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Ausgabe:

1895

Spalte:

163-165

Autor/Hrsg.:

Tschackert, P.

Titel/Untertitel:

Ungedruckte Briefe zur allgemeinen Reformationsgeschichte. Aus Handschriften der königl. Universitätsbibliothek in Göttingen 1895

Rezensent:

Bossert, Gustav

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i6y Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 6. 164

Chiirch in der Faftenzeit, den Pfalter jede Woche zwei- 1
mal durchzubeten, ebenfo den ganzen Pfalter an den I
Feften des Herrn. Wie der Pfalter hiezu eingetheilt ift, i
ftellt Index I u. II zufammen. Befonders dankenswerth j
ift die Appendix: the Kalendar and Lcctionary, letzteres |
nach den 5 Spalten: Gefetz, Propheten, Apoftelgefchichte,
Apoftel, Evangelium; dazu das Regifter nach der Reihenfolge
der Texte. Dafs nicht alle bei den Neftorianern
gemeinfam mit den anderen Syrern gefeierten Felle auf
die Zeit vor 431 zurückgeführt werden dürfen, wird in
der Einleitung gezeigt. Ebenfo nöthig als nützlich ift
das Gloffar der kirchlichen te7'mini technici. Erwünfcht
wäre noch gewefen ein Regifter der in den Texten vorkommenden
Namen von Heiligen, Orten, Verfaffern mit
den nöthigen biographifchen und topographifchen Angaben
. S. 125h, 137, 139, 180 kommt eine Menge Namen,
über welche fchwer Auskunft zu finden ift; ein Hymnendichter
Abimelech z. B. (S. 99) ift fchon feines Namens
wegen merkwürdig. Auch mehrere alphabetifche und akro-
ftichifche Gefänge oder Gebete finden fich, darunter ein
dem Ephram zugefchriebenes Akroftichon, das den Namen
Jefus jni»8i mit Alef fchreibt. Dafs ftatt Hallelujah oft
Halle-ingih-lujah gerufen wird, gehört auch in das Gebiet
der geiftlos geiftlichen Spielereien und ift im Thesaurus
Syriacus noch nicht belegt. Auch eine von rö-
mifch - katholifcher Seite 1886 in Paris veranftaltete, für |
die unirten Chaldäer beftimmte Ausgabe des Pfalters
und der täglichen Officien ift benützt worden; in den
Anmerkungen laffen fich die für diefelbe vorgenommenen
Aenderungen bequem überfehen. Auf Weiteres einzugehen
mufs Ref. verzichten. Das Buch fei allen empfohlen,
welche eine Kirchengemeinfchaft kennen lernen wollen,
die zu den intereffanteften, noch keineswegs aber zu den
beftbekannten gehört.

Ulm. E. Neftle.

Tschackert, P., Ungedruckte Briefe zur allgemeinen Reformationsgeschichte
. Aus Handfchriften der königl. Uni-
verfitätsbibliothek in Göttingen. (Aus: ,Abhandlungen
der k. Gefellfch. d. Wiff. in Göttingen'.) Göttingen,
Dieterich's Verl., 1894. (57 S. gr. 4.) M. 6.40

Seiner Thätigkeit in Königsberg hat Tfchackert ein
Denkmal in dem werthvollen preufsifchen Urkundenbuch
z. Ref.-G. des Herzogthums Preufsen gefetzt. Jetzt
bietet er von Göttingen aus neues Material zur allgemeinen
Reformationsgefchichte. Von Königsberg bis
Worms und Tübingen verbreitet fich ein neues Licht
über manche Theile der Reformationsgefchichte von 1524
bis 1569.

Der Titel entfpricht nicht mehr ganz dem Inhalt
der Publication. Denn während des Drucks waren die
drei Briefe des Eobanus Heffus 1, 2, 5 von E. Weber
in feiner Sammlung: Virorum clarorum saeculi XVI
et XI 'II epistolae selectae Lipsiae 1894 herausgegeben
worden, aber Tfchackert hat gut daran gethan, diefelben
in feiner Sammlung zu belaffen, denn er bietet einen
befferen Text.

Der Brief Bugenhagen's an J. Mörlin Nr. 14, wozu
S. 57 der Schlufs gegeben ift, war allerdings zweimal
gedruckt, aber in kaum mehr erreichbaren Schriften.
Aus Verfehen hat Tfchackert auch das Bedenken Luther's
gegen ein Bündnils mit den Oberdeutfchen und dem
Landgrafen Philipp von 1529 mit aufgenommen; erft
nach Vollendung des Drucks erkannte er, dafs es fich
bei De Wette 3, 46511". findet. Aber des Neuen ift noch
genug; unter 25 Stücken find 19 aus dem Original wiedergegeben
. Sie Hammen meift aus Nürnberg, vielfach aus
dem Brieffchatz des Hieronymus Baumgärtner, dem
wahrfcheinlich auch die an den Rath zu Nürnberg gerichteten
Nr. 3, 7, 12, 16, 23 angehörten. Drei Briefe
find von Eobanus Heffus, zwei von Juftus Jonas,

einer von deffen gleichnamigem Sohn, zwei von Veit
Dietrich, zwei von M. Frecht. Neben bekannten Geftalten
treten völlig unbekannte, wie Johann Hambach, einft
,grofser' Pfarrer im Dom zu Würzburg mit vier Pfründen,
1528 Prediger zu Kraftshof bei Nürnberg, auf (Nr. 3)
Der einfüge Würzburger Domherr Dr. Fifcher und Ofi-
ander hatten ihn bewogen, fein Dompfarramt 1524 1525
aufzugeben und nach Nürnberg überzufiedeln. Zwei
Mehlfäcke mit Kleidern und Büchern brachte er mit.
Seine übrige Habe hatten ihm die Bauern im Werth von
300 fl. genommen. Der einft in Würzburg in anfehn
lichem, gut dotirtem Amt flehende Mann bekam jetzt in
Nürnberg für viele, fchwere Arbeit wöchentlich einen
Gulden und allmählich 50 fl. Schulden. Der Dienfl der
evangelifchen Kirche war ein anftrengender, wie das
neben Hambach's Brief auch der von Veit Dietrich von
1 539 (Nr. 12) zeigt. Veltwyk hatte allen Grund, am 26
Juni 1548 bei der Einführung des Interims zu fchreiben:
Niemand wird bereit fein, die Mühe zu übernehmen,
welche die lutherifchen Prediger ertragen haben, v. Druffel
3,XIV. Hübfeh ift der Blick in die Nöthe des Humaniften
Eobanus Heffus, der 1530 H. Baumgärtner um einen
Silberling angeht (Nr. 5).

Für die Charakteriftik Andr. Ofiander's und feiner
Lehre find die beiden Briefe von Michael Rotting und
Dominikus Schleupner von 1533 Nr. 7 u. 8 fehr werthvoll
. Seine Anfchauungen über die Abfolution find eigenartig
, das Urtheil Rotting's ift ungewöhnlich fcharf
(S. 16 Z. 1 v. u. im Regelt L Löfe- und Bindefchlüffel).
Sehr intereflant ift der Zufammenftofs Veit Dietrich's
mit Chriftoph Scheurl, der bei einer Hochzeit vor Dietrich
's Ohren die evangelifche Kirche ein stabnlum mere-
tricutn genannt hatte, worüber ihn Dietrich zur Rede
ftellt und ihn mit Excommunication bedroht. Die Zeit,
in welcher der Brief gefchrieben ift, wird fich doch wohl
mit Hilfe der ,doincstica exempla1 S. 22 noch näher als
1536—42 beftimmen laffen. Werthvoll für den Urfprung
der Nürnberger Summarien ift der Brief Veit Dietrich's
von 1539 Nr. 12, für die Gefchichte der evangelifchen
Gemeinde in Worms Nr. 13. Nr. 16 giebt mit dem Ent-
laffungsgefuch Ofiander's Nov. 1548 einen wichtigen Beitrag
zu feiner Biographie. Für die Biographie und Charakteriflik
Frecht's und die fchwäbifche Gefchichte bieten
Frecht's Brief an Baumgärtner aus Blaubeuren vom 15.
Nov. 1550 Nr. 17 und aus Tübingen vom 28. April 1552
Nr. 20 neues willkommenes Licht. Jetzt wiffen wir, wer
die letzten Verhandlungen über den Eid der fünf in
Kirchheim gefangenen Ulmer Prediger im Namen des
Kaifers führte, jetzt kennen wir den Namen des Predigers
in Trient, der die Proteftanten im März verläfterte, jetzt
kennen wir das Datum der Abreife des Herzogs Chriftoph
nach Worms zu den Verhandlungen der neutralen Reichs-
fürften. Sehr charakteriftifch ift Nr. 19 der Brief Mörlin's
an Joh. Funck, der (trotzt von wüftem Gefchimpfe. Dafs
Tfchackert die Briefe Nr. 22, 23, 25 nur im Auszug giebt,
ift nur zu billigen. Nr. 23 läfst einen Blick in die Kreife
der Schwenkfelder in Nürnberg thun, zeigt aber auch
Schelhammer aufs neue als den Nürnberger Ketzer-
meifter.

Wie nicht anders zu erwarten, bietet Tfchackert
einen fehr forgfältigen textkritifchen und fachlichen
Kommentar. Zu jenem feien hier nur einige Bemerkungen
geftattet. S. 5 Z. 2 dürfte das zweifelhafte e . . . . so
mit extruso zu ergänzen fein. S. 14 Z. 5 im Text des
Briefs ift exolui hc\er=exsolvi, wie Tfchackert vermuthet.
S. 16 Z. 1 v. u. ift rechen = zurechnen. Der Sinn ift:
wenn man es denen zurechnen wolle. S. 17 Z. 21 dürfte
das Komma nicht nach allein, fondern nach fein gefetzt
werden. Vielleicht ift zu lefen: feie. S. 20 Z. 10 v. unten
ift wohl etiam zu lefen. Z. 12 v. u. ift mansisset ficher
richtig. S. 32 dürfte potiss. zu trennen fein und gelefen
I werden potis s. d. h. sim. S. 37 Z. 1 v. o. ift nichts zu
ergänzen. Der Sinn ift: multo aptior ad.