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Ausgabe:

1895

Spalte:

167-168

Autor/Hrsg.:

Jenkins, Rob. C.

Titel/Untertitel:

The Jesuits in China and the legation of Cardinal de Tournon. An examination of conflicting evidence and an attempt at an imtortial judgement 1895

Rezensent:

Reusch, Franz Heinrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 6.

168

Jenkins, Rector Vicar Canon Rob. C, M. A., The Jesuits 1
in China and the legation of Cardinal de Tournon. An

examination of conflicting evidence and an attempt
at an impartial judgement. London, Nutt, 1894. (VII,
165 S. m. 2 Bildnifsen. gr. 8.) Geb. 5s.

Der Streit der Jefuiten und anderer Orden über die
chinefifchen (und malabarifchen) Gebräuche, über die
Frage, ob und in wie weit die altherkömmlichen Gebräuche
der Chinefen und der Hindus auch bei den
Getauften geduldet werden dürften, — Cardinal Hergen-
röther behandelt den Streit im Kirchenlexikon 1, 156
unter der Rubrik ,Accommodationsftreit', — hat eine
faft unüberfehbare Literatur hervorgerufen, von der die |
wichtigften Erfcheinungen in meinem Buche über den
Index 2, 771 verzeichnet werden. In der vorliegenden
Schrift wird nur ein kleiner Abfchnitt des Gegenstandes
behandelt. Clemens XI. entfchied den Streit 1704 zu
Ungunften der Jefuiten und beauftragte den 1703 zum
Vifitator in China (und Indien) mit den Rechten eines
Legatus a latere ernannten Prälaten Carl Thomas Mail-
lard de Tournon, — zum Cardinal wurde er erft in feiner
Abwefenheit 1707 ernannt, — diefe Entfcheidung zu
promulgiren. Der Verf. berichtet über die Thätigkeit I
und Schickfale des Legaten hauptfächlich auf Grund der
Memorie storiche del Card, de Tournon, esposte con mo-
nutnenti rari ed autentici non piii dati alla luce, die zu
Venedig 1761—62 in acht Bändchen erfchienen find.
Herausgegeben hat diefe, was der Verf. nicht erwähnt,
der Card. Paffionei, der früher Secretär der Propaganda
gewefen war. Das Werk ift fehr feiten, aber nicht, wie
der Verf. S. 3 meint, ein verbotenes (im Index flehendes)
Buch. Um fein Thema erfchöpfend behandeln zu können,
hätte der Verf. freilich aufser diefen Memorie und den
anderen Quellen, die er S. 6 verzeichnet, noch viele
andere Schriften benützen müffen. Tournon kam Ende
1705 nach China, fand bei den dortigen Jefuiten und bei
der kaiferlichen Regierung, bei der fie fehr einflufsreich
waren, eine fehr wenig wohlwollende Aufnahme und
wurde im Juni 1707 genöthigt, fich nach Macao zurückzuziehen
. Hier hatte ein portugiefifcher Generalcapitän
die Gewalt in Händen (S. 142). Diefer erkannte die Legatengewalt
Tournon's unter Berufung auf den dem König
von Portugal vom Papfle verliehenen Patrondtus regius
gar nicht an (S. 104) und hielt ihn gefangen, bis er am
8. Juni 1710 ftarb. Auf die Behauptung, er fei von Jefuiten
vergiftet worden 1), geht der Verf. gar nicht ein
(er erwähnt S. 46, 78 einen angeblichen früheren Ver-
giftungsverfuch).

Der Verf. fagt S. 7: um ein billigeres Urtheil zu
fällen, müffe man fich von den Vorurtheilen frei machen,
die aufzugeben die extremen Anflehten der Gegner der
Jefuiten und das tragifche Schickfal des Cardinais fchwer
machten. Seine Darftellung geftaltet fich aber keineswegs
zu einer Apologie der Jefuiten. Wenn man auch
die Miffionsthätigkeit der Jefuiten in China fo günftig
beurthcilt wie Leibniz (S. 97, 101) und das Schwanken
der Päpfte des 17. u. 18. Jahrhunderts in der Beurtheilung
der chinefifchen Gebräuche anerkennt, und wenn man
bezweifelt, ob Tournon die für feine fchwierige Miffion
erforderlichen Eigenfchaften befafs (die nöthige Kennt-
nifs des Chinefifchen befafs er jedenfalls nicht), fo kann
doch die Oppofition, die die Jefuiten dem päpftlichen
Legaten machten, nicht entfchuldigt werden. Benedict
XIV drückt fich noch fehr milde aus, wenn er von ihnen
fagt, fie hätten fich bemüht, die durch Tournon pro-
mulgirten päpftlichen Decrete eludere inanibusque ra-
tionibus ejfugere. Die unfreundliche Aufnahme, dieTournon

i) Der Bericht des Canonicus Angclita, eines Begleiters Tournon's,
(S. 46), ift abgedruckt in dem Anhange der Instrtizione ai vescovi, Neapel
1748, p. 40, ein ausführlicherer Bericht im 4. Bande der Memoires
de la Congrigalion de la Mission, Paris 1865, bei Friedrich, zur Ver-
theidigung meines Tagebuchs. Nördl 1872, S. 12.

I bei den Jefuiten fand, hat ihren Grund nicht blofs in
: der Mifsbilligung ihrer Miffionspraxis durch die Curie.
,Die Jefuiten-Miffion war der Mittelpunkt geworden nicht
nur von politifchen Intriguen, fondern auch eines Com-
merziellen und fogar fchmutzigen Handels mit den un-
wiffenden Eingeborenen, worin die finanzielle Gefchick-
lichkeit der Patres mehr hervortritt, als ihr Eifer für die
Sache des Chriftenthums' (S. 52). Dafs Tournon auch
in diefer Hinficht den Jefuiten entgegentrat (S. 52, 65),
war ein Hauptgrund ihrer Feindfeligkeit.

Unter den Jefuiten in China fpielte auch ein deutfeher,
P. Kilian Stumpf, eine Rolle (S. 50, 70). Berichte eines
anderen deutfehen Jefuiten, Ignaz Kögler, aus etwas
I fpäterer Zeit findet man bei Friedrich, Beiträge zur
Kirchengefchichte des 18. Jahrhunderts, 1876, S. 95. Dafs
unfer Verf. die Literatur nur unvollftändig kennt, wurde
bereits erwähnt. Von den Apologien der Jefuiten (S. 83)
erwähnt er nicht einmal Le Tellurs Defense des nouveaux
chretiens et des missionaires de la Chine, 1687, und den
5. Band der Historia Societatis Jesu von Juvencius, 1710
(Index 2, 493. 772). Gegen die S. 93 befprochene Verita
e l' innocenza de' Missionari della Comp, di Gesü ift
; 1712 eine Risposta de'Signori delle Missioni sträniere alla
I protesta e alle riflessioni de' Padri Gesuiti erfchienen. Sehr
beachtenswerth ift auch Relazione di Mgr. Prosper/)
Lambertini, giä Considtore del S. Offizio, indi P. Bette-
detto XIV. . . sopra im mentoriale dato dal Priore de'
Missionar/ Gesuiti alla S. M. di demente XI. per offenere
moderazione e spiegazione d'alcuni capi del decreto del
Card, di Tournon, Lugano 1772.

Bonn. F. H. Reufch.

Lobstein, Prof. P., Etudes christologiques. La christologh-
traditionelle et la foi protestante. Paris, 1894. [Strafsburg
i/E.,C.F.Schmidt's Buchh.J (53 S. gr. 8.) M.— .80

Diefe neue chriftologifche Studie Lobftein's behandelt
die wichtige Frage, wie fich die aus dem Glaubens-
prineip der Reformation entworfene Chriftologie zu der
1 überlieferten altkirchlichen verhält. Sie will zeigen, dafs
beide nicht mit einander zu reimen find, dafs die Con-
fequenz des reformatorifchen Princips eine neue Chriftologie
in der evangelifchen Dogmatik fordert. Die Ge-
fchichte d. h. hier die Dogmengefchichte wird zum
Erweis deffen verwerthet. Denn fie lehrt jenen Diffenfus
und zeigt der evangelifchen Theologie den Weg.

Zunächft wird dargeftellt, dafs die evangelifchen Be-
kenntnifsfehriften wie die Reformatoren felbft die Chriftologie
der alten Concilien unverändert herübergenommen
und unumwunden anerkannt haben. Bedenken
haben die letzteren nur gegen die theilweife unbiblifchen
Ausdrücke der alten Formeln geäufsert. Viel wichtiger
ift, dafs ihre Anerkennung derfelben nicht der überlieferten
Lehre, weil fie die kirchlich überlieferte ift, gilt,
fondern auf der Vorausfetzung ruht, dafs die Lehre fo
in der Schrift enthalten, von Gott offenbart fei. Es liegt
daher in der Confequenz des von ihnen eingenommenen
Standpunktes, die alte Lehre anders zu beurtheilen, fo-
bald fich, wie es heute der Fall ift, herausgeftellt hat,
dafs diefe Vorausfetzung irrig war. Am wichtigften ift
jedoch, dafs die Reformatoren die überlieferte Lehre
unbefangen dafür nehmen, der Ausdruck des Heilsglaubens
zu fein, den fie erneuert haben, und in dem fie
leben. Denn daraus folgt, dafs fie uns anweifen, die
Chriftologie diefem Glauben entfprechend zu geftalten.
Und die entfeheidende Frage wird die, ob wirklich die
orthodoxe Chriftologie diefem Glauben entfpricht. Dafs
es nicht der Fall ift, wird am Gottesbegriff und am Gedanken
vom Heil gezeigt. Die alten griechifchen Theologen
, die Väter des chriftologifchen Dogmas, haben
Gott in abftracten philofophifchen Kategorien gedacht
und erkennen zu können geglaubt, das Heil haben fie