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Ausgabe:

1895

Spalte:

128

Autor/Hrsg.:

Koenigsberger, Bernh.

Titel/Untertitel:

Aus Masorah und Talmudkritik. Exegetische Studien 1895

Rezensent:

Dalman, Gustaf

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Theologifche Literatu

rzeitung. 1895. Nr. 5.

128

Gemahl an, dafs fie ihn zu verlaffen beabfichtigt (S. 60).
Glücklicher Weife wacht jetzt Sulamith auf und die
Sudermann'fche Komödie ift zu Ende. Wir lernen endlich
von c. 7,10—8,14 wenigftens etwas von der Tugend der
Sulamith kennen, an die uns zu glauben darum einiger-
mafsen fchwer wird, weil bekanntlich die Träume die
verborgenden Regungen des Seelenlebens zu enthüllen
pflegen. Man kann darum der Beforgnifs der Brüder,
dafs Sulamith vielleicht,eine Thür' fein könnte (8,9b S.72),
wohl nicht jede Berechtigung abfprechen. — Wir überladen
dem Lefer zu entfcheiden, ob diefe Löfung des
Räthfels des Hohenliedes nach feinem Gefchmack fei. —
Die Behandlung des Sprachlichen ift wie man es bei den
Durchfchnittsarbeiten von diefer Seite |nur bei diefen,
die gediegenen Arbeiten eines H. Derenbourg, J. Barth,
D. H. Müller u. A. trifft natürlich dies Urtheil nicht] gewohnt
ift. — Qi-iiffin TT» foll heifsen: die Kette der
Lieder (S. 81). Alfo diefelbe Wortform in zwei verfchie-
denen dicht nebeneinander flehenden Bedeutungen! TUB
(richtiger T'O) foll das talmudifche 'XD ,Kette' fein, das
mit bibl. npirj vgl. Jef. 3, 19 verwandt ift. — fcMrj Jef. 19,17
wird für ein Verb = zittern gehalten (SV27). nk"p
(5, 2) ,die Locken' foll mit plp Ekel zufammenhängeh,
weil man beim Ekel fleh zufammenzieht wie ein Geflecht
(S. 47). Wer an derlei Gefallen findet, dem empfehlen
wir die fprachlichen Erläuterungen von S. 25. 26. 27. 33.
34. 36 Anm. 1. 38. — Von der Art der Exegefe dienen als
Beifpiele die Erklärungen c. 5, 12 (S. 51) ,die Waffer-
quellen' find die Thränendrüfen, ,die Milch' die weifse
Bindehaut der Augen, ,darüber ift kein Zweifel'. — Bei
3, 1 ift zu p3fijX2~b3> zu ergänzen ipljQX: ich habe auf
meinem Lager an ihn gedacht S. 29; trotzdem überfetzt
der Verf. S. 27 ,war ich auf meinem Lager', wohl in der
Erwägung, dafs ,an ihn' auch fo nicht dafteht. — c. 7, 1
ift D^jn^r] fibrTa überfetzt: ,eine, die in beiden Lagern
tanzt' (S. 56. 60). Dem wagt der Verf. hinzuzufügen, dafs
diefer Ausdruck ,von den Auslegern arg mifshandelt'
worden fei. Das genügt wohl.

Jena. C. Siegfried.

Kraetzschmar, Dr. Rieh., Jesaia. Unpunktierte Ausgabe
des maforethifchen Jefaiatextes, für den akademifchen
Gebrauch beforgt. Freiburg i/B., J. C. B. Mohr, 1894.
(IV, 48 S. gr. 8.) M. 1. —

So lange nicht wieder eine fo bequeme unpunktirte
Ausgabe des ganzen Alten Teftaments erfcheint wie die
1820 (mit Beigabe des griechifchen Neuen Teftaments) in
London bei Samuel Bagfter herausgegebene, find Textausgaben
einzelner Bücher wie die obige und die Ausgabe
der Genefis durch Mühlau und Kautzfeh (3. Auflage, Leipzig
1893) und Pfalmen durch die Oxforder Clarendon Press
(1879) fehr willkommen. Und es ift vielleicht nicht über-
flüffig daran zu erinnern, dafs unpunktirte Ausgaben
des ganzen Pentateuchs unter dem Titel min Jlpn von
jüdifcher Seite häufig herausgegeben werden und durch
jüdifche Buchhandlungen für wenige Pfennige zu beziehen
find. Freilich fürchte ich, dafs die Mehrzahl der Stu-
direnden gerade für die Vorlefungen des vocalifirten
Textes fehr bedarf, weil die hier nöthige rafche Ueber-
fleht ihnen nur dann möglich ift. Hierfür wären punk-
tirte Ausgaben mit abgefetzten Zeilen bei poetifchen
Texten wünfehenswerth. In Seminarübungen find aber
unvocalifirte Texte um fo mehr am Platz.

Die Ausgabe Kraetzfchmar's giebt den Confonanten-
text der Baer'fchen Ausgabe (mit Entfernung einiger
Druckfehler) wieder. Derfelbe ift völlig fortlaufend gedruckt
, nur die Versanfänge find durch eine kleine Lücke,
in welcher die Verszahl fleh befindet, gekennzeichnet.

Leipzig. Guftaf Dalman.

Koenigsberger, Bernh., Aus Masorah und Talmudkritik.

Exegetifche Studien. 1. Hft. Berlin, Mayer & Müller,
1892. (64 S. gr. 8.) M. 2. —

L. Blau hatte in feinen ,Maforetifchen Unterfuch-
ungen' (1891) die Punktirung gewiffer Worte oder Buch-
ftaben im maforetifchen Bibeltext als Andeutung, dafs
diefelben zu ftreichen feien, aufgefafst, während König
(Einleitung in das A.T. S. 33) mit Recht nur von einem
dadurch kundgegebenen zaghaften Bedenken gegen die
Textlesart geredet wiffen will. Koenigsberger ftellt
nun die Hypothefe auf, dafs ,die punktirende Mafora
nur das Auffallende hervorheben will', und fucht diefelbe
an den punktirten Stellen durchzuführen. Ohne
gelegentliche Verlegung der Punkte und Auffpürung von
wenig auffallenden Abnormitäten geht es dabei nicht ab.
Welche Art der Beweisführung er fleh zuweilen erlaubt,
fei an einem Beifpiel gezeigt. Bei Gen. 19, 33 ift er
überzeugt, dafs der Punkt über dem zweiten Waw von
«m21p21 nur auf die Plenefchreibung aufmerkfam machen
foll. Weil die rabbinifche Tradition eine andere Deutung
des Punktes hat, mufs fie nothwendig einer Zeit entflammen
, in welcher die maforetifche Notiz nicht mehr
verftanden wurde, und wäre fomit zur Erklärung der
maforetifchen Angaben gar nicht zu benutzen. Dabei
fchiebt K. dem deutenden Midrafch, um ihn von der
maforetifchen Notiz zu trennen, einen Ausgangspunkt
unter, von welchem die rabbinifche Tradition ihrerfeits
kein Wort fagt. Nach Anfleht des Ree. bleibt es immer
gerathener, der Anfleht der rabbinifchen Tradition, dafs
die Punkte Bedenken gegen den Text geltend machen
follen, fleh anzufchliefsen, aber zuzugeben, dafs fovvohl
die Ueberlieferung der Punkte felbft, als ihre Deutung
durch die Tradition vielfacher Unficherheit unterliegen.

Die umgekehrten Nunin von Num. 10, 35. 36 und
Pfalm 107 find nach K. Klammern, welche die damit
bezeichneten Abfchnitte hervorheben follen, und dem
Zweck der Hervorhebung ihrer felbft dienen auch die
fogen. hängenden Buchftaben, foweit fie nicht durch
blofses Mifsverftändnifs traditioneller Erklärungen der
betr. Stellen entftanden find. Ueberall ift K. bemüht, den
Zeichen jede textkritifche Bedeutung im Sinne ihrer
Urheber zu nehmen. Das bei den ,punktirten' Stellen
vom Ree. Gefagte gilt auch hier. Nur in einem Punkte
wird K. Recht haben. Es läfst fleh in der That nicht
beweifen, dafs der hebräifche Text jemals Rieht. 18, 30
fiüE (ftatt n»:z:) gelautet habe. Die talmudifche Notiz,
wonach jenes Haupt der Priefterfamilie von Dan nur
wegen feiner Thaten von Manaffe ftatt von Mofe hergeleitet
worden fei, ift gewifs blofs eine aus n©3E p Dfina
erfchloffene Vermuthung, welche das fchwebende Nun
zur Folge hatte und fchon von Hieronymus ernft genommen
wurde.

Leipzig. Guftaf Dalman.

1. Clemen, Privatdoc. Lic. Dr. Carl, Die Chronologie der
paulinischen Briefe, aufs neue unterfucht. Halle a. S.,
Niemeyer, 1893. (VIII, 293 S. gr. 8.) M. 6.—

2. Clemen, Privatdoc. Lic. Dr. Carl, Die Einheitlichkeit der
paulinischen Briefe, an der Hand der bisher mit bezug
auf fie aufgeftellten Interpolations- und Compilations-
hypothefen geprüft. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht
, 1894. (VIII, 184 S. gr. 8.) M. 4.80

Die zweite diefer Publicationen bildet die noth-
wendige und fchon vor Jahresfrift in Ausficht geftellte
Ergänzung oder auch Vorarbeit zu der erfteren. Diefe
Ausficht hat mich veranlafst, leider über Gebühr, mit
der Anzeige der erfteren Schrift zurückzuhalten. Dennoch
nehme ich die zweite vorweg.

1. Die Einheitlichkeit u. f. w. Das Buch enthält
einen äufserft gevviffenhafte, Bienenfleifs verrathende