zumal
einem fo fchwer zu bewältigenden und gewifs fo
fchwankend überlieferten Stoff gegenüber, wie er ihn
literarifch zu fixiren unternahm. Die Beweife aus dem
Lexikon find aber befonders bedenklich, wenn es fich
um einzelne Worte an einzelnen Stellen handelt, ftatt

J um durchgehend nachweisbaren verfchiedenen Sprachgebrauch
, und fo lang oder vielmehr da man nicht nachweifen
kann, ob der Verf. der Lucasfchriften in den Acten

j weniger als im Ev. die Vorlage umftilifirt hat, was für
das Ev. gegenüber den Marcusftücken doch auf der Hand
liegt. Und ein circulus vitiosus liegt nicht feiten zu
Grunde, wenn bei zwei aus ungenügenden Gründen be-

l anftandeten Stellen die eine zum Zeugen gegen die

j andere aufgerufen und dann aus dem Gemeinfamen das
fchriftftellerifche Signalement des hypothefirten Verf.'s

j der betr. Bruchftücke conftruirt wird. Wer die Unter-
fuchungen, die nicht etwa von dem Leichterentfcheid-
baren, etwa c. 16—21 ausgehen, fondern mit c. 1 beginnen
und Abfchnitt für Abfchnitt unter die Lupe nehmen, von

I vorne an zu lefen beginnt, wird leicht abgefchreckt