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Ausgabe:

1895

Spalte:

166

Autor/Hrsg.:

Buchwald, Georg

Titel/Untertitel:

Wittenberger Ordiniertenbuch 1537 - 1560 1895

Rezensent:

Cohrs, Ferdinand

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Seite 1

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i6S

Theologifchc Literaturzeitung. 1895. . Nr. 6.

166

Zu den fachlichen Erläuterungen feien hier einige
Ergänzungen geftattet. S. 10 ift der Karthäufer Vater
in Würzburg, der nach Nürnberg überfiedelte, keinenfalls
Jon. Hambach, fondern Georg Koberer, welchen der
Rath von Würzburg in den Bauernunruhen Mai 1525 nach
Würzburg zurückrufen wollte. Vgl. die Correfpondenz
mit ihm und dem Nürnberger Rath in Martin Cronthal's
Chronik (Wieland, die Stadt Würzburg im Bauernkrieg,
Würzburg 1887 S. 56fr.). Leider konnte Weftermayer in
feiner Schrift über die Brandenburg-Nürnberger Kirchen-
vifitation S. 24h über die Nürnberger GeifUichen wenig
bieten, da die Acten meift verfchwunden find.

Blafius, der Karthäufer Vater S. 20, ift Stockei oder
Stöcklin, der 1546 Pfarrer in Hersbruck war und in
Ravensburg reformiren half. Zu dem Brief des Juftus
Jonas vom 20. Januar 1535 vgl. den Melanchthon's vom
21. Januar, wo er Bafilius heilst. C. R. 2, 825. S. 24 kann
Doctor Johannes nicht wohl Pfeffinger fein, da diefer
erft 1543 Dr. th. wurde. Seifert, Jof. Pfeffinger S. 53.
Seifert beftreitet auch die Richtigkeit der Namensform
Börner. Ebd. 54. Meiern S. 27. 28, das Tfchackert
vergeblich gefacht, ift Mehlem gegenüber von Königswinter
, ügir von Mehlem kenne ich auch nicht. Sollte
er der C. R. 3, 1160, 1219 nicht genannte Frankfurter
Stadtfchreiber fein:') Hieronymus Pyramius ift der kai-
ferliche Rath Kegel, dem Karl V. nach dem Schmalkal-
difchen Krieg die fequeftrirten Güter Georg Ludwigs
von Freiberg in Juftingen übergab. Vgl. das für Frecht's
gebrochene Stimmung bezeichnende Wort in feinem
Brief vom 1. Juni 1549: o hätt ich einen guten Heiligen
ins Kaifers Himmelreich, als den Dr. Seid, den Kegel oder
Hafen! Vgl. die von mir herausgegebenen Briefe Frecht's
an feine Gattin. Württb. Vierteljahrshefte f. Landesge-
fchichte. 5, 261. 262 und v. Druffel, Briefe und Akten
2, 457. Er nennt ihn im Regifter irrigerweife Chriftoph.
Zu S. 34, Anm. 2 wäre genauer zu fagen, dafs Frecht
damals nicht eigentlich Profeffor der Theologie an der
Univerfität, fondern Vorfteher und Lector der Theol. im
Stipendium war.

Zu hampel S. 36, 40 Anm. 5 vgl. das fchwäbifche
Hamballe (Tölpel) und das fränkifche Hamperle (Lam).
Das Wort ift wahrfcheinlich nur euphonifche Veränderung
für Hammel. Zu S. 42: Die Klagefchrift der
württembergifchen und ftrafsburgifchen Theologen bei
den kaiferlichen Oratoren in Trient, welche Frecht von
Dr. Beurlin fich geben laffen und an Baumgärtner fchicken
follte, ift bei Preffel, Anccdota Brcntiana S. 329b gedruckt.
Der qiudam garrnlus Frangilius publice cpistolam ad
Romanos enarrare incipiens ilt der Mönch, über welchen
Brenz und Genoffen bei den Oratoren klagten. Ebd. 330.
Frecht giebt nur den Erfolg der Klage an. Sehr bezeichnend
für den Geruch, in dem die fpanifchen Theologen
in Trient itanden, ift der Schimpfname Marrani,
die insgeheim mohammedanifch gebliebenen gevvaltfam
bekehrten Mauren. Ob zu Marrani Maranatha zu vergleichen
ift ? (Wenburgensis S. 43 mir nicht verbindlich
. Geislingen war in der Gewalt Albrecht's von Brandenburg
. Sollte fich Frecht geirrt haben? S. 44 Z. 1 ift
doch wohl Volckcmero zu lefen. Zu Schelhamer S. 49
vgl. Medicus, Gefchichte der evgl. Kirche Bayerns 132 ff
s- 5i wird der Brief von Kauffmann fein Licht durch
die Notiz bei Medicus S. 133 Anm. f erhalten, wonach
Kauffmann ein Flacianer war.

Die werthvollen Funde Tfchackert's muffen diePor-
fchung neu beleben. Wie vielfach fehlt es doch noch
an genauerer Kenntnifs der Reformationsgefchichte im
Finzelnen! Wie dürftig ift z. B., was wir von Frecht s
grofsem Briefwechfel bei Hummel und Fecht befitzen.
Nabern. G- Boffert.

I) Die Vermuthung dürfte richtig fein. Vgl. Jansen 8, 334 Anm. 3.

1 Buchwald, Lic. Dr. Georg, Wittenberger Ordiniertenbuch
1537—1560, veröffentlicht von B. Leipzig, G. Wigand
1894. (V, 141 S. Lex.-8.) M. 10.—

Im Lutherjahre erfchien unter den Feftfchriften des
Prediger-Seminars in Wittenberg auch Profeffor D. Riet-
fchels grundlegende Schrift ,Luther und die Ordination'
(2. Aufl. Wittenberg 1889). In derfelben publicirte
D. Rietfchel aus dem Wittenberger Pfarrarchiv die
| ältefte Form der Ordination und wies zugleich mehrfach
auf das in demfelben Archiv befindliche ältefte Wittenberger
Ordinirtenverzeichnifs hin, das die vom 24. Juni
1537 bis zum 9. April 1560 Ordinirten umfafst, und das
in vorliegendem Buche nunmehr von D. Buchwald
veröffentlicht wird. Aufbewahrt ift uns das aus 147 Bl.
llalbfolio beftehende Original durch die Fürforge des
| ehemaligen Wittenberger Gen.-Superintendenten D. Karl
1 Gottlob Hof mann, der es 1746 neu einbinden liefs. Leider
fehlen doch fchon einige Blätter an dem urfprünglichen
Umfang des Verzeichnifses, fo dafs dasfelbe von Oftern
1556 bis October 1557 eine Lücke aufweift. ,Der Abdruck
folgt genau dem Original. Die Ordinirten find numerirt,
die Daten find aufgelöft und in Klammern am Rande
beigefügt'. Beigegeben ift auf S. 118—141 ein alpha-
betifches Perfonen- und Ortsverzeichnifs, das aber in
j letzterem durchweg nur die beftimmbaren Ortsnamen
I enthält. Im ganzen find in dem Verzeichnifs 1980 Or-
dinirte genannt, 1976 mit fortlaufenden Ziffern verfehene,
wozu noch der in dem Vorwort erwähnte Eintrag auf
Bl. 1 des Originals und 3 Nachträge (vgl. S. 117) kommen,
die vor dem Gebrauche des Buches einzufügen find.

Das Verzeichnifs ift ein werthvolles Hülfsmittel für
j das Studium der Reformationsgefchichte. Einmal natur-
gemäfs für die Gefchichte der Ordination und weiterhin
I des Predigtamtes, worauf D. Rietfchel a. a. O. genug-
i fam aufmerkfam gemacht hat. Befonders fei darauf hin-
gewiefen, dafs wir aus diefem Verzeichnifs lernen, wie
| die Ordinanden durchaus nicht immer Studirte find,
! fondern aus den verfchiedenften Berufsarten flammen.
D. Rietfchel hat a. a. O. S. 84 ff. die Refultate an-
fchaulich zufammengeftellt und durch höchft bedeutfame
j ftatiftifche Ergebnifse klar gemacht, dafs mehr und mehr
durch ordentliches Studium vorbereitete Candidaten ins
Pfarramt kommen. Aber wegen der zahlreichen Per-
fonalien hat das Buch auch feine grofse Bedeutung für
die kirchengefchichtliche Forfchung überhaupt, namentlich
auch für die immer mehr gepflegte Localgefchichte.
Denn die in Wittenberg Ordinirten find nicht etwa nur
für Kurfachfen benimmt, nein für das Gebiet faft des
ganzen heutigen deutfehen Reiches wird in Wittenberg
damals ordinirt, ja für Oeftereich, Mähren, Siebenbürgen,
Ungarn, Dänemark u. a. m. Die Localgefchichte mufs
aber auch zur Hülfe kommen, um alle die Ortfchaften
zu beftimmen, die in dem Verzeichnifs genannt find. Es
handelt fich oft gewifs um kleine Orte, die nur der feft-
ftellen kann, der die betreffende Gegend genau kennt;
! ja manche der genannten Orte mögen im 30jährigen
Kriege verfchwunden fein. Beifpielsweife ift es mir nicht
möglich zu fagen, welcher Ort mit Boetzenn b. Lüneburg
(Nr. 1253 S. 79) gemeint fein mag. Mir ift kein
Pfarrort diefes oder ähnlichen Namens auch im weiteften
Umkreis von Lüneburg bekannt, obgleich die dortige
Gegend meine Heimath ift. So wird es fchwer fein, alle
Räthfel, die das Verzeichnifs uns aufgiebt, zu löfen —
und doch mufs das ernftlich ins Auge gefafst werden,
wenn das Verzeichnifs für die weitere Reformationsgefchichte
recht fruchtbar gemacht werden foll. Möge
alfo diefe neue Buchwald'fche Veröffentlichung auch zur
Erforfchung der Localgefchichte anregen und damit zugleich
für die Kenntnifs der Reformationsgefchichte im
eigenen Lande, ja im eigenen Orte reichen Gewinn
bringen!

Markoldendorf (Hannover). Ferdinand Cohrs.